ODSONNE EDOUARD LENSIMAGO / PsnewZ

Cristiano Ronaldo wird eines Besseren belehrt! Wie ein Arbeiterverein mit einem Ex-Bayern-Kandidaten PSG das Leben schwer macht

Die französische Liga steht nicht unbedingt im Ruf, einen ausgeglichenen Wettbewerb zu bieten. "Die Saudi League ist natürlich besser als die Ligue 1. In Frankreich gibt es nur PSG, der Rest ist erledigt", lästerte etwa Cristiano Ronaldo vor gut einem Jahr. Der portugiesische Superstar fügte hinzu: "Keiner kann PSG schlagen, weil sie das meiste Geld und die besten Spieler haben."

In der Tat lässt sich die Dominanz des Hauptstadtklubs seit dem Einstieg des katarischen Staatsfonds 2011 nicht von der Hand weisen. Seitdem hieß in 14 Spielzeiten der Meister nur dreimal nicht Paris Saint-Germain. Oft war der Titelgewinn schon weit vor Saisonende in trockenen Tüchern. Im Moment aber liegt der Glamour-Klub nicht ganz vorne – sondern ein Arbeiterverein aus dem hohen Norden.

  • Lens-Höhenflug keine Momentaufnahme

    Nach 16 Spieltagen besteht die Spitzengruppe der Ligue 1 aus vier Teams, die nur fünf Punkte voneinander entfernt liegen. Olympique Marseille mit dem streitbaren Trainer Roberto De Zerbi, und dem Ex-Dortmunder Pierre-Emerick Aubameyang sowie OSC Lille mit Mbappe-Bruder Ethan und Altstar Olivier Giroud rangieren mit jeweils 32 Punkten auf den Plätzen drei und vier. Nur Zweiter ist aktuell der amtierende Champions-League-Sieger PSG (36), und ganz oben thront der RC Lens mit 37 Zählern. Als Lens Anfang Dezember die Tabellenführung übernahm, dachten viele an eine Momentaufnahme. Doch die Mannschaft hörte zuletzt einfach nicht mehr auf zu gewinnen. Vor der Weihnachtspause feierte das Team von Trainer Pierre Sage insgesamt sechs Siege in Folge.

    Dass Lens im Konzert der Großen mitmischt, hätte vor der Saison niemand erwartet. 21 Jahre ist es her, dass "Sang et Or" (dt. "Blut und Gold"), wie der Klub aufgrund seiner Vereinsfarben genannt wird, zuletzt die Tabelle der Ligue 1 anführte – damals allerdings am dritten Spieltag und punktgleich mit zwei weiteren Teams. Und Meister geworden ist der Racing Club de Lens nur ein einziges Mal in seiner bald 120 Jahre langen Klubgeschichte, in der Saison 1997/98. 

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    RC Lens erst 2020 wieder zurück in der Ligue 1

    Völlig aus dem Nichts kommt der Erfolg aber auch nicht: Der Arbeiterverein aus der einst für den Bergbau bekannten Region mit leidenschaftlichen Fans befindet sich bereits seit ein paar Jahren im Aufwind, genauer gesagt seit dem Einstieg des aktuellen Präsidenten Joseph Oughourlian 2016. "Dieser Klub hat in den vergangenen zehn Jahren drei Pleiten hinter sich, und ich habe keine Lust, die vierte zu erleben", sagte der Franzose damals der Zeitung La Voix du Nord

    Der Geschäftsmann entschuldete den krisengebeutelten Zweitligisten, an dem zuvor der aserbaidschanische Geschäftsmann Hafiz Mammadov und zwischenzeitlich auch Atletico Madrid Anteile gehalten hatten. Nach etwas Anlaufzeit gelang 2020 endlich die lang ersehnte Rückkehr in die Ligue 1, und seit der Rückkehr ins Oberhaus konnte man sich dort auf Anhieb etablieren. Die Nordfranzosen landeten seitdem immer in den Top Ten, in der Saison 2022/23 sogar sensationell auf Platz zwei und damit in der Champions League. 

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    Ex-Bayern-Kandidat feiert Comeback in der Nationalmannschaft

    Auch in der vergangenen Spielzeit spielten sie unter Will Still, einem jungen belgischen Trainer mit ungewöhnlichem Werdegang, lange Zeit eine gute Rolle, wurden am Ende Achter. Im Sommer kam es dann zu einem Umbruch. Still - inzwischen beim FC Southampton entlassen - verließ den Verein freiwillig, wie er später erklärte, aus persönlichen Gründen. Die Verantwortlichen setzten auf den bereits bei Olympique Lyon erfolgreichen Pierre Sage als neuen Coach. Einige Spieler, darunter Leistungsträger wie Kevin Danso (27, Tottenham Hotspur, 25 Millionen Euro*), Neil El Aynaoui (24, AS Rom, 23,5 Millionen) und Andy Diouf (22, Inter Mailand, 20 Millionen) wurden für insgesamt fast 90 Millionen Euro verkauft.

    Demgegenüber standen Einkäufe für etwa 54 Millionen Euro, darunter Talente wie der 21 Jahre alte österreichische Abwehrspieler Samson Baidoo von RB Salzburg (acht Millionen), aber auch Routiniers wie der 32-jährige Rechtsaußen Florent Thauvin (sechs Millionen, Udinese Calcio). An Thauvin, der 2018 als Ergänzungsspieler mit Frankreich Weltmeister wurde, soll vor einigen Jahren auch der FC Bayern dran gewesen sein

    Zuletzt schien die Karriere des Edeltechnikers etwas im Sand zu verlaufen, zwischenzeitlich kickte er zweieinhalb Jahre in Mexiko. Doch nun ist Thauvin (fünf Tore, zwei Assists) nach fünfjähriger Abwesenheit sogar wieder zurück im Kreis der Nationalmannschaft - und traf bei seinem Comeback für die Equipe Tricolore im Oktober nur zwei Minuten nach seiner Einwechslung.

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  • FBL-FRA-LIGUE1-ANGERS-LENSAFP

    Lens setzt auf schnörkellosen Fußball und auf Standards

    Der Offensivspieler kommt im System von Trainer Sage gut zur Geltung. Der 46-Jährige setzt auf einfache Mittel: Lens agiert im einem 3-4-2-1-System aus einer kompakten Defensive heraus. Mit 13 Gegentoren stellt der Racing Club die beste Defensive der Liga. Ballbesitz ist für die Mannschaft kein Selbstzweck, immer wieder suchen die Verteidiger schnörkellos den Weg in die Spitze, wo die Offensivspieler Thauvin, Wesley Said (30, sechs Tore) oder Odsonne Edouard (27, sieben Saisontore) ihre Stärken ausspielen können. 

    Zudem ist die Mannschaft sehr erfolgreich nach Standardsituationen. 13 ihrer 28 Liga-Tore fielen nach ruhenden Bällen, neun davon nach Eckstößen – Platz zwei in Europas Top-Ligen hinter Manchester United (14). Lens ist ein Team ohne große Stars, das schnörkellosen Fußball spielt und damit die vermeintlich Großen ärgert. Viele Spiele wurden knapp gewonnen, sieben der zwölf Saisonsiege erfolgten mit nur einem Tor Unterschied. 

  • Das Stadion als großer Trumpf des RC Lens

    Dabei hilft oft auch das Stadion Bollaert-Delelis mit englischem Charme – und die enge Bindung zu den Fans, die ähnlich stark ausgeprägt ist wie etwa im Ruhrgebiet. "Immer wenn ich das Stadion betrete, kommen mir die Tränen", sagt etwa ein Anhänger in der Youtube-Doku "RC Lens: The most english of french club". 

    In der Kleinstadt Lens mit rund 32.000 Einwohnern ist das knapp 38.000 Zuschauer fassende Stadion eine Festung. Selbst in der Gruppenphase der Champions-League-Saison 2023/24, als Lens nur um einen Punkt das Weiterkommen verpasste, blieb Lens dort ungeschlagen, gewann sogar gegen den FC Arsenal (2:1) und den FC Sevilla (2:1). 

    Anders als andere Investoren hat Präsident Oughourlian, der auch Anteile am kolumbianischen Klub Millonarios FC und dem italienischen Zweitligisten Padua Calcio besitzt, nicht versucht, den Verein komplett umzukrempeln. Er war von Anfang an bemüht, die Anhänger mit ins Boot zu holen, erklärte gleich zu Beginn seiner Amtszeit: "Ich habe einen Pakt mit den Fans abgeschlossen: Die niedrigsten Ticketpreise werden niedrig bleiben." Zudem betonte er: "Dieser Klub ist Lens, er ist der Stolz der Einwohner." 

    Vor wenigen Tagen verkündete der Präsident auch noch stolz, dass sich das Stadion nun komplett im Klubbesitz befindet, und kündigte an, am Stadionnamen in den kommenden 20 Jahren nichts zu verändern. Sonst spielen in der französischen Eliteklasse nur Olympique Lyon und AJ Auxerre in einer Spielstätte, die ihnen auch gehört.

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    Lens holt einen Spitzenverdiener aus Leipzig

    Ob die Mannschaft die Erfolgsserie auch bis zum Saisonende durchhalten kann, sich ein weiteres Mal für die Champions League qualifiziert oder sogar bis zum Schluss um den Titel spielen kann, bleibt abzuwarten. Es wäre nicht das erste Mal, dass einem Überraschungsteam irgendwann die Puste ausgeht. Dennoch scheint der Traditionsverein sich nach turbulenten Jahren im Moment definitiv auf dem richtigen Weg zu befinden. Die gestiegenen Ambitionen und gesunden Finanzen unterstreicht auch der Winter-Transfer von Bundesliga-Profi Amadou Haidara, der bei RB Leipzig zu den Spitzenverdienern zählte. Und im Gegensatz zur Konkurrenz sind die "Rot-Goldenen" nicht im kräftezehrenden internationalen Geschäft vertreten.

    Letztmals alleiniger Tabellenführer war Lens im Übrigen in der Saison 2001/02. Damals endete die grandiose Saison tragisch: Am allerletzten Spieltag verlor der Klub aus der Arbeiterstadt die Meisterschaft noch, wurde am Ende nur Zweiter hinter Olympique Lyon. Eine Geschichte, die einem aus dem Ruhrgebiet Anfang der 2000er Jahre ebenfalls bekannt vorkommt.

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