Grafik van La Parra WijnaldumGetty / Goal

Rajiv van La Parra und Georginio Wijnaldum: Boatengs auf Holländisch


HINTERGRUND

Trainingsgelände von Feyenoord Rotterdam, die Kantine kommt gut gefüllt daher. Es ist Anfang der 2000er Jahre, vom heutigen Liverpool-Star ist Georginio Wijnaldum damals noch weit entfernt. Gerade elf Lenzen auf dem Buckel, steht er unsicher in der Schlange bei der Essensausgabe. Er hat Hunger, das Derby mit Sparta Rotterdams Jugendmannschaft gegen den Erzrivalen Feyenoord hat geschlaucht.

Erlebe die Premier League live und auf Abruf auf DAZN. Jetzt Gratismonat sichern!

Plötzlich kommt eine unbekannte Frau um die Ecke, sie schiebt einen Jungen vor sich her. Er ist ein bisschen jünger als Wijnaldum, vielleicht zehn Jahre alt. Georginio erkennt ihn, hat gerade gegen ihn auf dem Platz gestanden. Warum die immer näher kommende Dame ihm diesen Typen vorstellt, haut den jungen Georginio dann aber von den Socken.

Artikel wird unten fortgesetzt

"Ich wusste, dass ich noch einen Bruder habe. Aber bis zu diesem Moment hatte ich ihn nie gesehen", erzählte Wijnaldum kürzlich der Times. Der zehnjährige Junge, den die Frau vor sich hergeschoben hatte, war Rajiv van La Parra. Sein Halbbruder, der seit letzten Sommer auch in der Premier League spielt, in bisher 24 Einsätzen drei Tore für Huddersfield Town erzielt hat.

Beide wuchsen in Rotterdam auf, haben denselben Vater. Ihre Eltern stammen aus Suriname, einer früheren holländischen Kolonie in Südamerika, Kontakt hatten sie die ersten gut zehn Jahre ihres Lebens aber nie. Sie verbindet eine Geschichte, die an jene von Jerome und Kevin-Prince Boateng erinnert. "Ich wuchs mit meiner Mutter und meiner Großmutter auf, Kontakt zur Familie meines Vaters hatte ich kaum. Deshalb haben wir uns so lange nicht gesehen", erklärte Wijnaldum.

Seltsame erste Begegnung

Dementsprechend seltsam war die erste Begegnung, damals in Feyenoords Kantine. "Ich hatte auch nie Bilder gesehen, damals gab es noch kein Facebook oder Instagram. Dann kam diese Frau und sagte mir, das sei Rajiv. Im ersten Moment habe ich nichts gesagt", erinnert sich Wijnaldum, der im berüchtigten Rotterdamer Bezirk Schiemond, wo vor allem Migranten aus Afrika oder von den Antillen leben, unter komplizierten Verhältnissen groß wurde. Als er fünf war, zog seine Mutter nach der Trennung von seinem Stiefvater nach Amsterdam. Gini, wie er genannt wird, blieb mit der Oma in Rotterdam.

"Wir waren nicht arm, aber wir hatten beispielsweise kein Auto", erzählt der heute 27-jährige Mittelfeldspieler der Reds. Die Fahrt zum Training bei Sparta wurde daher häufig zur Odyssee, während der ihm seinerzeit noch unbekannte Halbbruder Rajiv früh in Feyenoords Akademie kam. "Ich habe neun Jahre dort verbracht und enorm viel gelernt", blickt van La Parra zurück.

Er spielte in einem Team mit den späteren Nationalverteidigern Stefan de Vrij oder Bruno Martins Indi - und irgendwann, etwa drei Jahre nach ihrem ersten Treffen, kam auch Halbbruder Georginio von Sparta zu Feyenoord. "Von da an sahen wir uns häufiger und unsere Beziehung wurde enger", sagt van La Parra. Den erfolgreicheren Weg schlug Wijnaldum ein, der seit 2016 an der Anfield Road kickt, und bei 45 A-Länderspielen für Oranje steht.

Van La Parra Quote

Van La Parra, der in dieser Saison immerhin die neuntmeisten erfolgreichen Dribblings (58) aller Premier-League-Profis auf dem Konto hat und in diesem Ranking unter anderem Leroy Sane oder Raheem Sterling hinter sich lässt, ist zwar ebenfalls hochtalentiert. Auf den internationalen Durchbruch oder ein A-Länderspiel für die Niederlande wartet er aber bis heute.

Die Laufbahn des 26-Jährigen verlief nicht so stringent wie die von Wijnaldum. Vielmehr kommt sie sehr ungewöhnlich daher. Mit 17 verließ er Feyenoord, ging gemeinsam mit seiner Mutter, die ihn nach dem früheren indischen Premierminister Rajiv Gandhi benannte, nach Caen. Dort, im Nordwesten Frankreichs, wollte er den Sprung zum Profi schaffen. Ein Vorhaben, das ordentlich in die Hose ging.

Van La Parras ungewöhnlicher Wechsel nach Caen

"Das war eine sehr schwierige Zeit für mich. Ich war sehr jung und konnte die Sprache nicht", erinnert sich van La Parra. Er feierte zwar schon wenige Monate nach seiner Ankunft sein Debüt in der Ligue 1, viele Spiele kamen allerdings nicht hinzu. 2011 entschied er sich schließlich zur Rückkehr in die Niederlande, wurde Stammspieler beim SC Heerenveen, machte sich mit seiner technisch hochwertigen Spielweise einen Namen.

Als er sich wieder bereit für einen Wechsel ins Ausland fühlte, ging er nach England, kam über Wolverhampton und Brighton zu Huddersfield - und machte seinen Traum von der Premier League wahr. "Als ich klein war, war ich ein großer Fan von Manchester United, ich schaute all ihre Spiele im TV", betont van La Parra. "Der englische Fußball ist etwas Besonderes, jeder hier liebt dieses Spiel."

Van La Parra, dessen anderer Halbbruder Giliano Wijnaldum ebenfalls Profi ist und derzeit bei Willem II spielt, ist angekommen, ist Stammspieler in Huddersfield. Bei den beiden jüngsten enorm wichtigen Siegen gegen Bournemouth und West Bromwich gelang ihm jeweils ein Tor, in zehn der letzten elf Premier-League-Partien stand er auf dem Flügel in der Startelf von Trainer David Wagner. 

Die beiden Duelle mit Halbbruder Wijnaldum und Liverpool waren hingegen weniger erfreulich, beide verlor van La Parra mit Huddersfield 0:3. Aber wer weiß: Vielleicht stehen Wijnaldum und van La Parra wie Kevin-Prince und Jerome Boateng einst zu Beginn ihrer Karriere bei Hertha BSC ja auch noch einmal gemeinsam auf dem Platz. "Ich spielte auf dem Flügel und Gini im Mittelfeld", erinnerte sich van La Parra in der Times an das letzte gemeinsame Spiel vor einigen Jahren in der niederländischen U21-Nationalelf. "Er hat mir nie den Ball gegeben. Er hat immer auf die andere Seite gespielt." Geschwisterliebe eben.

Werbung