HINTERGRUND
Vier Meilen auf der A57, einer der wichtigsten Straßen Großbritanniens, sind es zwischen dem Etihad Stadium von Manchester City und dem Old Trafford von Manchester United. 13 Minuten auf einer dieser Tage regennassen und wie immer dicht befahrenen Straße, weniger als die Halbzeitpause eines Fußballspiels. Sind die Fußballtempel sonst Spielorte zweier Rivalen, eint sie der Traum zweier Schweizer. Beide sind 17 Jahre alt, beide stehen auf dem Sprung, es zum Fußballprofi zu schaffen. Nishan Burkart bei den Red Devils, Lorenzo Gonzalez bei den Skyblues.
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Nur zweieinhalb Monate auseinander geboren, sind die beiden die größten Hoffnungen des Schweizer Fußballs. Sie stehen für das 2012 ins Leben gerufene Schweizer Nachwuchsförderungsprogramm Footeco, sie zählen zu den größten Talenten ihres Jahrgangs 2000. Weltweit wohlgemerkt.
Burkart ist der etwas ältere der beiden – und derjenige, der heute fast auf den Tartanbahnen dieser Welt um Medaillen rennen und nicht dem runden Leder auf der Insel nachjagen würde. Denn seine Eltern waren erfolgreiche Leichtathleten: Vater Stefan hielt einst den Schweizer Rekord im Sprint über 100 und 200 Meter und Mutter Helen Barnett, eine gebürtige Britin, nahm 1992 für die Schweiz an den Olympischen Spielen als 400-Meter-Läuferin teil.
Bei Urdorf abgelehnt, bei Zürich zum Wirbelwind gereift
Auch der Filius hatte das Tempo in den Genen. Er galt als eines der größten Leichtathletik-Talente des Landes. Aber eben auch als hoffnungsvoller Fußballer. Beim Provinzklub FC Urdorf einst abgelehnt, heuerte er beim großen FC Zürich an, wo man den schmalen Bub schnell als großes Talent identifizierte, weil er Abwehrreihen so gekonnt durcheinanderwirbelte. "Mir war das zu langweilig", sagt er über die Leichathletik-Laufbahn, die damals ebenfalls im Raum stand. Eine Aussage, die ein guter Hinweis auf sein Spiel mit dem Ball am Fuß ist.
Denn er hasst die Monotonie, liebt die Aufregung, das Kreieren von Chancen, das Dribbling, das Tempo. "Es ist, als ob ich spüren könnte, wenn mich einer foulen will. Ich antizipiere gefährliche Situationen und weiche den gegnerischen Beinen mit einem Sprung oder einer Richtungsänderung aus", sagte er im Gespräch mit der Schweizer Bank Credit Suisse. Und so ist es: Mühelos tanzt er über den Platz, stets mit wehenden Rastas, stets mit der nächsten Idee im Kopf. Er war immer einer, der schneller dachte als die anderen, dem deshalb manchmal die Mitspieler fehlten.
In der U15 wurde er mit 25 Toren Torschützenkönig der höchsten Jugendliga der Schweiz und war Torjäger, Spielmacher und Flügelwirbler in Personalunion. Auch deshalb hat er zwei gegensätzliche Vorbilder. "Der eine ein trickreicher Tänzer, der andere ein eiskalter Scorer – eine Kreuzung der beiden, das wär' ich gern", sagt er und meint die beiden Superstars Neymar und Luis Suarez.

In einer Liste mit Dembele, Real ließ ihn einfliegen
Zu dieser Zeit, im Jahr 2015, stand der Halbbrite zum ersten Mal mit einem gedrungenen gleichaltrigen Stürmer auf dem Platz: im Training der U15 der Nati. "Als ich die beiden zusammen im Training sah, dachte ich nur: Wow!", beschreibt es der damalige U15-Trainer Yves Debonnaire. Denn beide harmonieren gut – und beide können Spiele entscheiden. Auch wenn Lorenzo Gonzalez ein ganz anderer Typ ist.
Geboren in Genf, heuerte der Halbspanier bei Servette an – und versetzte den Klub schnell in Aufruhr. Egel, ob mit links oder rechts; Gonzalez traf aus allen Lagen. Technisch nicht ganz so stark wie Burkart, waren es seine Explosivität und sein Abschluss, die ihn bereits mit 15 zu einem der umworbendsten Spieler der Welt machten. Real Madrid ließ ihn per Privatjet einfliegen, Manchester City ebenfalls. Den Unterschied machte Pep Guardiola. Als Jugendlicher mit spanischen Wurzeln wollte er unbedingt zu Pep – und wechselte 2016, stolze 300.000 Schweizer Franken überwies City nach Genf.
Zuvor hatte die Daily Mail einen vielbeachteten Artikel geschrieben, in dem die zehn talentiertesten Teenager vorgestellt wurden. Darin: Ousmane Dembele, Renato Sanches, Youri Tielemans – und eben Gonzalez.
Krasse Gegensätze
Zur gleichen Zeit wechselte auch Burkart in den Nordwesten Englands, auch er war von verschiedenen Vereinen eingeladen worden, die das "Swiss superkid", wie die Presse ihn taufte, zu sich holen wollten. Chelsea, Arsenal, City, Tottenham und United wollten ihn, er entschied sich für die Red Devils, eine Bauchentscheidung. "Reines Bauchgefühl – auch die anderen Klubs waren sehr interessiert. "Für mich war immer klar: Wenn ich ins Ausland wechsle, dann nur nach England, in die Heimat meiner Mutter."
Die Parallelen der beiden hören nach der fußballerischen Klasse und dem Wohnort aber schnell auf. Denn während Gonzalez der Extrovertierte ist, der Fotos auf Instagram oben ohne, vom Essen mit Freunden, seiner bildhübschen Freundin oder auch mit Stars wie Alvaro Morata postet, sind Burkarts Beiträge selten. Er ist schüchterner, seine Mutter kam mit nach Manchester. Gonzalez trägt eine Frisur wie Cristiano Ronaldo, Bukart Naturlocken.
Gonzalez hat auch ein gemeinsames Bild gepostet und "Manchester duo" daneben geschrieben und einige Emojis. Er selbst grinst, wirkt deutlich breiter und selbstsicherer. Burkart daneben lächelt schüchtern.
ImagoWohl auch wegen ihrer differenten Naturelle tat sich Gonzalez deutlich leichter. Er eroberte die Insel im Sturm, erzielte in der U18 Premier League 13 Tore. Der Lohn: Pep Guardiola ließ in mehrfach mittrainieren und gab ihm im Juli dann schließlich einen Profivertrag. Im Anzug und mit getrimmtem Kinnbart grinst er in die Kameras und betitelt seinen Tweet dreisprachig.
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Burkart dagegen hat Startprobleme, muss um seinen Stammplatz kämpfen. Vier Tore in 19 Spielen lautete am Ende der Saison seine Ausbeute. Während Gonzalez dieser Tage in der zweiten Mannschaft spielt und mit Agüero, Sane und Co. trainiert, sielt Burkart eine weitere Saison in der U18, wo er mit zwei Scorerpunkten aus den ersten beiden Spielen glänzte. Auch ihre Aussagen unterscheiden sich. Während Burkart konstatiert, er wolle "hart arbeiten", um "seinen Traum zu verwirklichen", sagt Gonzalez, er wolle "der beste Spieler werden".
Gemeinsamer Traum
Auf dem Platz aber, wo sich ihre Wege bisher einmal kreuzten, da glänzen sie beide gleichermaßen. Burkart als pfeilschneller Offensivakteur, der ein wenig an Leroy Sane und tatsächlich auch an Neymar erinnert und Gonzalez als bulliger Angreifer, der Carlos Tevez, Sergio Agüero und Cristiano Ronaldo als seine Vorbilder nennt und in Manchester Speedy Gonzalez genannt wird.
Beide sind die Zukunft der Schweiz, beide die Produkte von Footeco und beide wollen Stars werden. Sowohl Pep Guardiola als auch Jose Mourinho lobten sie bereits öffentlich. Der Traum ist also ganz nah. Und wer weiß, vielleicht kommt es schon in der noch jungen neuen Saison dazu, dass sie in der Premier League auflaufen. Der eine im Old Trafford, dem Theater der Träume, der andere im Etihad Stadium.
Nur vier Meilen würden sie dann trennen, 13 Minuten auf der A57, weniger als die Halbzeitpause eines Fußballspiels. Und sie hätten es geschafft, diese beiden so unterschiedlichen Schweizer in Manchester, die so gleich in einer Sache sind: Sie beide sind die Hoffnungsträger eines ganzen Landes.
