Jack Grealish HIC 2-1GOAL

Als 118-Millionen-Flop abgestempelt, entdeckt er die Liebe zum Fußball neu: Die beeindruckende Wende bei Jack Grealish

Jack Grealish hat ein überaus erfolgreiches Wochenende hinter sich. Beim 2:1-Erfolg des FC Everton gegen Crystal Palace gelang dem 30-jährigen Engländer Historisches. Sein Siegtreffer in der Nachspielzeit war der erste "Injury-Time-Winner" in der neuen Heimstätte des FC Everton, dem Hill Dickinson Stadium.

Wie der Treffer fiel, war sinnbildlich für den erfolgreichen Start der Leihgabe von Manchester City bei seinem neuen Klub: Der Ball fiel ihm buchstäblich vor die Füße. Nach einem zunächst abgewehrten Kopfball von Mittelstürmer Beto wollte Palace-Verteidiger Daniel Munoz die Kugel wegdreschen, doch Grealish blockte den Befreiungsschlag ab, und von dort flog er direkt ins Tor. Wenn’s läuft, dann läuft’s eben.

  • Hinterher scherzte der Neuzugang auf Instagram über den glücklichen Abschluss, beschrieb sein "Traumtor" mit den Worten: "Junge, was war das denn für ein überragendes One-Touch-Finish!!!"

    Unmittelbar nach dem Abpfiff hatte Grealish bereits seine Freude mit emotionalen Worten zum Ausdruck gebracht und von seinem neuen Klub geschwärmt. Im Gespräch mit dem klubeigenen Kanal evertontv sagte er: "Ich fühle mich wie im siebten Himmel, weil ich mein erstes Tor geschossen habe, hier im Hill Dickinson, vor den Fans, vor meiner Familie und dann war es auch noch das Siegtor."

    Er widme den Treffer allen Everton-Fans, die ihm einen derart warmen Empfang bereitet hätten: "Das Gefühl, das sie mir geben, seit ich hier bin, nicht nur im Stadion, sondern überall, ist so schön. Es gibt kein schöneres Gefühl im Leben, als geliebt zu werden."

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    Grealish wird in der Premier League zum Spieler des Monats gekürt

    Es sind Worte, die über die üblichen "Ich freue mich, dass ich der Mannschaft helfen konnte"-Floskeln hinausgehen – und es ist nicht das erste Mal, dass sich der Flügelspieler seit dem Sommer so äußert. Schon vor dem Spiel am Wochenende hatte er seinen Wechsel zum aktuellen Achten der Premier League, der auf den ersten Blick einen Rückschritt darstellt, bei Sky mit den Worten begründet: "Ich bin dann am besten, wenn ich geliebt werde. Ich bin ziemlich verletzlich außerhalb des Platzes. Ich wollte dorthin gehen, wo ich ich diese Liebe wieder spüre und ich einfach aufwachen kann und mit einem Lächeln im Gesicht Fußball spielen kann."

    Es scheint, als habe Grealish bei Everton die Freude am Fußball wiedergefunden. Nach einem Joker-Einsatz am ersten Spieltag stand er in jedem der folgenden sechs Spiele in der Startelf und bis auf eine Auswechslung in der 88. Minute immer über die komplette Spielzeit auf dem Platz. Nach einem überragenden Start mit vier Torvorlagen bei seinen ersten beiden Startelfeinsätzen wurde er im August von der Premier League zum "Spieler des Monats" gekürt - zum ersten Mal in seiner Karriere. 

    In den vergangenen drei sieglosen Spielen tat er sich wie die gesamte Mannschaft etwas schwer, Trainer-Veteran David Moyes sah aber keinen Grund, an ihm zu zweifeln, und Grealish zahlte das Vertrauen zurück. Gegen Palace konnte er den dritten Saisonsieg und seinen bereits fünften Scorerpunkt bejubeln.

  • Bei Manchester City kam Grealish zuletzt nur noch sporadisch zum Einsatz

    Genau diese Kontinuität hatte der einstige 118-Millionen-Mann nach seiner am Ende schwierigen Zeit bei Manchester City gesucht. Die Wahrscheinlichkeit, dass einem der Ball auch mal vor die Füße fällt, ist nun mal höher, wenn man auch bis zum Ende des Spiels auf dem Platz steht.

    In der vergangenen Saison hatte der Brite nur in sieben Premier-League-Spielen starten dürfen, 13-mal war er eingewechselt worden. Zwölfmal hatte Grealish 90 Minuten lang auf der Bank geschmort, fünfmal – obwohl fit – nicht einmal im Kader gestanden. Experimente in einer neuen Rolle als zentraler Mittelfeldspieler waren nicht sonderlich erfolgreich. Seine dürftige Ausbeute: ein Tor und eine Torvorlage.

    "Ich glaube, in den letzten Jahren habe ich vielleicht manchmal meine Liebe zum Fußball verloren – nicht verloren, aber ich habe einfach nicht mehr so viel Spaß daran gehabt, wie ich sollte", sagte Grealish bereits kurz nach seinem Wechsel auf Leihbasis zu Everton gegenüber den Manchester Evening News.

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    ManCity gab für Grealish 100 Millionen Pfund aus

    Zweifel daran, ob der Spaß- und Instinktfußballer Grealish gut in das System von City-Coach Pep Guardiola passen würde, hatte es bereits zum Zeitpunkt seines Wechsels 2021 gegeben. Ebenso wie an der Angemessenheit der Ablösesumme, die mit 100 Millionen Pfund, umgerechnet etwa 118 Millionen Euro, für den damals 25-Jährigen, der bis dahin seine gesamte Karriere bei Mittelklasse-Klub Aston Villa verbracht hatte, maßlos überteuert erschien.

    Wie erstaunlich viele dieser dreistelligen Millionen-Transfers (etwa Eden Hazard zu Real Madrid, Philippe Coutinho zum FC Barcelona, Joao Felix zu Atletico Madrid oder Romelu Lukaku zum FC Chelsea) konnte auch der Engländer die hohe Ablösesumme nie vollends rechtfertigen. Ein Transfer-Flop war er allerdings auch nicht. Vor allem in seiner zweiten Saison 2022/23 baute Guardiola voll auf Grealish. Auch wenn seine Scorerwerte ebenfalls nicht durch die Decke gingen (wettbewerbsübergreifend fünf Tore und sieben Assists), war er im Jahr des Triple-Gewinns nahezu unumstrittener Stammspieler, stand etwa in der Champions League in zwölf von 13 Spielen in der Startelf.

  • Grealish spricht offen über seinen Ruf als Party-Löwe

    Anschließend stand er vor allem wegen seiner exzessiven Feierlichkeiten im Mittelpunkt der Öffentlichkeit. "Ich habe vier Tage durchgesoffen", erzählte er hinterher. In der Folge aber verlor Party-Löwe Grealish immer mehr an Standing im teuren City-Kader.

    Es gab auch Gerüchte, dass sein nicht immer für den Leistungssport förderlicher Lebenswandel dabei eine Rolle gespielt haben könnte. "Die Leute sagen: 'Er geht gerne aus, er feiert gerne' – und das tue ich auch", gab der 30-Jährige zuletzt gegenüber Sky Sports offen zu. "Ich möchte mein Leben leben und es genießen können, aber natürlich gibt es dafür eine Zeit und einen Ort." Er sei sich deshalb in seiner City-Zeit auch manchmal etwas selbst im Weg gestanden, weshalb seine Einsatzzeiten dort immer geringer wurden. Sein Lebenswandel sei aber nicht der ausschlaggebende Punkt gewesen, betonte Grealish. 

    Für seinen neuen Trainer David Moyes hat er ein Lob übrig, dass auch als Kritik an Ex-Coach Guardiola verstanden werden kann: "Ich meine es nicht arrogant, aber ich mag es, wenn der Trainer sagt: 'Du bist der Fußballer, also mach, was du willst'. Mir ist es lieber, wenn jemand einfach sagt: 'Wenn du den Ball hast, geh einfach und spiel Fußball.' Das sagt er zu mir." 

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    Thomas Tuchel verzichtete auf eine Nominierung für die Nationalmannschaft

    Wie gerne Grealish das Dribbling sucht und wie schwer er dabei zu stoppen ist, zeigt eine Statistik: Von allen Spielern in den europäischen Top-Ligen wurde er in dieser Saison am häufigsten gefoult (26-mal).

    Trainer Moyes zeigt sich begeistert von der Spielweise seines Neuzugangs. Dabei hatte er durchaus Zweifel an einer Verpflichtung, wie er gegenüber der Daily Mail verriet: "Wir haben lange darüber nachgedacht. Ich habe mich gefragt: 'Bekommen wir einen Jack Grealish, der vielleicht auf dem absteigenden Ast ist? Wird er nicht mehr in der Lage sein, Leistung zu bringen?'" Doch nun ist der Coach von seinem Linksaußen voll überzeugt: "Ich glaube wirklich, dass er noch zwei oder drei Stufen höher kommen kann", sagt der 62-Jährige.

    Blöd nur für Grealish, dass der aktuelle englische Nationalcoach als Trainertyp eher Guardiola ähnelt als Moyes. Thomas Tuchel nominierte den 30-Jährigen ungeachtet des guten Saisonstarts nicht für die anstehenden Länderspiele der Three Lions gegen Wales und Litauen. Sein letztes von bislang 39 Länderspielen bestritt der in Birmingham geborene Engländer mit irischen Wurzeln, der von der U17 bis zur U21 noch für Irland auflief, vor fast genau einem Jahr. Beim 3:1-Erfolg in der Nations League gegen Finnland am 13. Oktober 2024 erzielte er sogar ein Tor. Seitdem wartet er vergeblich auf eine Einladung. 

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    Eine Rückkehr nach Manchester erscheint aktuell unwahrscheinlich

    Immerhin, Kontakt zum Nationaltrainer besteht . Nach seinem Siegtor gegen Crystal Palace sagte Grealish: "Ich habe mit dem Trainer gesprochen, und ich verstehe, dass es einen großen Konkurrenzkampf gibt, besonders auf dem linken Flügel. Rashy [Marcus Rashford] ist super drauf, Eze, Anthony Gordon, alle spielen super. Ich kann mich nicht beschweren, es ist wie es ist."

    Doch wenn der Instinktfußballer seine gute Form noch länger halten kann, dürfte auch Tuchel ins Grübeln geraten. 

    Eine Rückkehr von Grealish zu Manchester City, wo er noch einen Vertrag bis 2027 besitzt, erscheint dagegen aktuell eher unwahrscheinlich. Denn so viel Liebe wie beim FC Everton erwartet ihn dort vermutlich nicht – und angesichts der Vertragsverlängerung von Pep Guardiola bis 2027 auch kein Trainer, der ihm die Freiheiten lässt, die er sich wünscht.