HINTERGRUND
Erreichen wir bald endgültig den Gipfel der Absurdität? Nun, die Fußball-Klubs rund um den Globus haben in den vergangenen Jahren hart dafür gearbeitet, um die Grenze des Vorstellbaren hinsichtlich Gehältern und Ablösen fortwährend zu verschieben. Erregten vor einigen Jahren Transfers im mittleren zweistelligen Millionenbereich noch Aufsehen, sorgt die Vermeldung eines solchen Wechsels heutzutage nicht einmal mehr für Kopfschütteln. Der Fakt an sich schlagzeilt nicht länger als einen einzigen Tag, dann wird nach vorne geblickt. Die absurden Summen, welche zwischen den Klubs von Konto zu Konto fließen, sie sind mittlerweile zu einem Teil des Spiels geworden.
Erlebe Europas Top-Ligen live und auf Abruf auf DAZN. Jetzt Gratismonat sichern!
Dieser Text soll jedoch kein Plädoyer eines Ewig-Gestrigen für eine Rückkehr zur guten alten Zeit werden. Die Pläne Real Madrids, ein Transferpaket in Höhe von 61 Millionen Euro für einen 16-Jährigen, der bislang lediglich acht (!) Spielminuten im Profibereich absolviert hat, zu zahlen, setzen sich jedoch selbst über diese angewöhnte Gleichgültigkeit hinweg.
Absurdes Handgeld für Vinicius
Vinicius Junior heißt der junge Flügelstürmer, den die Königlichen ins Bernabeu locken wollen. Anfang Mai soll der junge Linksaußen seinen Medizincheck bei den Königlichen absolviert haben, vor wenigen Tagen unterschrieb er dann einen Vertrag bei seinem Klub Flamengo Rio de Janeiro. Ein Schelm, wer dahinter Kalkül vermutet.
St.Pauli-Stürmer Aziz Bouhaddouz: Träume vom Gummiplatz
Im neuen Kontrakt des Umworbenen wurde eine Ausstigsklausel in Höhe von 45 Millionen Euro verankert. Real scheint bereit, diese zu ziehen. Dazu sollen noch jeweils acht Millionen an Handgeld an ihn und seine Berateragentur fließen. Acht Millionen für einen 16-jährigen Teenie. Im Sommer 2018 vollendet er sein 18. Lebensjahr und wird offenbar in die spanische Hauptstadt wechseln. Ist das nun endgültig der Gipfel der Absurdität?
Warnende Präzedenzfälle
Es ist eine heiße Aktie, in welche die Königlichen ihr Geld investieren. Der "Neue Neymar", wie ihn die Gazzetten rund um den Erdball kreativerweise bereits tauften, wäre nicht der erste hochveranlagte Zauberer vom Zuckerhut, welcher zu schnellem Geld und Ruhm zum Opfer fällt. Zu präsent sind bis heute die Namen Keirrison, Robinho oder Pato, die einst die Heimat verließen, um die Fußball-Welt zu erobern, ihr Potenzial am Ende jedoch nie wirklich ausschöpfen konnten. Zu schwer wogen die Vorschusslorbeeren auf ihren Schultern.
Es wäre schade, sollte Vinicius ein ähnliches Schicksal ereilen. Zu offensichtlich ist das enorme Potenzial des 1,77-Meter-Talents, wirkt er doch wie ein brasilianischer Angreifer alter Schule: Technisch herausragend, antrittsstark und trickreich, dazu stark im Abschluss. Vor allem durch seine starken Auftritte in der U17-Mannschaft der Selecao sorgte er weit über die Grenzen des Kontinents hinaus für Aufsehen. In 22 Spielen erzielte er 19 Treffer, sicherte seinem Team bei der Südamerikameisterschaft den Titel und wurde zum besten Spieler des Turniers gewählt.

Kein Wunder also, dass sich die europäischen Schwergewichte seitdem die Klinke in die Hand geben. Auch der FC Barcelona wurde bereits vorstellig in Rio. Die von den Katalanen angebotenen 25 Millionen Euro überzeugten seinen Klub nicht von einem Verkauf. "Es stört mich ein bisschen, es gibt so viele Gerüchte. Ich versuche, mich auf Flamengo und die U17-Nationalmannschaft zu konzentrieren. Ich habe Vertrag und ich werde ihn erfüllen", erklärte der heißbegehrte Offensivmann gegenüber Globo Esporte.
Unterstützung von zuhause
Angesichts derartiger Summen nicht die Bodenhaftung zu verlieren, gestaltet sich für einen pubertierenden jungen Mann naturgemäß schwierig. Auch seine Eltern wissen um diese Gefahr. "Meine Mutter und mein Vater verlangen viel von mir. Ich verbringe viel Zeit zu Hause und meine Freunde sind immer dabei. Ich konzentriere mich immer nur auf Fußball", so Vinicius. Auch Trainer Jorge Luis ist dankbar für die Unterstützung von zu Hause: "Er muss sich auch bei seiner Mama bedanken. Sie begleitete ihn zum Training, brachte ihm Essen und wartete auf ihn, bis er fertig mit dem Training war."
Am Ende ist Vinicius schließlich auch nicht mehr als ein heranwachsender Junge. Hochtalentiert, aber noch lange nicht erwachsen. Ein Wechsel böte 61 Millionen Gründe, ihm den Kopf zu verdrehen. Die Königlichen interessiert das freilich wenig. Zu groß wäre die Reue, sollte man sich den nächsten Neymar durch die Finger gehen lassen. Koste es, was es wolle.


