Xabi AlonsoGetty Images

Alleingelassen im "Irrenhaus": Real Madrids Problem heißt nicht Xabi Alonso

Wenn in Madrid die Alarmglocken schrillen, schrillen sie laut. Sehr laut. Das gehört zur DNA dieses Vereins, der in guten wie in schlechten Zeiten eine Art übersteigertes Selbstbewusstsein kultiviert. "Madrid ist verloren!“ titelte die Marca nach dem 0:2 gegen Celta Vigo – ein Satz, der prompt breite Diskussionen auslöste. 

Ein Mann steht im Auge des Sturms: Trainer Xabi Alonso. Dabei lohnt sich ein Moment der Nüchternheit. Denn Alonso ist nicht das Problem. Im Gegenteil: Er ist die Chance, sofern er sie überhaupt bekommt. Angeblich braucht er am Mittwoch gegen Manchester City einen Sieg, um seinen Job zu retten.

  • Real Madrid CF v RC Celta de Vigo - LaLiga EA SportsGetty Images Sport

    Real Madrid ein "lustloser Haufen"?

    Ein Blick auf die Fakten: In LaLiga steht Real mit 36 Punkten aus 16 Spielen auf Platz zwei – vier Zähler hinter einem starken FC Barcelona. Den Clasico gegen Barca konnten die Königlichen mit 2:1 für sich entscheiden. In der Champions League sammelte Madrid 12 Punkte aus fünf Spielen, kassierte einzig ein knappes 0:1 in Liverpool und steuert klar auf das Achtelfinale zu. Von Erfolgslosigkeit kann keine Rede sein – es ist lediglich ein Dämpfer nach einem furiosen Saisonauftakt mit 13 Siegen aus den ersten 14 Pflichtspielen.

    Der Ton rund um den Klub ist aber ein anderer. "Die Mannschaft ist ein lustloser, uninspirierter Haufen", schrieb die Marca nach der Vigo-Pleite. Sportlich mag das drastisch und überhöht wirken, aber es beschreibt etwas, das tiefer liegt.

    Schon unter Carlo Ancelotti war die Atmosphäre angespannt. Ein Spieler sagte laut The Athletic, die Real-Kabine habe einem "Irrenhaus" geglichen, das nur von Routiniers wie Luka Modric und Lucas Vazquez zusammengehalten worden sei. Diese Stützen fehlen nun – und ihre Abwesenheit wirkt wie ein Verstärker für die Egos im Team.

    Xabi Alonso kommt mit einer wesentlich kürzeren Leine als seine Vorgänger. Er fordert Struktur, Disziplin, klare Rollen. Das ist richtig, aber es trifft auf eine Mannschaft, die sich über Jahre daran gewöhnt hat, dass Trainer mehr Moderatoren als Gestalter waren.

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  • Athletic Club v Real Madrid CF - LaLiga EA SportsGetty Images Sport

    Stars sind angeblich unzufrieden mit Xabi Alonso

    Während Alonso versucht, Real eine neue Identität zu geben, beschäftigt sich ein Teil seiner Spieler offenbar noch immer damit, wie viel Licht der Scheinwerfer auf sie wirft.

    Vinicius Jr. etwa rastete im Clasico nach seiner Auswechslung aus. Das wurde von spanischen Medien als Wendepunkt beschrieben: Die Vereinsführung überließ Alonso bewusst die Handhabung, wodurch er in dieser heiklen Situation "isoliert" wurde.

    Auch Federico Valverde, Vize-Kapitän und einer der wichtigsten Spieler der letzten Jahre, geriet in den Fokus. Die spanische Presse spekulierte sogar, Alonso habe ihn wegen Kritik an der Mannschaft "bestraft". Ein Video zeigte Valverde später beim Nicht-Aufwärmen – stiller Protest oder Missverständnis? Egal wie man es dreht: Harmonie klingt anders.

    Laut Marca sollen mehrere Stars wie Jude Bellingham, Vinicius Jr. und Valverde mit Alonsos starkem Fokus auf Taktik und Analyse unzufrieden sein. Ironischerweise wurde Alonso genau dafür verpflichtet: Real wollte einen Trainer, der nicht nur Egos pflegt, sondern den Fußball weiterentwickelt. Nach Meinung der Spieler setze Alonso zu sehr auf Videoanalysen und taktische Detailarbeit – dabei war es ausdrücklich der Wunsch der Vereinsführung, dass der neue Coach mehr als nur Moderator sein und dem Team eine klare Identität geben sollte. Die Verantwortlichen waren die ständige Zurückhaltung seiner Vorgänger Carlo Ancelotti und Zinedine Zidane leid, die sich oft darauf beschränkten, die Egos der Stars zu managen.

  • Alonso war der begehrteste Trainer Europas

    Florentino Perez wusste, was er tat: Er holte Alonso, den analytischen, detailgetriebenen Modernisierer. Spätestens seit seiner historischen Meisterschaft 2024 mit Bayer Leverkusen gilt Xabi Alonso als einer der talentiertesten Trainer Europas. Damals führte er den Klub zum ersten Meistertitel der Vereinsgeschichte, machte aus einem Außenseiter eine echte Spitzenmannschaft und war damit Ziel gleich zweier Weltvereine: Bayern München und der FC Liverpool wollten ihn unbedingt holen.

    Alonso blieb jedoch ein weiteres Jahr in Leverkusen – und entschied sich 2025 für Real Madrid. Für jenen Verein, den er von 2009 bis 2014 als Spieler geprägt hatte, jenen Klub, den er kennt wie kaum ein anderer. Real holte ihn als Architekten einer neuen Ära.

    Der Bruch mit dem alten Stil war bewusst gewählt – und solche Veränderungen brauchen Zeit. Carlo Ancelottis Laissez-faire-Ansatz war das genaue Gegenteil. Spieler, die sich jahrelang in einem System mit viel Freiheit, wenig Struktur und enormer Hierarchiebewegung wohlfühlten, müssen sich nun umstellen. Manche wollen das nicht. Manche können es vielleicht nicht.

    Wie der renommierte BBC-Journalist Guillem Balague berichtet, habe Ancelotti Alonso vor dessen Amtsantritt sogar eindringlich vor den Gefahren des königlichen "Irrenhauses" gewarnt. Gegenüber engen Vertrauten soll der Italiener von der "kompliziertesten Kabine" seiner Karriere gesprochen und Alonso darauf hingewiesen haben, dass Spieler seine im Training unter der Woche entwickelten Ideen auf dem Platz dann am Wochenende schlichtweg ignoriert hätten.

    Und so kam es offenbar zu einem schwelenden Brand zwischen Trainer-Ansicht und mannschaftlichen Egos. Journalist Roberto Gomez sagte nach dem 2:2 bei Aufsteiger Elche, die Aufstellung sei "eine echte Katastrophe" gewesen, es gebe eine "völlige Entfremdung zwischen Mannschaft und Trainer". Doch diese Entfremdung entspringt weniger Alonsos Arbeit – sondern dem Umstand, dass Real Madrid seit Jahren ein Klub ist, der sich über Heroen definiert und nicht über ein System.

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  • viniciusGetty Images

    Ein Trainerwechsel würde Reals Probleme nicht lösen

    Wer glaubt, Zinedine Zidane oder Jürgen Klopp würden dieses Real sofort stabilisieren, ignoriert die Kernprobleme:

    • eine Kabine, in der Machtfragen wichtiger sind als Entwicklung.
    • Stars, die laut werden, sobald etwas nicht nach ihrem Geschmack läuft.
    • ein Verein, der den Trainer immer dann opfert, wenn die Schlagzeilen lauter werden.

    Doch diesmal wäre es ein Fehler. Alonso gibt Real Mut zur Veränderung, nicht zur Verwaltung.

    Er kennt den Klub wie kaum ein anderer Trainer: Zwischen 2009 und 2014 war er Schlüsselspieler in einer der erfolgreichsten Epochen der Vereinsgeschichte. Er weiß, wie Real denkt, wie Real fühlt, wie Real leidet. Er hat gezeigt, dass er Mannschaften entwickeln kann – taktisch, mental, individuell.

    Real Madrid steht nicht im Feuer. Es lodert nur, weil Stars Funken schlagen. Der Umbruch hat gerade erst begonnen. Und Umbrüche sind bei Real Madrid selten harmonisch. Sie sind laut, ungeduldig, chaotisch. Doch am Ende hat dieser Klub fast immer gewonnen, wenn er dem richtigen Trainer vertraut hat.

    Xabi Alonso ist der richtige Trainer. Er braucht nur das, was Real Madrid selten geben will: Zeit. Und vielleicht die Einsicht, dass nicht der Mann an der Seitenlinie das Problem ist – sondern die, die auf dem Platz stehen und glauben, die Hauptrollen seien ihnen garantiert.

  • Real Madrid: Das Spielprogramm

    WettbewerbDatumUhrzeitGegner
    Champions League10. Dezember21 UhrManchester City (H)
    LaLiga14. Dezember21 UhrAlaves (A)
    LaLiga20. Dezember21 UhrSevilla (H)
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