Hummels Boateng DFB 08062018Getty Images

Mats Hummels gegen Südkorea als Führungsspieler gefragt: Das Feuer entzünden


HINTERGRUND

Augustinus von Thagaste, einer der wichtigsten lateinischen Philosophen der späten Antike, hat einmal gesagt: "In Dir muss brennen, was Du in anderen entzünden willst." Ein 1400 Jahre alter Appell, der durchaus noch heute in sämtlichen Lebenslagen Verwendung findet, sobald es darum geht, die Eignung einer Chef-Rolle zu bewerten. Anders gesprochen: Möchte man Menschen mitreißen, muss man selbst begeistert für eine Sache einstehen.

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Bezieht man ebenjenes Zitat auf den Mannschaftssport, konkret den Fußball, ist damit eine rar gesäte Spezies gemeint: Der vielzitierte Führungsspieler, um den sich seit Jahr und Tag Legenden ranken – und den man in der Vergangenheit vor einem großen Turnier immer wieder auch in der deutschen Nationalmannschaft auszumachen versuchte. Diesmal, bei der aktuellen Weltmeisterschaft 2018, wurde insbesondere die WM-Helden-Riege von vor vier Jahren vor allem medial dazu beauftragt, den Rest des Teams anzuleiten.

Im Vorfeld des Wettbewerbs fiel diesbezüglich ein Name besonders häufig: Mats Hummels, der charismatische Innenverteidiger des FC Bayern. Einer, der Klartext spricht, traditionell kein Blatt vor den Mund nimmt und andererseits den positiven Motivator mimen kann. Auch abseits des Feldes, wie er beim 2:1-Erfolg über Schweden am vergangenen Samstag bewies. Hummels litt an Halswirbel-Problemen, war deshalb gegen die Skandinavier zum Zuschauen gezwungen. Vor dem Spiel twitterte er aus dem Innenraum des Stadions ein Selfie und die Worte: "Nervös ist gar kein Ausdruck. Ich bin immer unglaublich aufgeregt, wenn ich nicht selber spielen kann."

Verletzter Hummels gibt den Anpeitscher auf der Bank

Dafür peitschte er seine Mannschaftskameraden in der Folge immer wieder von der Bank aus an, sprang von selbiger auf und gab sich als Sprachrohr. Toni Kroos brüllte er noch vor dessen Traum-Freistoß, der zum frenetisch bejubelten Siegtor führte, zu, dass er es mit einer Flanke versuchen solle. Der Real-Star entschied sich für den Weg des Risikos und hatte Erfolg. "Dafür werde ich mir in der Kabine einiges anhören müssen“, erklärte Hummels daraufhin im Gespräch mit dem SID. Für das Endspiel der Gruppe F, in dem es für Deutschland gegen Südkorea um den Einzug ins Achtelfinale geht, wird der 29-Jährige aber wieder auf dem Platz stehen.

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Joachim Löws Co-Trainer Marcus Sorg bestätigte auf der Pressekonferenz am Montag im WM-Quartier Vatutinki: "Mats ist wieder voll einsatzfähig und trainiert heute wieder mit. Man kann davon ausgehen, dass er am Mittwoch spielen kann." Gute Nachrichten für das DFB-Team, wird Hummels doch aufgrund der personellen Situation den Viererketten-Leader geben müssen.

Sein nicht minder erfahrener, dafür aber zumeist in sich gekehrter Kollege im Defensivverbund, Jerome Boateng, hatte sich gegen die Skandinavier nämlich einen Platzverweis eingehandelt und wird folglich gegen die bislang punktlosen Asiaten passen müssen. Doch nicht nur für die Nebenleute in der Hintermannschaft sind seine Führungsqualitäten essenziell, die gesamte Mannschaft soll von seinem Habitus, Dinge, die falsch laufen, auch während einer Partie anzusprechen und geradezurücken, profitieren.

Reflektierte Selbstkritik nach Mexiko-Pleite

Dass das nicht immer funktioniert, hat beispielsweise die Niederlage im ersten Gruppenspiel gegen Mexiko gezeigt. Nach dem Spiel hatte Hummels im ZDF beklagt: "Wir haben gespielt wie gegen Saudi-Arabien, nur gegen einen besseren Gegner.“ Er schob nach: "Ich verstehe nicht so ganz, warum wir so gespielt haben, obwohl wir bereits da einen Schuss vor den Bug bekommen haben. Wir müssen jetzt Spiele gewinnen, sonst war es das mit der WM.“ Kein Nullachtfünfzehn-Phrasendreschen, sondern schonungslose, aber reflektierte Selbstkritik, die wohl Anklang innerhalb der Truppe fand.

Obwohl auch im Schweden-Spiel sicherlich noch nicht alles rund lief, vor allem im Laufe der ersten Halbzeit ein ums andere Mal ähnliche Lücken wie gegen El Tri klafften: Die veränderte Einstellung, der Wille, eine Schmach unbedingt verhindern zu wollen, war offensichtlich und dazu braucht es die stets – vor allem von ehemaligen Profis und mittlerweile Experten – geforderten "Typen". Keine Haudrauf-Kerle, sondern Spieler, die durchdacht mit einer Situation umgehen können und Dinge korrekt einordnen. "Sie müssen klar benennen, was verbessert werden muss. Und wenn es auf den Platz geht, ihre Aufgabe erfüllen, vorangehen und Verantwortung übernehmen, gerade wenn es schwierig wird", nannte Hummels am vergangenen Freitag seine Definition eines Führungsspielers.

Er selbst hat in der Vergangenheit häufig genug gezeigt, wie sehr er für den Erfolg brennt. Gegen Südkorea, im Alles-oder-Nichts-Spiel, gilt es eben, das Feuer auch in seinen Mitspielern anzuzünden, um es mit Augustinus‘ Worten zu sagen. Dazu ist Hummels in der Lage. Aus sportlicher und charakterlicher Sicht.

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