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"Am Trainingsgelände haben uns um 4 Uhr morgens 30.000 Fans mit Pyro und Feuerwerk empfangen": Kerem Demirbay vergleicht Galatasaray mit Real Madrid

Demirbay spielte bei der TSG Hoffenheim unter Julian Nagelsmann und bei Bayer 04 Leverkusen unter Xabi Alonso. 2023 wechselte der 31-jährige Mittelfeldspieler zu Galatasaray nach Istanbul. So verpasste Demirbay zwar das Double mit Leverkusen, gewann mit seinem neuen Klub aber direkt die türkische Süper Lig.

Herr Demirbay, nach vielen Jahren in der Bundesliga sind Sie 2023 zu Galatasaray gewechselt. Waren alle in der Familie mit der Klub-Wahl einverstanden?

Demirbay: Wir haben einen kompletten Mix in der Familie: Meine Mutter und mein Opa sind für Galatasaray, mein Vater ist für Fenerbahce, mein Schwager für Besiktas. Trotzdem verstehen wir uns alle gut. Die ganze Familie stand hinter meinem Wechsel zu Galatasaray. Überhaupt herrscht höchster Respekt zwischen den Fans und Spielern der drei Vereine. Seit ich hier bin, hatte ich noch kein einziges Mal Probleme mit Fans von Fenerbahce oder Besiktas. Ich kann als Galatasaray-Spieler ohne Probleme mit meiner Familie am Stadion von Fenerbahce vorbeigehen. Da macht mich keiner dumm an. Ganz im Gegenteil, die Leute sagen: "Obwohl du für Galatasaray spielst, lieben wir dich. Kann ich ein Foto mit dir machen?"

Wie erleben Sie die Dimensionen von Gala?

Demirbay: Die Größe des Vereins und die Fanbase kannst du mit Real Madrid vergleichen. Galatasaray ist ein absoluter Gewinner-Klub. Es geht hier nur um Titel und Pokale. Siegen, siegen, siegen. Das spürt man jeden Tag.

Sie haben gleich in Ihrer ersten Saison den Meistertitel gewonnen. Wie waren die Feierlichkeiten?

Demirbay: Das ist nicht mit Worten zu beschreiben. So etwas habe ich noch nie erlebt. So groß wie der Verein ist, so groß sind auch die Partys. Nachdem wir den Titel in Konya fixiert hatten, sind wir zurück nach Istanbul geflogen. Am Trainingsgelände haben uns um 4 Uhr morgens 30.000 Fans mit Pyro und Feuerwerk empfangen. Am nächsten Tag sind wir mit dem Bus durch Istanbul gefahren. Und dann haben wir auch noch bei uns im Stadion gefeiert.

Wie war das?

Demirbay: Jeder Spieler hat ein Lied bekommen. Ich hatte ein ganz langsames, schweres. Als ich mit meinen beiden Kindern am Arm aus dem Tunnel gekommen bin, hat das ganze Stadion mitgesungen. Ich hatte am ganzen Körper Gänsehaut. Das werde ich nie vergessen.

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    Kerem Demirbay: "Dortmund kann Galatasaray vielleicht leicht anditschen"

    Gala, Fener oder Besiktas: Welche Fans sind am lautesten?

    Demirbay: Es heißt laut, lauter, Galatasaray. Natürlich sind die anderen Fans auch laut, aber die von Galatasaray sind am lautesten.

    In welchem deutschen Stadion kommt die Stimmung am ehesten ran?

    Demirbay: Dortmund kann Galatasaray vielleicht leicht anditschen. Aber eigentlich ist das kein Vergleich.

    Und sportlich: Wo würde Gala in der Bundesliga landen?

    Demirbay: Wenn wir in der Bundesliga mitspielen würden, müssten viele Vereine zittern. Wir wären definitiv einer der besten Klubs. Bayern, Galatasaray, Leverkusen, Leipzig, Dortmund: Ich denke, so würde am Ende die Tabelle ausschauen. Vor allem in der Breite haben wir brutale Qualität. Wenn Victor Osimhen rausgeht, kommt Michy Batshuayi rein. Wenn Lucas Torreira rausgeht, kommt Kerem Demirbay rein.

    Sie sprechen es an: Zuletzt wurden Sie hauptsächlich eingewechselt. Wie definieren Sie Ihre Rolle in der Mannschaft?

    Demirbay: Letztes Jahr musste ich mit meiner Familie erst einmal ankommen. Das hat etwas Zeit gebraucht. Seitdem habe ich mich hier aber zum Führungsspieler entwickelt. Ich bin mittlerweile voll angesehen und eine Persönlichkeit im Verein. Obwohl ich derzeit weniger spiele, sehe ich mich nicht als Ergänzungsspieler. Der Fußball ist schnelllebig: Heute bist du Joker, morgen sieht es wieder anders aus und du bist Stammspieler. Ich glaube an mich und weiß, dass ich hier wieder mehr spielen werde. Hier sind nur die Besten - und weil ich zu den Besten gehöre, bin ich hier.

    Hört sich nicht an, als würden Sie an einen Abschied denken? Vor einigen Wochen hieß es, Werder Bremen würde Sie gerne verpflichten.

    Demirbay: Es besteht Interesse von Werder, das wurde mir bestätigt. Ich werde Galatasaray aber auf keinen Fall verlassen. Ein Wechsel ist für mich ausgeschlossen. Ich bin Ehemann und Vater, meine ganze Familie fühlt sich in Istanbul sehr wohl. Mit 20 geht es hop, hop, bum, Wechsel. Mittlerweile muss ich bei solchen Entscheidungen auch an meine Familie denken.

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    Kerem Demirbay: "Ich muss nicht sagen: Die sind alle krank, heftig, dies, das"

    Sie haben die Kaderbreite bei Gala angesprochen. Vor allem im Sturm gibt es mit Dries Mertens, Victor Osimhen, Hakim Ziyech, Michy Batshuayi, Baris Alper Yilmaz und dem aktuell verletzten Mauro Icardi zahlreiche hochklassige Alternativen. Wer ist im Training der unangenehmste Gegenspieler?

    Demirbay: Die Frage stellt sich für mich so nicht. Ich muss mich nicht hinstellen und sagen: Die sind alle krank, heftig, dies, das. Ich kann es mit jedem aufnehmen. Das Niveau im Training ist Weltklasse. Da schont sich niemand. Aber wir kommen alle miteinander aus und pushen uns gegenseitig.

    Galas Director of Research & Development Fatih Demireli, ein ehemaliger SPOX-Mitarbeiter, hat in einem Interview bei uns erzählt, dass diesbezüglich vor allem Dries Mertens heraussticht: Nach einer Niederlage habe Mertens mal "der Reihe nach jeden angeschrien, dass er jetzt sofort lachen muss".

    Demirbay: Ich habe im Fußball noch keine Persönlichkeit wie ihn erlebt. Dries ist 37 Jahre alt, hat eine unglaubliche Karriere hinter sich und haut sich trotzdem jeden Tag im Training voll rein. Man kann mit ihm über alles sprechen. Er kommuniziert viel und schert sich nicht, einem Kollegen, wenn nötig, in den Arsch zu treten. Da sind Dries und ich uns sehr ähnlich. Wir sind zwei Charaktere, die viel Verantwortung übernehmen. Man braucht solche und solche Persönlichkeiten in einer Mannschaft. Osimhen ist zum Beispiel auch ein Top-Typ. Er ist sehr freundlich und bodenständig, aber er spricht nicht viel. Von ihm kann man so ein Verhalten nicht erwarten. Wenn er sich so verhalten würde wie Dries oder ich, würden sich die anderen wundern.

    Osimhens Wechsel zu Gala war im Sommer eine ziemliche Sensation. Dachten Sie, dass er wirklich kommt?

    Demirbay: In den türkischen Medien wird sich einiges gewünscht, aber letztlich passiert nicht viel davon. Natürlich haben wir die Gerüchte um Osimhen gehört. Aber es wurde vor einem Jahr auch geschrieben, dass Sergio Ramos kommen soll. Ich habe mich mit Osimhen gar nicht auseinandergesetzt, bis er wirklich da war. Als er dann da war, habe ich mich natürlich sehr gefreut. Er ist ein Top-Spieler und ein sehr guter Kollege. Ich weiß, dass er sich hier auch sehr wohlfühlt.

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    Kerem Demirbay: "Xabi Alonso ist ein Mensch, der einen leise anschreit"

    Ihr Ex-Klub Bayer Leverkusen hat in der ersten Saison nach Ihrem Abschied das Double gewonnen. Gab es ein paar Sprüche von den ehemaligen Kollegen?

    Demirbay: Natürlich haben die Jungs gewitzelt: Kaum bist du weg, klappt es endlich! Typische Fußballer-Witze eben. Ich habe mich für die Jungs und Xabi Alonso brutal gefreut. Ich hatte vier wundervolle Jahre bei Bayer. Ich habe in Düsseldorf gewohnt, innerhalb von einer halben Stunde waren alle meine Verwandten bei mir. So etwas kann man mit keinem Geld der Welt kaufen. Auch die Leute bei Bayer sind super. Ich bin ihnen extrem dankbar. Wenn Simon Rolfes, Xabi Alonso, Rudi Völler oder Fernando Carro nach Istanbul kommt, dann trage ich ihn auf Händen durch die Stadt.

    Sie haben acht Monate lang unter Xabi Alonso gespielt. Was zeichnet ihn aus?

    Demirbay: Manche Menschen haben besondere angeborene Qualitäten. Mein linker Fuß, die Schnelligkeit von Jeremie Frimpong. Alter, der ist so schnell, unglaublich! Die Körperlichkeit von Jonathan Tah, diesem Monster. Bei Alonso ist es die Menschenführung. Das ist seine außergewöhnliche Fähigkeit, die ihn von vielen anderen Trainern abhebt. Er schafft es, alle Kaderspieler emotional immer nah bei sich zu halten. Bei einem Stammspieler ist das nicht so schwer. Bei Spieler 23 aber schon. Das ist sein Schlüssel zum Erfolg.

    Er hat die Mannschaft im Oktober 2022 im Tabellenkeller übernommen und noch in den internationalen Wettbewerb geführt. Was waren seine ersten Maßnahmen?

    Demirbay: Erst hat er uns den Glauben zurückgegeben, wie gut wir eigentlich sind. Dann hat er uns ein Positionsspiel mit und ohne Ball antrainiert, das einfach funktioniert. Auch mit seinen Pässen hat er sich sofort Respekt verschafft. Wenn wir ihm auf den Sack gingen und es nicht so lief wie er wollte, dann hat er einfach einen Pass ausgepackt und uns gezeigt, dass er besser ist. Das fanden wir nicht so toll. Aber so hat er uns gekitzelt.

    Xabi Alonso wirkt immer sehr ruhig und bedacht, strahlt eine spezielle Aura aus. Kann er auch anders?

    Demirbay: Er kann schon schreien. Aber wenn es so weit kommt, dann ist die Kacke richtig am Dampfen. Zum Glück habe ich das nicht oft miterlebt. Xabi Alonso muss aber gar nicht schreien, um einem das Gefühl zu geben, angeschrien zu werden. Er ist ein Mensch, der einen leise anschreit. Diese leisen Schreie sind kalt, durchdacht und gehen viel tiefer in einen rein. Ich kann es besser abhaken, wenn mich ein Trainer laut anschreit.

    Vor Ihrer Zeit in Leverkusen haben Sie bei der TSG Hoffenheim mit dem jetzigen Bundestrainer Julian Nagelsmann zusammengearbeitet. Hat er laut oder leise geschrien?

    Demirbay: Er hat sehr laute Gene. (lacht) Ihm braucht man kein Mikrofon vor den Mund zu halten. Genau wie Xabi Alonso ist auch Julian ein Menschenfänger. Sobald er spürt, dass du eine schlechte Phase hast, spricht er mit dir, und ruckzuck erreichst du wieder dein Maximum.

    Bei seinen Interviews ist Nagelsmann oft zum Scherzen aufgelegt. Wie ist das mannschaftsintern?

    Demirbay: Mit Julian ist es immer lustig. Aber er kann sehr gut zwischen Spaß und Ernst differenzieren. Wenn du in einer ernsten Phase nicht mitziehst, dann herzlichen Glückwunsch. In so einer Situation willst du Julian nicht als Feind haben.

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    Kerem Demirbay: "Lebensmüde ist Flo Wirtz auch wieder nicht"

    Zurück nach Leverkusen: Im Laufe Ihrer ersten Saison ist Florian Wirtz zur Mannschaft gestoßen. Was waren Ihre ersten Eindrücke von ihm?

    Demirbay: Erstmals wahrgenommen habe ich ihn bei einem Trainingsspiel A-Elf gegen B-Elf im Stadion. Da dachte ich nur: Ach du Scheiße, ist der gut! Ich kann mich auch noch gut erinnern, als wir uns im Herbst 2020 bei einem Auswärtsspiel in der Europa League gegen Hapoel Be’er Sheva in Israel auf der Hotelterrasse unterhalten haben.

    Worum ging es?

    Demirbay: Ich habe Flo gesagt: "Du bist so gut, du wirst irgendwann einer der besten Spieler der deutschen Nationalmannschaft sein." Daraufhin hat er erwidert: "Das weiß ich." Er ist brutal selbstbewusst und ihm ist alles rundherum scheißegal. Ihm ist es auch völlig egal, wie alt oder berühmt sein Gegenüber ist. Flo neigt seinen Kopf vor niemandem. Ich liebe solche Typen, die Eier in der Hose haben und dreckig sein können, wenn es darauf ankommt.

    Haben Sie ein Beispiel?

    Demirbay: Wenn Flo zehn Bälle hintereinander verliert oder 90 Minuten lang schlecht spielt, macht er eben in der Nachspielzeit den Unterschied. Wenn ihm jemand auf den Fuß tritt, dann schaut er ihn an und sagt: "Mach' das noch einmal und guck', was mit dir passiert." Mit dieser Art kann Flo eine ganze Mannschaft auf seinen Schultern tragen.

    Hat er das bei Ihnen auch mal gemacht im Training?

    Demirbay: Nein, lebensmüde ist er auch wieder nicht. (lacht)

    Wie von Ihnen prophezeit, ist Wirtz schon einer der besten Spieler der deutschen Nationalmannschaft. Was trauen Sie ihm noch zu?

    Demirbay: Ich traue diesem Jungen grenzenlos alles zu. Real Madrid, FC Barcelona, Manchester City: Er kann sich überall durchsetzen und wird einer der besten Spieler der Welt. Hoffentlich verletzt er sich nie böse. Inschallah, sagt man da bei uns.

  • Kerem Demirbay: "Die Polizei hat mich behandelt, als wäre ich der Verbrecher"

    Sie haben 2017 zwei Länderspiele für Deutschland absolviert. Davor hatte sich auch der türkische Verband um sie bemüht, Sie haben sogar für diverse türkische U-Nationalmannschaften gespielt. Wie schwierig war die Entscheidung?

    Demirbay: Die Türkei hat mich als erstes kontaktiert, dann kam Deutschland. Ich habe damals oft mit Jogi Löw gesprochen. Er hatte großes Verständnis für meine schwierige Situation. Am Ende hat mein Gefühl Deutschland gesagt.

    Für die Türkei hätten Sie vermutlich mehr Länderspiele gemacht: Bereuen Sie die Entscheidung?

    Demirbay: Ich stehe hinter all meinen Entscheidungen. Aber natürlich habe ich mir gewünscht, öfter für Deutschland zu spielen. Wenn ich jetzt aber erlebe, wie es ist, in einem türkischen Stadion zu spielen, wie sehr die Fans einen pushen, dann hätte ich mich mit diesen Erfahrungswerten vielleicht anders entschieden. Die Emotionen, die ich hier erlebe, sind noch einmal ganz anders und besonders.

    Schielen Sie noch auf ein Comeback in der deutschen Nationalmannschaft?

    Demirbay: Wenn mich der DFB heute für eine WM anfragen würde, würde ich mit großem Respekt sagen: Leute, ich fliege lieber mit meiner Familie in den Urlaub. Ich habe mit der deutschen Nationalmannschaft abgeschlossen und kann mich nicht mehr mit ihr identifizieren. Bitte, das soll nicht falsch klingen. Ich bin in Deutschland groß geworden und dem Land sehr dankbar. Aber jetzt bin ich in der Türkei zuhause und möchte hier nicht mehr weg. Sobald ich meinen Fuß auf türkische Erde setze, fühle ich mich zuhause. Die Lebensqualität in Istanbul kannst du mit keiner deutschen Stadt vergleichen.

    Was gefällt Ihnen in der Türkei so viel besser als in Deutschland?

    Demirbay: Ich habe vier Jahre lang in Düsseldorf gewohnt und mein Nachbar hat mich nicht ein einziges Mal gegrüßt. Wenn ich "Guten Morgen" gesagt habe, dann hat er mich angeschaut wie: Was willst du von mir, Alter? Ich will nicht verallgemeinern, aber viele Leute in Deutschland sind so kühl, so kalt. Das ist unglaublich. Hier in der Türkei sind alle viel herzlicher. Nach eineinhalb Jahren kenne ich jeden im Viertel. Letztens hat es plötzlich am Zaun meines Anwesens gebrannt. Nach drei Minuten waren 35 Menschen da und haben geholfen. Als bei meinem Nachbarn in Düsseldorf einmal der Alarm losging, bin ich mit Latschen raus gerannt und wollte helfen. Gleichzeitig kam die Polizei an und hat mich behandelt, als wäre ich der Verbrecher.

    Sie haben die ersten 30 Jahre Ihres Lebens in Deutschland verbracht. Warum sind Sie nicht früher in die Türkei gezogen?

    Demirbay: Es hat sich davor nicht ergeben. Ich war aber jedes Jahr in Bodrum im Urlaub und auch oft für Kurztrips in Istanbul. Die Herzlichkeit der Türken habe ich schon immer geschätzt.

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    Kerem Demirbay: "In Deutschland gibt es krassere Döner als in der Türkei"

    Vermissen Sie auch irgendetwas an Deutschland?

    Demirbay: Ja, den deutschen Döner. In Deutschland gibt es auf jeden Fall krassere Döner als in der Türkei. (lacht)

    Und wo gibt es den allerbesten?

    Demirbay: Im "Haus des Döners". Ich kenne die Besitzer, das sind gute Jungs. Poldis Döner ist auch top. Poldi ist überhaupt einer von uns. Er hat bis heute ein sehr hohes Ansehen in der Türkei. Die Menschen vergessen nicht, was er für Galatasaray geleistet hat. Als vor zwei Jahren ein schlimmes Erdbeben in der Türkei war, hat Poldi auch viel gespendet. So etwas vergisst man nicht.

    Früher haben sich viele Deutsch-Türken wie Sie für eine Karriere in der deutschen Nationalmannschaft entschieden. Die größten Talente der jüngeren Vergangenheit, Kenan Yildiz und Can Uzun, spielen für die Türkei.

    Demirbay: Das ist ein riesen Zeichen für die künftigen Generationen.

    Die türkische Nationalmannschaft hat es bei der EM bis ins Viertelfinale geschafft.

    Demirbay: Diese Spieler haben alle Türken sehr stolz gemacht, mich auch. Sie haben vielleicht nicht die individuelle Qualität wie die Franzosen. Aber sie waren eine Einheit und haben mit Leidenschaft und Herz füreinander und für die Türkei gekämpft. Das hat man jedes Spiel gesehen.

    Merih Demirals Wolfsgruß-Jubel beim Achtelfinal-Sieg gegen Österreich hat für Wirbel und sogar diplomatische Probleme zwischen Deutschland und der Türkei gesorgt. Wie fanden Sie die Aktion?

    Demirbay: Ich bin Fußballer. Politik ist nicht meine Angelegenheit. Dazu werde ich mich niemals äußern.

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    Kerem Demirbay: "Trainer zu sein, kann ich mir schon vorstellen"

    Zurück zu Ihrer kurzen DFB-Karriere: Sie standen bei Deutschlands Confed-Cup-Sieg 2017 im Kader. Was sind Ihre Erinnerungen an das Turnier?

    Demirbay: Als erstes fällt mir unsere geile Truppe ein. Es waren viele Jungs dabei, gegen die ich schon in der Jugend gespielt habe. Den Kern der Mannschaft bildete die vermeintlich goldene 95/96er-Generation um Joshua Kimmich, Leon Goretzka, Niklas Süle und Timo Werner.

    Bei den darauffolgenden großen Turnieren erfüllten Sie die hohen Erwartungen nicht. Hatten Sie ihnen mehr zugetraut?

    Demirbay: Das sind meine Jungs. Ich lasse nichts Schlechtes auf sie kommen. Sie haben so viel geleistet für den deutschen Fußball, auch bei ihren Klubs. Davor muss man großen Respekt haben. Ich würde Kimmich, Goretzka, Süle oder Werner sofort in meiner Mannschaft haben wollen.

    Dann spielen wir doch dieses Spiel: Bolzplatz, Fünf-gegen-Fünf. Welche vier ehemaligen oder aktuellen Kollegen würden Sie in Ihre Mannschaft wählen?

    Demirbay: Okay, dann wären am Ende doch andere dabei. Im Tor Lukas Hradecky, mit ihm habe ich geile Sauna-Zeiten gehabt in Leverkusen. In der Verteidigung mein Bruder Jonathan Tah. Im Mittelfeld Lucas Torreira und ich. Und im Sturm Victor Osimhen.

    Kein Florian Wirtz?

    Demirbay: Oh, stimmt. Er spielt statt mir. Ich bin Trainer, habe aber drunter immer mein Trikot an. Wenn es nicht läuft, komme ich rein und regle das.

    Stichwort Trainer. Sie sind 31 Jahre alt, haben Sie schon Pläne für die Zeit nach der Karriere?

    Demirbay: Ich glaube, es wird mir sehr schwer fallen, irgendwann aufzuhören. Aber daran denke ich noch gar nicht. Ich bin top-fit und will noch lange spielen. Wenn ich noch so circa neun, zehn Jahre als Spieler vor mir habe, mache ich mir dann Gedanken über die Zeit danach. Aber Trainer zu sein, kann ich mir schon vorstellen. Ich liebe Fußball einfach.

  • Kerem Demirbay: Seine Karrierestationen im Überblick

    ZeitraumKlubPflichtspieleToreAssists
    2013 bis 2014Hamburger SV3-1
    2014 bis 2015Kaiserslautern2313
    2015 bis 2016Düsseldorf26114
    2016 bis 2019Hoffenheim881227
    2019 bis 203Leverkusen1491530
    seit 2023Galatasaray66710
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