EXKLUSIV
Reinhold Yabo von Red Bull Salzburg ist nicht das, was man gemeinhin als "typischen" Fußballprofi bezeichnen würden. Denn mit seinen 26 Jahren betreibt er einen eigenen Blog, saß bereits im Karlsruher Gemeinderat und hielt Predigten in seiner freikirchlichen Gemeinde.
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Vor dem Halbfinale in der Europa League gegen Olympique Marseille hat Yabo im Goal-Interview über Themen jenseits von Taktik und Viererkette gesprochen.
So äußerte sich der U17-Europameister von 2009 unter anderem exklusiv zur Entwicklung der sozialen Medien, der AfD, zum Facebook-Skandal und den Problemen der Fußballberichterstattung. Gerade Benotungen der meisten Journalisten hält er für "irrational" und häufig "meilenweit von der Wahrheit entfernt". Außerdem glaubt er, dass die Medien "Hauptauslöser" für den Druck im Profifußball sind.
Reinhold, Sie führen einen Blog und haben großes Interesse am Schreiben. Seit einem Jahr steht Ihr Blog jedoch still. Warum?
Reinhold Yabo: In den vergangenen Monaten haben sich meine Lebensumstände komplett verändert. Ich wurde Vater, es kam zur Ausleihe nach Bielefeld und jetzt bin ich zurück in Salzburg. Momentan fehlt mir leider die Zeit, den Blog weiterzuführen. Wenn ich mit dem Training durch bin, wird in anderen Bereichen gearbeitet, es stehen Medientermine an und zu Hause passe ich dann auf den Kleinen auf – meine Frau hat schließlich auch Termine. Im Alltag ist daher nicht viel Platz für meinen Blog oder soziale Medien. Seit ich Vater bin, haben sich meine Prioritäten komplett verschoben.
Dabei haben Sie extra einen Kurs zum kreativen Schreiben belegt.
Yabo: Schreiben hat mir schon immer gelegen. Ich sehe es als Ventil, mit dem ich Dinge ver- und aufarbeiten kann. Aus diesem Grund schreibe ich schon seit der Jugend regelmäßig und hatte irgendwann den Anspruch, mich auch in diesem Gebiet zu verbessern. Ich weiß, dass Schreiben ein Handwerk ist, auf dem man aufbauen kann.
Ist an Ihnen also ein guter Journalist verloren gegangen?
Yabo: Das Berufsfeld des Journalisten finde ich total interessant und es wäre definitiv eine Option für mich gewesen, wenn es mit dem Fußball nicht geklappt hätte. Ich schreibe aktuell auch noch, doch die Texte, die ich verfasse, veröffentliche ich nicht. Ich differenziere, welche Texte ich online stellen kann und welche nicht. Derzeit sind sie zu privat, um sie der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Über welche Themen schreiben Sie?
Yabo: Ich schreibe viel über meinen Glauben. Die Themen Gott und Religion begleiten mich seit einiger Zeit. Da ich mich sehr dafür interessiere, versuche ist ständig, neue Dinge in der Theologie oder Exegese zu lernen. Mein Glaube und christliche Theologie nehmen einen großen Platz in meinem Leben ein.
Wenn man über die Medien spricht, ist man schnell bei Facebook und Co.. Auch im Fußball gewinnen die sozialen Medien immer mehr an Bedeutung. Viele Spieler sind in etlichen Netzwerken aktiv und profilieren sich über Ihre Posts. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Yabo: Entscheidend ist, welche Hintergedanken die einzelnen Spieler bei ihren Posts haben. Im Jahr 2018 sind die sozialen Medien längst fester Bestandteil unseres Lebens, woraus sich endlose Möglichkeiten ergeben – speziell aus geschäftlicher Sicht. Ich will zwar nicht behaupten, dass die meisten Fußballer es nur deswegen tun, trotzdem weiß man nie, wofür es später mal gut sein kann. Es ist aus meiner Sicht nicht verwerflich, wenn Fußballer Dinge aus ihrem Berufsalltag posten. Wer ernsthaft glaubt, dass man sich nicht auf seinen Job als Fußballer konzentriert, weil man ein Foto aus der Kabine postet, hat keine Ahnung. Es dauert vielleicht zwei Minuten und hat keinen Einfluss aufs Sportliche. Wir müssen uns daran gewöhnen, dass soziale Medien in unserer Gesellschaft immer weiter an Bedeutung gewinnen.
Dass soziale Medien unseren Alltag immer stärker beeinflussen, zeigte zuletzt auch der Facebook-Skandal rund um den US-Wahlkampf.
Yabo: Alles, was von vielen Menschen genutzt wird, kann auch auf eine negative Art missbraucht werden. Was rund um Facebook und den US-Wahlkampf passiert ist, ist ein Beispiel dafür. Trotzdem darf man nicht den Fehler machen und sagen, dass soziale Medien per se schlecht sind. Entscheidend ist einzig, wie man damit umgeht. Auch die Politik hat inzwischen verstanden, dass man soziale Medien als Vehikel nutzen kann.
Weitere Beispiele sind Parteien wie die AfD, die soziale Medien als Plattform für Hetze und Propaganda nutzen. Bereitet Ihnen diese Entwicklung Sorgen?
Yabo: Natürlich bekomme ich mit, was dort auf Facebook passiert, aber ich bin nicht in der Position, darüber zu urteilen. Es ist eine Entwicklung in der Gesellschaft abzusehen und es liegt an den Verantwortlichen, diese Zeichen zu erkennen und gegenzulenken, bevor man soweit festgefahren ist, dass nichts mehr zu retten ist. Trotzdem vertraue ich auf Gott und glaube, dass alles einen Sinn hat – auch die aktuelle politische Entwicklung. Die Bibel sagt uns in Römer 8.28: "Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen." Auch, wenn wir sehen, dass negative Schlagzeilen regieren. Ich glaube daran, dass letztlich alles gut wird.

Zu Ihrer Zeit beim Karlsruher SC saßen Sie im Gemeinderat und engagierten sich dort politisch. Wie leben Sie in Salzburg Ihr Interesse für Politik aus?
Yabo: Ich muss zugeben, dass es in den vergangenen Monaten komplett abgeflacht ist. Auch in Karlsruhe bin ich eher in die Politik hineingestolpert – es war so nicht geplant. Trotzdem war es eine tolle Erfahrung und spannend zu sehen, wie Politik funktioniert. Mir wurde klar, wie schwer es ist, sich mit den verschiedensten Themen auseinanderzusetzen. Täglich kommen Menschen mit anderen Interessen und Problemen auf Politiker zu und es ist deren Job, sich in die Lage jedes Einzelnen hineinzuversetzen. Es ist ein anstrengender und harter Beruf.
Welchen Einfluss haben die Medien auf den Druck im Profifußball?
Yabo: Die Medien sind der Hauptauslöser für den Druck im Fußball. Auf der einen Seite stehen die Medien und auf der anderen die Leser. Wenn ich Spielberichte oder Kritiken unserer Spiele lese, stelle ich immer wieder fest, dass das Geschriebene von der Realität häufig meilenweit entfernt ist. Das Problem ist, dass die Leser diesen Informationen blind vertrauen. Meiner Meinung nach ist die Berichterstattung oft inkompetent, doch die Leute hinterfragen nicht, sondern adaptieren diese Meinung und halten es für die Wahrheit. Genau so wird Druck auf Fußballer aufgebaut, der leicht zu vermeiden wäre. Natürlich müssen wir als Profis lernen, damit umzugehen – denn das gehört zu unserem Job. Diesen Umgang können wir trainieren, während wir wenig bis keinen Einfluss darauf haben, was die Medien berichten.
Viele Profis sagen, dass sie keine Zeitung lesen und sich in den Medien nicht über Fußball informieren. Kann man die Berichte und Bewertungen wirklich komplett ignorieren?
Yabo: Ich bin froh, dass Sie es ansprechen. In den vergangenen Jahren hat sich die Wahrnehmung der Medien unter Fußballern rapide verändert, sodass nur wenige Spieler diese Benotungen noch ernst nehmen. Fast immer sind sie komplett irrational. Einigen Journalisten fehlt vielleicht die Kompetenz, um zu analysieren, was auf dem Spielfeld passiert. Das Hauptproblem ist, dass sie gar nicht wissen können, welche spezifischen taktischen Aufgaben der Trainer dem jeweiligen Spieler gibt. Vielleicht sieht sein Spiel dann für Außenstehende nicht attraktiv aus, ist für die Mannschaft aber extrem wichtig. Fußball ist ein Mannschaftssport und man darf weder Abwehrspieler an Offensivaktionen noch einen Stürmer an Defensivzweikämpfen messen – das scheinen viele Leute zu vergessen. Im Team hat jeder seinen Platz und es reicht nicht, zu beurteilen, was die Spieler machen, wenn sie selbst in Ballbesitz sind und von allen Kameras eingefangen werden. Manchmal heißt es dann: 'Er war kaum im Spiel, hatte nur 15 Aktionen und ist dabei noch dreimal hängen geblieben'. Es wird allerdings kein Wort darüber verloren, wie viele Löcher er gerissen hat, wie viele gute Laufwege er gemacht hat. Junge Spieler schauen schon auf ihre Noten und ich muss zugeben, es trifft einen schon, wenn man eine Fünf bekommt. Gerade als junger Spieler kann es das Selbstvertrauen in den Keller ziehen.
Wie gehen Sie persönlich damit um?
Yabo: Ich habe diesen Noten und Kritiken in der Presse relativ früh keine Beachtung mehr geschenkt. Ich habe mir selbst vor Augen geführt, dass diese Berichte nur die Meinung von einem oder einer kleinen Gruppe von Menschen widerspiegeln, die für mich wenig Relevanz haben. Wichtig ist nur, was für eine Rückmeldung mir der Trainer und meine Mannschaftskollegen geben. Wenn sie gut ist, habe ich alles richtig gemacht.
Schon als Teenager galten Sie als großes Talent. Spätestens nach dem Titel bei der U17-EM 2009 standen Sie im Fokus der Öffentlichkeit. Haben Sie damals viel Druck verspürt, es unbedingt schaffen zu müssen?
Yabo: Seit dem Gewinn der Europameisterschaft war der Erfolgshunger bei mir noch ausgeprägter. Ich wollte unbedingt Profi werden, eine große Karriere starten und den Traum eines Profifußballers leben. Den damit verbundenen Druck habe ich mir allerdings zu großen Teilen selbst gemacht.
Klingt, als gab es in Ihrer Karriere auch eine Phase, in der der Druck von außen kam.
Yabo: Nach meiner langen Verletzungspause wurde öffentlich gerätselt, ob ich tatsächlich zurückkomme und mein Knie wirklich hält. Dann hieß es plötzlich, dass mir als junger Spieler eine große Zukunft vorausgesagt wurde, ich nun aber verletzt sei und meine Karriere in Gefahr wäre. Das lässt einen schon manchmal zweifeln.
Was hat Ihnen in dieser Phase geholfen?
Yabo: Es war auf jeden Fall die schwerste Zeit meines Lebens, da es sehr unerwartet kam. Die Situation hat mich extrem gefordert. Ich muss Red Bull Salzburg dahingehend ein großes Kompliment aussprechen. Ich kam als neuer Spieler in den Verein, hatte noch nichts geleistet und fiel direkt langfristig aus. Dass trotzdem alles Menschenmögliche getan wurde, mich zurück auf den Platz zu bringen, ist keine Selbstverständlichkeit. Natürlich haben mir auch meine Frau und meine Familie gut zugesprochen.
Während Sie vom Klub schwärmen, werden die RB-Vereine aus Salzburg und Leipzig häufig noch immer kritisch gesehen. Wie nimmt man das als Spieler wahr?
Yabo: Ich glaube, in Deutschland ist das Problem noch größer als in Österreich. Wir werden nur bei Auswärtsspielen angefeindet, ich empfinde es aber nicht als besonders belastend. Natürlich gibt es Schmähgesänge, wenn man gegen Rapid Wien oder Sturm Graz spielt, doch in der Bundesliga gibt es so etwas doch wöchentlich in allen Stadien.
Auch das sportliche Konzept von RB Salzburg und Leipzig ist ungewöhnlich. Beide Teams legen viel Wert auf die Ausbildung junger Spieler und setzen auf Talente. Herrscht im Team ein besonderer Spririt?
Yabo: Jeder bei uns im Team, hat klare Vorstellungen und weiß, was er zu tun hat. Es greift ein Rad ins andere. Jeder – egal, ob Spieler, Trainer oder Staffmitglieder – ist wichtig und hat eine besondere Aufgabe, die erledigt werden muss, um am Ende der Saison erfolgreich zu sein. Trotzdem herrscht auch bei uns im Team Konkurrenz, doch wenn wir auf dem Feld stehen, können wir uns zu 100 Prozent aufeinander verlassen.
getty ImagesEinzelkämpfer und Selbstdarsteller sucht man bei Ihnen im Team also vergeblich?
Yabo: Natürlich verfolgt jeder Einzelne persönliche Ziele – alles andere wäre gelogen. Bei uns weiß aber jeder, dass man diese persönlichen Ziele nur erreichen kann, wenn man seinen Teil zum Erfolg der kompletten Mannschaft beiträgt.
Welchem Ihrer Mitspieler trauen Sie eine große Karriere zu?
Yabo: Das kann und will ich nicht beurteilen, denn im Fußball zählen nicht nur Leistung und Talent. Wichtig ist, die richtige Leistung zum richtigen Zeitpunkt abzurufen. Man muss gut spielen, wenn die richtigen Personen zuschauen – es gehört auch Glück dazu. Wenn es nur um Talent geht, traue ich allen Spielern im Kader eine große Karriere zu, doch manchmal reichen Talent und gute Leistungen eben nicht aus.
Trainer Marco Rose hat großen Anteil an der tollen Entwicklung in Salzburg. Was zeichnet ihn aus?
Yabo: Marco Rose ist der Trainer, der mich persönlich am meisten herausgefordert hat. Dabei meine ich gar nicht das Fußballerische, sondern das Menschliche. Er ist ein Typ, der das, was er sagt, wirklich so meint. Er lebt es vor und es spiegelt sich in jeder seiner Entscheidungen wider. Am meisten beeindruckt mich aber, dass er gewillt ist, zu lernen und weiß, dass er die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen hat. Genau so geht er auch mit uns Spielern um. Man kann mit ihm auf Augenhöhe kommunizieren.
Wie sehen Sie ihn fachlich?
Yabo: Fachlich ist er top. In diesem Punkt steht er den meisten Bundesligatrainern in nichts nach – da ist er echt weltklasse. Es sind aber wie gesagt weniger die fachlichen, sondern vor allem seine zwischenmenschlichen Qualitäten, die ihn besonders machen. Er versteht es, eine Mannschaft zu führen und sieht sich dabei nicht als Big Boss, sondern als Teil der Gemeinschaft. Davor habe ich großen Respekt – das sage ich nicht nur, weil er mein Trainer ist.
Hier findet Ihr, was Yabo über seine ehemaligen Mitspieler Marc-Andre ter Stegen und Mario Götze denkt.


