Augustin Leeds flashback GFXGetty/GOAL

49 Millionen Euro für 48 Einsatzminuten: Warum ein ehemaliger Bundesliga-Star zum schlechtesten Transfer der Premier-League-Geschichte avancierte

Die Saison 2019/20 war für Leeds United eigentlich ein Grund zur puren Freude: Unter Trainer Marcelo Bielsa stieg man nach 16 Jahren Abstinenz wieder aus der Championship in die Premier League auf. Dank dem schnellen, offensiven Fußball unter Bielsa machten sich zudem Schlüsselspieler wie Patrick Bamford, Ben White, Kalvin Phillips und Stuart Dallas national einen Namen. Der Verein zahlte schließlich rund 23 Millionen Euro an Aufstiegsprämien aus - und machte auch deshalb einen Verlust von rund 73 Millionen Euro in dieser Saison.

Der Hauptgrund für dieses dicke Minus war jedoch eine skandalöse Transfer-Saga um RB Leipzig und Jean-Kevin Augustin. Der Franzose spielte während seiner katastrophalen sechsmonatigen Leihphase an der Elland Road nur 48 Minuten, kostete den Verein aber dennoch insgesamt 49 Millionen Euro! Er gilt bis heute weithin als der schlechteste Transfer in der Geschichte des englischen Fußballs. GOAL erinnert noch einmal an diesen epischen Transfer-Streit.

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    Augustin scheitert in Leipzig - Rangnick enttäuscht

    Augustin durchlief einst von 2009 bis 2015 die Jugendmannschaften von Paris Saint-Germain und schaffte im April 2015 den Sprung in den Kader der Profis. Doch an Edinson Cavani und Zlatan Ibrahimovic führte natürlich kein Weg vorbei. Im Sommer 2017 suchte Augustin deshalb einen Neuanfang - RB Leipzig gewann das Rennen um seine Dienste und holte den Franzosen für eine Ablöse von 16 Millionen Euro per Fünfjahresvertrag in die Bundesliga.

    Der Wechsel schien aufzugehen, in seiner ersten Saison kam er in 37 Einsätzen auf 18 Torbeteiligungen - darunter ein denkwürdiger Siegtreffer gegen den FC Porto in der Champions League. In der folgenden Saison gelangen ihm jedoch nur acht Tore und er fiel allmählich in Ungnade bei Cheftrainer Ralf Rangnick. Die Sachsen bestraften Augustin damals außerdem dafür, dass er kurz vor Anpfiff des Europa-League-Spiels gegen Red Bull Salzburg an seinem Handy gesessen hatte, was Rangnick in einem Interview mit der BILD als "pervers" bezeichnete.

    Ein paar Monate später sagte Rangnick in einer brutal ehrlichen öffentlichen Bewertung von Augustin: "Er hat so viel Potenzial und nutzt es selten." Im Sommer 2019 beendete Leipzig dann das Abenteuer mit Augustin - und verlieh ihn zurück in die Ligue 1 zur AS Monaco. In zwölf Einsätzen schoss er nur ein Tor. Augustins Karriere auf Top-Niveau hatte gerade erst begonnen - da schien sie auch schon langsam wieder den Bach hinunterzugehen.

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  • Leeds United v Millwall - Sky Bet ChampionshipGetty Images Sport

    Vom Top-Talent an der Seite von Mbappe in die Zweitklassigkeit

    Im Januar 2020 wurde Leeds dann vorstellig bei Leipzig. Die Engländer lagen einen Punkt hinter dem Tabellenführer der Championship und hatten bereits Torhüter Elia Caprile und Flügelspieler Ian Poveda verpflichtet. Am 27. Januar 2020 einigten sich Monaco und Augustin darauf, seine Leihgabe vorzeitig zu beenden, damit Leipzig ihn bis zum Ende der Saison zur Elland Road schicken konnte. Der Vertrag enthielt eine Kaufverpflichtung in Höhe von 21 Millionen Euro, die greifen sollte, wenn Leeds den Aufstieg in die Premier League schaffen sollte. Trainer Bielsa ging ein großes Risiko mit dem damals 22-Jährigen ein.

    "Er ist ein Mittelstürmer mit guter Bewegung und Mobilität", sagte der argentinische Trainer nach der Vorstellung von Augustin. "In der Mannschaft ist er am Kombinationsspiel beteiligt und hat viel Präsenz im Strafraum."

    Das einstige Top-Talent, das Frankreich im Jahr 2016 zusammen mit Kylian Mbappe zum U19-EM-Titel schoss, sagte: "Sie werden einen Spieler sehen, der immer alles auf dem Platz gibt, versucht, Tore zu schießen und der Mannschaft zu helfen. Ich möchte meine Leidenschaft für den Fußball weitergeben, ich liebe Fußball wirklich."

  • Augustin-LeedsGetty

    Bielsa fordert mehr als 50 Prozent Einsatz von Augustin

    Es genügt zu sagen, dass Augustin dieses Versprechen nie einlöste und keinerlei Leidenschaft vermittelte. Schon früh wurden Bedenken laut, als er aus Bielsas Kader für die Spiele gegen Millwall und Wigan gestrichen wurde und stattdessen zwei Einsätze bei der U23 absolvieren musste.

    Bielsa verteidigte diese Entscheidung in einer leidenschaftlichen Pressekonferenz und sagte: "Augustin ist ein Spieler, der viel bewirken kann. Er hat viele Fähigkeiten. Aber in den letzten acht Monaten hat er drei komplette Spiele bestritten. Wenn das passiert, sind die Schlussfolgerungen über seine Fitness klar. Würde ein Spieler mit den Fähigkeiten von Augustin zu unserem Verein kommen, wenn er nicht in der Situation wäre, in der er sich jetzt befindet?"

    Der Argentinier führte aus: "Ein Spieler seines Niveaus mit seinen Fähigkeiten könnte, wenn er spielt, 30 oder 40 Millionen Pfund kosten. Wenn er hierhergekommen ist, ohne dass wir dieses Geld bezahlt haben, dann deshalb, weil er ein Problem lösen muss – nämlich dass er nicht gespielt hat. Seine Fitness ist sehr wichtig. Wenn Augustin 70 Prozent seiner Fähigkeiten abrufen kann, reicht das aus, um hier zu spielen. Wenn er nur 50 Prozent seiner Fähigkeiten nutzen kann, reicht das nicht aus."

    Bielsa verhalf Augustin zwei Tage später zu seinem Debüt, auswärts bei Nottingham Forest - doch der Franzose schien nur bei 50 Prozent zu sein. In einem 18-minütigen Einsatz spielte er den Ball nur sechsmal und gewann nur eines seiner vier Kopfballduelle. Er brachte nach seiner Einwechslung für Bamford keine neuen Impulse in den Angriff und Leeds musste eine enttäuschende 0:2-Niederlage hinnehmen.

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  • Nottingham Forest v Leeds United - Sky Bet ChampionshipGetty Images Sport

    Nach drei Einsätzen für Leeds ist Schluss

    Augustin kam auch in den folgenden Duellen mit Brentford und Bristol City spät für Bamford ins Spiel, konnte aber erneut keinen nennenswerten Beitrag leisten. Gegen Bristol City vergab er eine Großchance aus sechs Metern, was Sky-Sports -Experte Clinton Morrison zu der Bemerkung veranlasste, dass Augustin "massiv unfit" aussehe. Es war Augustins letztes Spiel für Leeds.

    Denn Ende Februar zog sich Augustin eine Oberschenkelverletzung zu, die ihn für die letzten drei Spiele vor der Unterbrechung der Saison aufgrund der Coronavirus-Pandemie außer Gefecht setzte. Während des Lockdowns arbeitete der Franzose an seiner vollständigen Genesung. Als Leeds Anfang Juni 2020 endlich das Training wieder aufnahm, meldete er sich gut gelaunt zum Dienst.

    Laut The Athletic hatte Augustin jedoch Schwierigkeiten, mit der Intensität der Trainingseinheiten Schritt zu halten, was Bielsa frustrierte. Der Trainer teilte der Vereinsführung von Leeds mit, dass es ein Fehler wäre, ihn fest zu verpflichten. Die Engländer teilten noch vor Saisonende mit, dass Augustin wieder zurück nach Leipzig gehen würde. Leeds beendete die Saison letztlich mit sieben Siegen und nur einer Niederlage und sicherte sich damit den Meistertitel in der Championship.

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    Leipzig verklagt Leeds - Augustin flüchtet nach Nantes

    Der Meistertitel und vor allem der Aufstieg sorgten für große Feierlichkeiten in Leeds - doch auch ein Übel erhielt somit Einzug: Augustin musste fest verpflichtet werden, für 21 Millionen Euro. Davor wollten sich die Engländer unbedingt drücken und teilten vor Ablauf des Leihvertrags mit, dass man ihn nicht behalten werde. Wie The Athletic berichtete, hatte Leipzig jedoch verlangt, dass Leeds den Vertrag an den verspäteten Abschluss der Championship-Saison anpasst. Der Bundesligist wollte ihn nicht zurückhaben und forderte weiterhin eine Ablösesumme in Höhe von 21 Millionen Euro.

    "Jean-Kevin Augustin ist seit dem Aufstieg von Leeds United kein Spieler mehr bei RB Leipzig. Unsere Rechtsauffassung hat sich nicht geändert", erklärte Florian Scholz, kaufmännischer Direktor von Leipzig, Anfang Oktober 2020. "Wir werden rechtliche Schritte gegen Leeds einleiten und die FIFA einschalten."

    Augustin wurde nie als Spieler von Leeds im Transfer-Matching-System der FIFA registriert oder als offizieller Spieler des Vereins geführt. Doch Leipzig forderte die Unterstützung des Weltfußballverbandes "im Sinne der Regeln", da zum Zeitpunkt der Vereinbarung des Leihgeschäfts niemand ahnen konnte, dass Covid-19 zu einer so großen Störung des Spielkalenders führen würde. Anfang Oktober 2020 schließlich schloss sich Augustin dem FC Nantes an - ohne, dass Leipzig oder Leeds dafür eine Ablöse erhielten. Nantes beantragte aufgrund der Ungewissheit über seine Vertragslage die Genehmigung für den Transfer bei der FIFA und erhielt grünes Licht für einen Kontrakt über zwei Jahre.

  • Leeds United v Middlesbrough - Sky Bet ChampionshipGetty Images Sport

    FIFA und CAS geben Leipzig Recht und bitten Leeds zur Kasse

    Leipzig reichte im Dezember 2021 schließlich eine formelle Beschwerde gegen Leeds United bei der FIFA ein - und der Weltverband gab dem Bundesligisten Recht. Leeds wurde zur Zahlung der 21 Millionen Euro Ablöse aufgefordert, legte jedoch sofort Berufung beim Schiedsgericht für Sport (CAS) ein.

    Im November 2022 bestätigte das CAS die Entscheidung der FIFA "in vollem Umfang" und verurteilte Leeds zur Zahlung einer ersten Rate in Höhe von 5,9 Millionen Pfund (6,7 Millionen Euro) an Leipzig. In einer offiziellen Erklärung hieß es: Das Gremium kam zu dem Schluss, dass die Kaufverpflichtung am Ende der Saison 2019/2020 ausgelöst worden war, obwohl die Saison aufgrund der durch den Ausbruch der Covid-19-Pandemie verursachten Störungen später als erwartet zu Ende gegangen war. Zwei weitere Zahlungen sollten folgen, bis die Summe von 21 Millionen Euro überwiesen sei. Zwei Monate später einigte sich Leeds mit Leipzig auf eine endgültige Zahlung, wodurch der Transferstreit zwischen beiden Parteien beendet wurde. 

    Doch für den Premier-League-Neuling sollte es noch weitere finanzielle Schwierigkeiten geben, da Augustin nun die Möglichkeit hatte, eine Vertragsverletzung geltend zu machen.

  • Leeds United v Reading - Sky Bet ChampionshipGetty Images Sport

    Augustin kassiert völlig unverhofft ab - Karriere geht den Bach hinunter

    Und so reichte Augustin eine Klage bei der FIFA ein und bedrohte Leeds. Die Entscheidung hatte es in sich: Im April 2023 verurteilte die Schlichtungskammer der FIFA Leeds schließlich dazu, dem französischen Stürmer eine Entschädigung in Höhe von 28 Millionen Euro für den abgelehnten Transfer zu zahlen. Dieser Betrag setzte sich zusammen aus dem Wochengehalt von 93.000 Pfund (106.000 Euro), das er an der Elland Road verdient hätte - und einem Unterschriftsbonus von 2,5 Millionen Pfund (2,85 Millionen Euro). Leeds legte erneut Berufung beim CAS ein, zog diese jedoch ein Jahr später zurück, die Zahlung musste getätigt werden - schlicht, weil man sich Leipzig und Augustin in den Weg stellte und nicht einsah, was vertraglich festgehalten worden war.

    Augustin kostete Leeds somit letztlich rund 363.000 Euro für jede seiner 48 Einsatzminuten - damit ist er der am besten bezahlte Sportler pro Arbeitszeit. Ohne diesen Fauxpas hätte Augustin wohl nie so schnell so viel Geld verdient. Seine Karriere hingegen nahm in der Folge einen kläglichen Verlauf - vielleicht auch, weil er plötzlich so viel Geld verdiente. 

    Er spielte nur ein Jahr bei Nantes, bevor er eine miserable Zeit bei Basel verbrachte und zuletzt in der polnischen Ekstraklasa bei Motor Lublin, einem Verein aus der unteren Tabellenhälfte, kickte. Seit vergangenem Sommer ist der mittlerweile 28-Jährige vereinslos.

    Zwar zeigte er als junger Spieler vielversprechende Leistungen, aber Augustin fehlte immer der nötige Ehrgeiz, um es auf höchstem Niveau zu schaffen. Leeds hätte Leipzig schlicht gleich bezahlen und Augustin unter Vertrag nehmen sollen. Dieser Fehler kam den Engländern teuer zu stehen - und Augustin kassierte unverhofft ab.

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