Ryan Gravenberch 2025Getty Images

51-Millionen-Mann João Palhinha im Schatten: Den womöglich perfekten Kompany-Spieler ließ der FC Bayern ziehen

Rekordtransfer Harry Kane erweist sich seit seiner Ankunft 2023 als höchst verlässlicher Torjäger. Lucas Hernández und Matthijs de Ligt waren zumindest phasenweise gesetzt und hatten aufgrund ihres jungen Alters zum Zeitpunkt der Verpflichtung einen guten Wiederverkaufswert. Bei ihren Abschieden aus München brachten sie schließlich ordentlich Geld ein - wenn auch weniger, als sie einst kosteten. Michael Olise firmiert bis dato als gute Verstärkung.

Diese vier Spieler sind die einzigen, für die der FC Bayern jemals mehr Geld ausgegeben hat als für João Palhinha. 51 Millionen Euro zahlten die Münchner vergangenen Sommer für den damals bereits 29 Jahre alten Sechser aus Portugal und statteten ihn mit einem Vertrag bis 2028 aus.

Seitdem absolvierte Palhinha erst 653 Minuten für den FC Bayern. Um den Jahreswechsel fehlte er lange wegen eines Muskelbündelrisses und zuletzt krank. In der Sechser-Rangordnung von Trainer Vincent Kompany ist er aktuell nur Vierter hinter dem unumstrittenen Strategen Joshua Kimmich (30), hinter Eigengewächs Aleksandar Pavlovic (20) und auch hinter Verkaufskandidat Leon Goretzka (30).

Exemplarisch: Als Kimmich beim 4:0-Sieg gegen Eintracht Frankfurt am Sonntag in der ersten Halbzeit verletzt runter musste, brachte Kompany Goretzka statt Palhinha als Ergänzung zu Pavlovic. Sollte Kimmich am Freitag gegen den VfB Stuttgart mit Blick auf das anstehende Champions-League-Achtelfinale gegen Bayer Leverkusen geschont werden, beginnen auf der Doppelsechs wohl Pavlovic und Goretzka.

Einem Bericht der tz zufolge gilt Palhinha mittlerweile als möglicher Verkaufskandidat für den Sommer. Sollte er tatsächlich wechseln, müssen die Münchner ein deutliches Minus in Kauf nehmen. Palhinha würde zum teuersten Missverständnis in der Geschichte des FC Bayern avancieren, die Kostenexplosion auf der Dauerbaustelle Doppelsechs neue Sphären erreichen.

  • PalhinhaGetty Images

    Gravenberch weg, Palhinha nicht da: Deadline Day im Sommer 2023

    Im Sommer 2023 kam der damalige Trainer Thomas Tuchel zur Erkenntnis, dass eine Doppelsechs bestehend aus Kimmich und Goretzka nicht funktioniert. Als Ergänzung zu Kimmich wollte Tuchel unbedingt einen kampfstarken Abräumer aus der Premier League, eine sogenannte Holding Six. Wunschkandidat Declan Rice war nicht zu haben, die Wahl fiel auf Palhinha vom FC Fulham.

    Am Deadline Day weilte er schon in München zum Medizincheck. Weil Fulham keinen Ersatz fand, scheiterte der Transfer im letzten Moment. Laut tz versprachen die Bosse des FC Bayern dem enttäuschten Palhinha damals, im Sommer darauf einen neuerlichen Anlauf zu starten. Gleichzeitig verkauften sie den spielstarken Ryan Gravenberch, für den Tuchel keine Verwendung hatte, für 40 Millionen Euro an den FC Liverpool. Aus heutiger Sicht zwei verhängnisvolle Entscheidungen.

    Tuchels System funktionierte mit dem ihm zur Verfügung stehenden Kader nicht. Am Ende der Saison folgte die Trennung. Aus seiner Amtszeit blieben zwei große Vermächtnisse: der ein Jahr später durchgeführte Palhinha-Transfer und der Durchbruch Pavlovics. Auch in Ermangelung an Alternativen hatte Tuchel das Eigengewächs an die Profimannschaft herangeführt und zu einem Münchner Hoffnungsträger geformt.

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  • Kimmich PavlovicGetty Images

    FC Bayern: Kompany setzte zunächst auf Kimmich und Pavlovic

    Dass der FC Bayern Palhinha ungeachtet des Trainerwechsels im vergangenen Sommer dennoch verpflichtete, war auch mit der Hoffnung auf einen Verkauf des Großverdieners Goretzka verbunden. Trotz trüber Aussichten auf Spielzeiten und Verbannungen auf die Tribüne beharrte Goretzka aber auf seinen bis 2026 gültigen Vertrag. Abgezeichnet hatte sich diese Einstellung beim langgedienten Routinier schon vor Palhinhas Verpflichtung.

    Kompany etablierte unterdessen einen deutlich dominanteren Spielstil als sein Vorgänger. Dabei profitierte er von einem Tuchel-Vermächtnis, vom anderen aber nicht. Im Gegensatz zu Tuchel bietet Kompany im defensiven Mittelfeld lieber zwei spielstarke Sechser auf. Zum Saisonstart waren Kimmich und Pavlovic gesetzt, die beiden Großverdiener Palhinha und Goretzka nur Ersatz.

    Mit einem geschätzten Jahressalär von 16 Millionen Euro brutto verdient Palhinha übrigens nur rund eine Million weniger als Goretzka. Tuchel wollte Palhinha als Statement-Transfer und unumstrittenen Anker in der Startelf. Unter diesen Umständen hätte sich sein Gehalt rechtfertigen lassen. Als Rollenspieler für wichtige Topspiele, wie Palhinha unter Kompany von Anfang an der Öffentlichkeit verkauft wurde, eher weniger.

    Die womöglich perfekte Kader-Ergänzung für Kompanys Philosophie wäre ein Spieler gewesen, den die Münchner schon hatten, den sie ein Jahr zuvor aber abgegeben haben und der bei seinem neuen Klub seitdem durchstartet: Ryan Gravenberch. Der 22-jährige Niederländer ist mittlerweile unumstrittener Stammspieler in Liverpool, der aktuell wohl besten Mannschaft Europas. In München verdiente Gravenberch übrigens rund acht Millionen Euro, sein Vertrag lief bei seinem Abgang noch bis 2027.

  • Leon GoretzkaGetty Images

    FC Bayern: Wie geht es weiter auf der Dauerbaustelle?

    Zurück zum Verlauf dieser Saison: Pünktlich zum ersten Topspiel in der Champions League gegen den FC Barcelona spülte Pavlovics Verletzung Palhinha tatsächlich in die Startelf. Doch auch er gab der strauchelnden Mannschaft keinen Halt, die Münchner verloren mit 1:4. Dennoch durfte Palhinha zunächst weiterhin beginnen. Gute Tacklings, ordentliche Pässe. Solide, aber nichts Besonderes. Einen Monat später erlitt er einen Muskelbündelriss.

    Mangels Alternativen feierte plötzlich Goretzka seine überraschende Renaissance. Er spielte auffälliger und effektiver als zuvor Palhinha. Seit Pavlovics Genesung wechselt sich Goretzka auf der Doppelsechs mit dem Eigengewächs ab. Palhinha kehrte Mitte Januar in den Kader zurück, spielt seitdem aber keine Rolle mehr und kam, ausgebremst auch von einer zwischenzeitlichen Krankheit, nur noch auf 39 Spielminuten.

    Wie geht es also weiter auf der Münchner Doppelsechs? Kimmichs Vertrag läuft aus, soll aber unbedingt verlängert werden. Bald könnte es soweit sein. Palhinha darf angeblich gehen, Goretzka sowieso. Verabschieden sich beide, braucht es wohl wieder einen Neuzugang. Ansonsten stehen neben Kimmich nämlich nur Pavlovic, der zuletzt eher als Rechtsverteidiger eingesetzte Konrad Laimer (27) und der ablösefreie Neuzugang Tom Bischof (19) von der TSG Hoffenheim zur Verfügung. Die metaphorischen Kräne und Bagger machen jedenfalls noch keine Anstalten, die Dauerbaustelle zu verlassen.

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