David Odogu 2025IMAGO / Steinsiek.ch

36.000 Euro pro Minute in der Bundesliga! Ein völlig unbekannter Deutscher spielt plötzlich bei der AC Mailand

Die Innenverteidigung ist vielleicht die größte Baustelle, die Julian Nagelsmann in seinem Kader hat. Die laufende Länderspielpause, inklusive des Katastrophenauftritts gegen die Slowakei (0:2), hat das eindrucksvoll demonstriert. Auf den Offensivpositionen hat er viel Auswahl und selbst die Neunerrolle scheint mit Nick Woltemade wieder perspektivisch hochklassig besetzt werden zu können.

Im Mittelfeldzentrum gibt es eher ein Überangebot und die eher dünn besetzten defensiven Flügelpositionen sind längst nicht so wichtig für das Spiel wie die Innenverteidiger. Kann ein junges Top-Talent, das in Deutschland noch nicht viele auf dem Schirm haben, mittelfristig Abhilfe schaffen?

  • Hinter Jonathan Tah und Antonio Rüdiger wird der DFB-Kader bereits dünn in der Innenverteidigung. Spieler wie Waldemar Anton oder Robin Koch sind an ihren guten Tagen in der Lage ein gutes Niveau zu erreichen. Aber Weltklasse? Selbst bei Tah und Rüdiger gibt es da immer wieder Diskussionen.

    In de Defensivzentrale kamen in den vergangenen Jahren nicht viele Top-Talente nach, die es geschafft haben, nachhaltig Eindruck in der A-Nationalmannschaft zu hinterlassen. Nnamdi Collins von Eintracht Frankfurt durfte sich als Rechtsverteidiger versuchen und ist erstmal verbrannt.

    Und dann? Vielleicht ist David Odogu jemand, der bald für Furore sorgt. Odogu hatten bisher nur wenige in Deutschland auf dem Schirm. Das liegt auch daran, dass er 2020 aus der Jugend von Union Berlin in jene des VfL Wolfsburg gewechselt ist – ein Klub, der derart in der Graumausigkeit versackt ist, dass selbst im Profikader nicht allen Fußball-Fans alle Spieler bekannt sind.

    Es liegt aber zusätzlich daran, dass der Jugendfußball in Deutschland lange nicht sehr intensiv verfolgt wurde und sich das in den vergangenen Jahren wieder etwas gedreht hat. Auch dank Spielern wie Odogu.

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  • David Odogu: U17-Weltmeister ohne Perspektive beim VfL Wolfsburg

    Mit der U17-Nationalmannschaft wurde der Innenverteidiger 2023 Europa- und Weltmeister und war so Teil der Mannschaft, die hierzulande großen Anteil daran hatte, dass die Aufmerksamkeit für die U-Nationalteams wieder stieg. Allerdings war Odogu nur bei der WM Stammspieler und spielte eben auf einer Position, die nicht ganz so spektakulär ist.

    Spektakulär wiederum ist die Summe, die nun die AC Mailand für ihn überwiesen hat. Bis zu zehn Millionen Euro soll der VfL Wolfsburg von den Italienern erhalten – acht Millionen Euro davon fix. "Wir wollten, dass der Spieler sich hier durchsetzt, daran bestand kein Zweifel", erklärte VfL-Boss Peter Christiansen dem kicker: "Es gab einen Plan dafür, der auch eine Leihe in Deutschland oder anderswo vorgesehen hätte, um Spielzeit zu erhöhen und auch die persönliche Entwicklung zu fördern."

    Offenbar nicht genug für den 19-Jährigen. Odogu feierte im April beim Auswärtsspiel bei Union Berlin sein Debüt, durfte auch im darauffolgenden Spiel gegen RB Leipzig 90 Minuten ran. Beide Partien wurden verloren, dann verletzte sich das Talent am Oberschenkel. Mehr als 14 Minuten in Dortmund waren nicht mehr drin. Verrechnet man die 194 Bundesliga-Minuten mit den maximal zehn Millionen Euro, wären das immerhin 36.000 Euro pro Spielminute.

    Der Austausch zwischen Wolfsburg und dem Spieler sei gut gewesen, sagte Christiansen, "aber das änderte sich komplett, als die AC Mailand ihn wollte". Ein Schritt, der zu früh kommt?

  • Odogu MilanGOAL

    David Odogu: Stärken und Schwächen

    Fakt ist, dass Odogu bisher kaum Erfahrung hat. Was eingangs noch mit leicht ironischer Note als Nachteil erwähnt wurde, kann dahingehend ein Vorteil sein: In Wolfsburg gibt es von außen kaum nennenswerten Druck. Allerdings haben die Wölfe immerhin fünf Innenverteidiger im Kader und spielen derzeit mit einer Viererkette.

    Vielleicht ist es deshalb auch der richtige Schritt für Odogu. Denn an seinem Talent zweifelt kaum jemand. Er ist ein sehr athletischer Innenverteidiger, der in der Zweikampfführung und im Stellungsspiel viele Qualitäten mitbringt, die es auf hohem Niveau braucht. Außerdem hat er ein gutes Gespür dafür, wann er nach vorn verteidigen muss und wann es besser ist, in der Kette zu bleiben.

    Die Basics, die es auf seiner Position braucht, beherrscht er – die Frage ist wie so oft bei jungen Spielern: Auf welchem Niveau? Zumal er auch im Aufbauspiel noch viel Luft nach oben hat. Gerade die Spieleröffnung ist aber umso wichtiger, je mehr Ballbesitz ein Team hat. Milan zählt in der Serie A regelmäßig zur oberen Tabellenhälfte in der Ballbesitzstatistik und muss relativ häufig den Spielrhythmus vorgeben.

  • David Odogu und eine einmalige Chance bei der AC Mailand?

    Chancen auf relevante Minuten hat Odogu dennoch. Aktuell stehen vier weitere Innenverteidiger im Kader der Italiener. Zählt man Davide Bartesaghi noch hinzu, der hauptsächlich auf der linken Defensivseite aufläuft, aber auch innen verteidigen kann, sind es deren fünf.

    Unter Massimiliano Allegri spielen die Rossoneri ein Dreierkettensystem. In der vergangenen Saison kamen alle vier Innenverteidiger bei Milan jeweils auf über 2.000 Minuten – allerdings in einer Formation mit Viererkette. Bleibt Allegri bei einer Dreierkette und bekommt Odogu das Vertrauen, mindestens die Nummer fünf in der Innenverteidigung zu sein, wird er seine Möglichkeiten also sehr wahrscheinlich erhalten.

    Wer mit 19 zu einem großen Klub wechselt, geht immer ein gewisses Risiko ein. Sein Vorgänger Malick Thiaw wechselte 2022 im Alter von 21 Jahren zur AC Mailand, hatte immerhin schon 26 Bundesliga-Spiele auf dem Buckel, galt aber auch als unerfahren. Seine Laufbahn in Italien hat gezeigt, dass das Risiko sich lohnen kann.

    Zumal diese Chance im dünnen Kader von Milan auch eine sein kann, die seine zuletzt etwas ins Stocken geratene Karriere beschleunigen kann. Denn auch das zeigt der Fall Thiaw: Liefert Odogu auf diesem Niveau regelmäßig gute Leistungen, könnte er der nächste Innenverteidiger sein, der von Nagelsmann die Chance bekommt, die Defensive des DFB-Teams zu stabilisieren. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg für das Talent.

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