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Mr. Gnadenlos: So heftig hat Heidel Schalke verändert


HINTERGRUND

Mit glasigen Augen stand Horst Heldt am 14. Mai 2016 vor dem Gästeblock der RheinNeckar-Arena in Hoffenheim . Als die zahlreichen mitgereisten Fans des FC Schalke 04 den Manager mit Sprechchören feierten, konnte er seine Tränen schließlich nicht mehr zurückhalten. Nach sechs turbulenten Jahren auf Schalke war es dieser Samstagnachmittag, der die endgültige Erkenntnis brachte: Das Kapitel Schalke war für Heldt Geschichte.

Nur wenige Tage später musste Heldt auch sein schickes Büro mit bestem Blick auf den Schalker Trainingsplatz räumen und Platz für seinen Nachfolger machen: Christian Heidel, den Mann, der aus dem Amateurklub Mainz 05 einen etablierten Bundesligisten formte.

Doch nicht nur das Manager-Büro musste auf Schalke neu eingerichtet werden. Mit der Neubesetzung des Postens gingen zahlreiche weitere Änderungen einher. Angefangen von der Infrastruktur über den Profi-Kader bis hin zum Cheftrainer Andre Breitenreiter war niemand sicher vor Heidels neuen Ideen und Impulsen. Letzterer musste trotz geglückter Europa-League-Qualifikation seinen Hut nehmen.

Unter Heidel darf nur jeder Dritte bleiben

Weder Breitenreiter noch Heldt dürften deshalb besonders gut auf den Schalker Sportvorstand zu sprechen sein, schließlich ist Heidel der Grund für ihre Entlassungen. Doch bekanntlich sieht man sich immer zweimal im Leben. Und wie es der Zufall will, kommt es schon am Sonntag, also 15 Monate später, zum ersten Wiedersehen, wenn Heldt und Breitenreiter mit ihrem neunen Klub Hannover 96 auf Schalke treffen.

Außer der Besetzung der Trainer- und Managerposition hat sich auf Schalke ohnehin einiges verändert. Vor allem der Lizenzspielerkader der Gelsenkirchener ist im Vergleich zur Heldt-Ära fast nicht mehr wiederzuerkennen. So stehen von 33 Akteuren, die in der Saison 2015/16 unter Heldt und Breitenreiter noch im S04-Kader zu finden waren, aktuell nur noch zwölf dieser Spieler auf Heidels Gehaltsliste.

Beachtlicher als der Fakt, dass Heidel innerhalb von nur 15 Monaten rund zwei Drittel der Schalker Mannschaft ersetzt hat, ist jedoch ein Blick auf die Akteure, die den Klub in dieser Zeit verlassen haben. Darunter finden sich nämlich zahlreiche Leistungsträger und Identifikationsfiguren der letzten Jahre wie Klaas-Jan Huntelaar, Leroy Sane, Sead Kolasinac oder Joel Matip, um nur einige zu nennen.

Vertragsverlängerungen? Fehlanzeige

Trotz viel Qualität, die S04 durch die Abgänge verloren hat, konnte der Klub, außer für Leroy Sane, für keinen der Spieler eine nennenswerte Ablösesumme einstreichen. Mit Matip, Huntelaar, Kolasinac, Dennis Aogo, Eric Maxim Choupo-Moting und Roman Neustädter wechselte ein beachtlicher Teil sogar ablösefrei den Verein.

Ablösefreie Wechsel - was in anderen Vereinen oder Ligen undenkbar ist, ist auf Schalke längst zur Gewohnheit geworden. So können die Anhänger des FC Liverpool und von Arsenal ihr Glück kaum fassen, Verteidiger wie Matip oder Kolasinac per "free transfer", wie man es in England formuliert, verpflichtet zu haben, während ein paar Kilometer weiter in Manchester mehr als 100 Millionen Euro in teilweise durchschnittliche Abwehrspieler investiert werden müssen.

Doch warum ließ Schalke in den letzten beiden Sommern derart viele Spieler ablösefrei ziehen? Die Antwort auf diese anscheinend komplizierte Frage ist einfacher, als man denken mag. Vielmehr liegt sie auf die Hand: Das Management hat es versäumt, die Verträge rechtzeitig zu verlängern. Zwar kommt Heidel in seiner Amtszeit auf 14 externe Neuverpflichtungen, doch nach spektakulären Vertragsverlängerungen sucht man vergeblich. Einzig mit Perspektivspieler Bernard Tekpetey verlängerte man in der letzten Woche den Vertrag, um ihn zunächst eine Saison verleihen zu können.  

Die nächsten Abgänge drohen

Die Gründe für diese verwunderlichen Zahlen hängen vor allem mit den chaotischen letzten Jahren in Gelsenkirchen zusammen. Bei neuen Trainern und Konzepten im Jahrestakt überlegen es sich die Spieler zweimal, ob ihren Vertrag verlängern. So auch Thilo Kehrer, der kürzlich eine vorzeitige Vertragsverlängerung abgelehnt hat. Gegenüber dem Stadtspiegel erklärte er: "Wir hatten aber in den vergangenen Jahren viele Trainer-Wechsel und damit einhergehend jeweils immer einen Umbruch. Deswegen möchte ich als junger Spieler erst einmal die Situation beobachten, wie sich das mit dem neuen Trainer weiterentwickelt, ehe ich ohne dieses Wissen einfach so verlängere."

Ähnliches hat man vor wenigen Wochen auch von Max Meyer gehört, der eine Vertragsverlängerung ebenfalls ausgeschlagen hat. Anders als Kehrer, dessen Vertrag noch bis 2019 läuft, wäre Meyer allerdings schon im kommenden Sommer ablösefrei zu haben. Glaubt man den Aussagen von Heidel, ist eine Trennung vom Spielmacher beschlossene Sache: "Bei Max gibt es aktuell nicht die Möglichkeit, den Vertrag zu verlängern. Er muss jetzt entscheiden, ob er den Vertrag hier auf Schalke abspielt oder ob er wechselt. Es gibt diese beiden Möglichkeiten."

Auch, was die Zukunft von Nationalspieler Leon Goretzka betrifft, droht Königsblau der Super-GAU – wie bei Meyer endet auch der Vertrag des Mittelfeldmanns im Sommer 2018. Ob der aktuell wichtigste und wertvollste Spieler des Schalker Kaders sein Arbeitspapier verlängern wird, hängt in erster Linie von der sportlichen Entwicklung ab, die sich in den nächsten Monaten abzeichnet.

An diesem Punkt kommt Ex-Manager Heldt wieder ins Spiel. Denn schon am Sonntag werden er und Trainer Breitenreiter versuchen, den sportlichen Ambitionen ihres ehemaligen Arbeitgebers einen Dämpfer zu verpassen. Mitleid mit S04 werden die beiden Hannoveraner aufgrund der Vorfälle in der Vergangenheit wohl kaum haben, zumal mehr als die Hälfte der Schalker Startelf aus Spielern bestehen wird, die nie mit Heldt und Breitenreiter zusammengearbeitet haben.

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