Mit dem 13. Erfolg im 13. Pflichtspiel hat der FC Bayern den europaweiten Start-Rekord der AC Milan aus der Saison 1992/93 eingestellt. Die Palette an Siegen ist breit: Es waren spektakuläre Schützenfeste dabei wie gegen Club Brügge, aber auch ins Ziel geschaukelte Arbeitssiege wie gegen Borussia Dortmund.
IMAGO / Sven Simon70-Millionen-Euro-Einkauf des FC Bayern als Chancentod: Luis Diaz führt eine unrühmliche Statistik an
Beim 3:0 gegen Borussia Mönchengladbach führte der FC Bayern eine weitere Sieges-Sorte vor: Erstmals in dieser Saison zeigten die Münchner, dass sie auch Geduldspiele für sich entscheiden können. Erstmals in dieser Saison lagen sie nicht schon zur Pause in Führung. Mit fortlaufender Spieldauer schnürten sie ihren dezimierten Gegner aber immer enger ein, ehe Joshua Kimmich in Minute 64 zur erlösenden Führung traf. Die eingewechselten Raphael Guerreiro und Lennart Karl legten zum Endstand nach.
Es hätte aber auch alles ganz anders kommen können: Keine Minute war gespielt, da stand Luis Diaz nach einer perfekten Ballannahme völlig frei vor Gladbach-Keeper Moritz Nicolas - und schoss links vorbei. "Wir hätten ganz am Anfang das 1:0 machen können", untertrieb Sportvorstand Max Eberl anschließend. "Müssen" wäre das passende Verb gewesen.
FC Bayern: Niemand vergibt mehr Großchancen als Luis Diaz
Wieder einmal erwies sich der 70 Millionen Euro teure Neuzugang vom FC Liverpool als Chancentod. Schon bei den beiden 3:2-Siegen Anfang der Saison im DFB-Pokal gegen Wehen Wiesbaden und in der Bundesliga gegen den FC Augsburg hatte Diaz jeweils in der ersten Minute hochkarätige Torchancen vergeben. Zuletzt scheiterte er gegen Borussia Dortmund in der Nachspielzeit freistehend, auch gegen Club Brügge vergab er große Gelegenheiten. Der bedenkliche Trend verfestigte sich immer weiter.
Und die Statistiken unterstreichen die Eindrücke: Sein Fehlschuss gegen Gladbach war im achten Bundesligaspiel bereits seine sechste vergebene Großchance. Damit führt Diaz diese unrühmliche Rangliste gemeinsam mit Andrej Ilic von Union Berlin und Ransford Königsdörffer vom Hamburger SV an. In der Champions League und im DFB-Pokal vergab Diaz zudem jeweils bereits drei Großchancen, beides Höchstwert beim FC Bayern.
Trotz all dieser vergebenen Gelegenheiten ist der 28-jährige Kolumbianer wettbewerbsübergreifend bis dato der zweitbeste Torschütze des FC Bayern. Seine sieben Treffer (dazu kommen noch vier Assists) überbietet lediglich Harry Kane (20). Dieser beachtliche Umstand ist auf zwei Faktoren zurückzuführen.
Getty Images SportBeim FC Bayern und Kolumbien: Luis Diaz spielt immer
Erstens bekommt Diaz viele Einsatzminuten. Sehr viele. Er und Kane sind die einzigen beiden Münchner, die in allen 13 Pflichtspielen in der Startelf standen. Diaz absolvierte insgesamt schon 1080 Minuten und damit mehr als jeder andere Münchner. Zudem stand er auch bei allen vier Länderspielen der kolumbianischen Nationalmannschaft dieser Saison in der Startelf. Dadurch steigt aber nicht nur die Treffer-Wahrscheinlichkeit, sondern auch die körperliche Belastung und somit das Verletzungsrisiko, eine Pause würde ihm sicherlich nicht schaden.
Tatsächlich ist sein linker Flügel aber die einzige Position, für die Trainer Vincent Kompany keinen nominellen Ersatz hat. Hier kann er nicht einfach so mal rotieren. Der erst 17-jährige Wisdom Mike kommt für Startelf-Einsätze noch nicht in Frage, zudem wird er wegen seiner Teilnahme an der U17-WM im November wochenlang fehlen. Nicolas Jackson und Serge Gnabry könnten am linken Flügel zwar aushelfen, haben ihre größten Stärken aber andernorts. Genau wie die Langzeitverletzten Alphonso Davies und Jamal Musiala.
Diaz spielt also sehr viel und taucht dabei, zweitens, extrem oft in gefährlichen Räumen auf. Sowohl gegen Gladbach (11) als auch gegen Club Brügge (13) hatte er auf Seiten des FC Bayern die meisten Ballaktionen im gegnerischen Strafraum. In der Bundesliga sind seine 30 Schüsse gemeinsam mit Olise Höchstwert. Kane liegt mit 29 knapp dahinter. Zusammengerechnet hatten Diaz' Chancen übrigens einen xG-Wert von 5,18 zu erwartenden Toren, woraus er lediglich fünf tatsächliche fabrizierte. Kane dagegen machte zwölf aus 6,47.
Vincent Kompany verteidigte Luis Diaz bereits gegen Kritik
Als absoluter Stammspieler hat Diaz natürlich nicht nur wegen seiner Treffer und seiner Assists einen großen Anteil am unaufhörlichen Münchner Torreigen. Diaz ist insgesamt ein steter Aktivposten auf dem linken Flügel. Bei jeder Gelegenheit lobt ihn Kompany für seine "Energie", zuletzt auch während der Pressekonferenz vor dem Gladbach-Spiel. Mit seinen dynamischen und zielstrebigen Läufen reißt Diaz Löcher in gegnerische Abwehrreihen, schafft Chancen für Kollegen - und bringt sich dadurch automatisch auch immer wieder selbst in gute Abschlusspositionen.
Genau das betonte Kompany, als nach seinen Fehlschüssen Ende August gegen Wiesbaden und Augsburg erstmals Kritik an Diaz' Chancenverwertung aufgekommen war. "Er erarbeitet sich viele Chancen, weil er immer aktiv ist. Wie kann man jemandem so etwas vorwerfen, wenn er sich immer wieder in diese Position bringt?", fragte Kompany damals. "Mir ist wichtiger, dass er in den richtigen Momenten ein Tor schießt als fünf in einem Spiel - und dann fünf Monate nichts mehr."
Je besser die Gegner - vor allem in der Champions League - aber, desto enger die Spiele, desto weniger Chancen und desto entscheidender könnte die Chancenverwertung werden.

