Lukas Raeder FC Bayern BVBGetty Images

Lukas Raeder im Goal-Interview: "Das Feedback hat völlig gefehlt"


EXKLUSIV

Lukas Raeder spielte für den MSV Duisburg, Rot-Weiss Essen, Schalke 04 und den FC Bayern München, seit 2014 steht der Torhüter beim portugiesischen Erstligisten Vitoria Setubal unter Vertrag.

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Im Exklusiv-Interview mit Goal blickt der 23-Jährige zurück auf die einzigartige Zeit bei den Königsblauen um Talentschmied Norbert Elgert, Trainingseinheiten mit Manuel Neuer und einen folgenschweren Fehler. Außerdem spricht er über seine Zeit in Portugal, eine absonderliche Situation, große Unterschiede in der Spielanalyse und erklärt, warum sein Abenteuer in der Nähe Lissabons bald enden wird. 

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Lukas, Ihr Weg führte Sie aus dem Ruhrpott über Bayern nach Portugal. Wie groß war der Kulturschock?

Lukas Raeder: Es war in vielen Bereichen eine große Umstellung. Zum einen natürlich im sportlichen Bereich, allein, was die Arbeitsbedingungen angeht. Zum anderen im privaten Bereich. Das Leben ist ein anderes – und ich muss sagen, dass hier viele Klischees bedient werden. Auch wenn es positive Ausnahmen gibt, muss man sich daran gewöhnen, dass die Uhren in Portugal etwas langsamer ticken.

Inwiefern?

Raeder: Naja, das Thema Pünktlichkeit wird hier nicht so genau genommen. Unser Training fängt zum Beispiel nicht selten mit Verspätung an, bei privaten Verabredungen wird eine ungefähre Tageszeit abgemacht und man telefoniert sich nochmal zusammen. Das hat gelegentlich auch positive Seiten, wenn man selbst mal spät dran ist. Ein bisschen ärgern wird mich das aber immer.

Welche Klischees können Sie noch herauspicken?

Raeder: Neben der Unpünktlichkeit ist es vor allem die Ungenauigkeit. Vieles wird nicht so genau gemacht, wie man es vielleicht aus Deutschland gewohnt ist, sondern eher so lala. Nach dem Motto: Wird so auch irgendwie funktionieren.

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Welche Vorteile genießen Sie auf der anderen Seite im Vergleich zum Leben in Deutschland?

Raeder: Das Wetter ist natürlich ein Faktor – und da sind wir auch wieder bei den Klischees, diesmal bei einem positiven. Es stimmt, dass die Leute hier sehr viel Lebensfreude ausstrahlen und meistens gut drauf sind. Sie sind unbekümmerter, machen ihre Probleme nicht größer als sie sind, und leben einfach mehr. Ein weiterer Vorzug ist die Stadt Lissabon. Ich brauche nur 25 Minuten dorthin und bin dementsprechend oft dort. Das ist eine super Stadt mit vielen Restaurants und Bars. Viele Studenten sind da, viele Touristen und auch einige Leute aus meinem Bekanntenkreis aus Deutschland wohnen inzwischen dort. Die Leute sind in Portugal allgemein viel mehr draußen und sitzen nicht so viel in der Bude herum. Und sie trinken unheimlich viel Kaffee. Ich weiß nicht, wie viele Kaffees der Einwohner hier im Schnitt trinkt, aber es müssen deutlich mehr sein als in Deutschland.

Machen wir eine Reise in die Vergangenheit: Sie wechselten mit 16 Jahren von Rot-Weiss Essen zu Schalke 04. Wie kam es zu dem Wechsel?

Raeder: Ich wollte den nächsten Schritt gehen. Es gab einige Interessenten, und die für mich spannendsten Optionen habe ich mir dann näher angesehen. Ich war eine Woche bei 1899 Hoffenheim und eine Woche bei Aston Villa in England. Letztendlich habe ich mich dann für Schalke entschieden, weil die Torwartausbildung dort eine der besten ist. Damals war noch Lothar Matuschak als Torwarttrainer in der Jugend tätig, das war auch ein Argument für Schalke. Zudem steht Norbert Elgert mit seinem Namen für eine gute Ausbildung. Ein weiterer Punkt war, dass Gelsenkirchen nur 20 Minuten von meiner Heimatstadt Essen entfernt ist und ich somit zuhause wohnen bleiben konnte.

Wie konkret waren die Perspektiven, die Schalke Ihnen aufgezeigt hat?

Raeder: Ich habe für zwei Jahre bis zum Ende der A-Jugend unterschrieben und das war eigentlich auch die Perspektive. Alles andere sind schöne Worte. Natürlich wird einem viel erzählt. Dass bei S04 viele Spieler übernommen werden zum Beispiel. Auf dem Papier stehen aber nur die zwei Jahre A-Jugend. Die Vereine wollen natürlich erst einmal die Entwicklung des Spielers abwarten.

In Ihrer ersten Saison bei Schalke haben Sie nur zehn Spiele gemacht. Warum ?

Raeder: Patrick Rakovsky war die Nummer eins. Er hat zu dem Zeitpunkt U-Nationalmannschaft gespielt und war schon lange im Verein. Es war im Vorfeld klar, dass es eine große Konkurrenzsituation geben würde. Ich hätte es also definitiv einfacher gehabt, wenn ich zu einem anderen Klub gegangen wäre. Rakovsky ist dann im zweiten A-Jugend-Jahr nach Nürnberg gewechselt, wo er heute noch spielt, und so war ich in meiner zweiten Saison Stammtorwart.

Und diese Saison war nicht so schlecht.

Raeder: In der Tat. Wir hatten eine extrem talentierte Mannschaft und ich denke, dass selten so viele Spieler eines Jahrgangs im Seniorenbereich angekommen sind. Die Qualität war da, der Zusammenhalt genauso, und das ist wahrscheinlich noch wichtiger. Da hat Norbert Elgert extrem drauf geachtet. Ich habe wirklich mit allen Spielern aus dieser Mannschaft auch außerhalb des Platzes gerne Zeit verbracht. Auch die Durchlässigkeit zu den Profis hat man wahrgenommen. Julian Draxler ist damals zum Beispiel hochgegangen und hat plötzlich mit der ersten Mannschaft trainiert. In der nächsten Woche war es ein anderer. Und trotzdem hat man gemerkt, dass sich kein Spieler verändert hat, wenn er zurückgekehrt ist. Da ist niemand arrogant geworden oder abgehoben.

War die Zeit diesbezüglich einzigartig?

Raeder: Der Zusammenhalt war definitiv einzigartig. Das habe ich so ähnlich vielleicht bei meinem allerersten Verein, beim ESV 10/21 in Essen, erlebt. Da waren wir aber alle zehn Jahre alt und von einem Konkurrenzdenken weit entfernt. Im Leistungsbereich war dieses Jahr in der Schalker U19 mit Abstand das Beste, was ich bisher erlebt habe.

*GER ONLY / NO GALLERY* Lukas Raeder Schalkeimago

Sie haben Norbert Elgert schon angesprochen. Inzwischen gilt er als Guru auf seinem Gebiet. Haben Sie damals schon realisiert, dass dieser Mann ein besonderes Gespür für Talente hat?

Raeder: Mit 16, 17 Jahren hat man zwar das Ziel erste Mannschaft vor Augen, man nimmt aber eher den Umgang mit den Spielern wahr. Sprich vom Scouting, das auch zu Elgerts Spezialitäten gehört, bekommt man recht wenig mit. Bewerten kann ich nur, wie er mit mir umgegangen ist, und das war schon etwas Besonderes. Er hat großen Wert auf gewisse Regeln und Rahmenbedingungen gelegt. Darauf, dass jeder auf dem Boden bleibt. Das Verhalten abseits des Platzes, die menschliche Komponente war immer wieder ein Thema. Für ihn gehört zur gelungenen Ausbildung nicht nur das Fußballerische, sondern auch die Persönlichkeitsentwicklung. Fachlich war er ohnehin überragend. 

Ist Elgert eher der Kumpel- oder der klassische Trainertyp?

Raeder: Man hat auf jeden Fall sehr viel Respekt vor ihm. Wenn er etwas gesagt hat, gab es überhaupt keine Diskussionen. Gleichzeitig hat er immer den Dialog gesucht und die Mannschaft in seine Entscheidungen mit einbezogen. Er war in meinen Augen mehr Trainer als Kumpel, allerdings mit dem gewissen Fingerspitzengefühl. Er ist auch immer mit Humor bei der Sache gewesen, was auch nicht unwichtig war.

Wurde Ihr Traum vom Profifußball in jener Zeit bei S04 zum konkreten Ziel?

Raeder: Erstmals Gedanken darüber habe ich mir zum Ende meiner Zeit bei Rot-Weiss Essen gemacht. Da war es aber noch nicht konkret, ich hatte ja noch keinen Profivertrag in Aussicht. Diese Dinge kommen dann meist in der U19 dazu. Bevor ich in der U16 nach Duisburg gegangen bin, hatte ich mir noch gar keine Gedanken über das Drumherum gemacht. Wie und wann man aufsteigt – das hat mich gar nicht interessiert. Da war Fußball noch ausschließlich Hobby.

Sie sind 2012 zum FC Bayern gewechselt. Warum haben Sie nicht bei Schalke verlängert?

Raeder: Wir haben natürlich auch mit Schalke gesprochen, Bayern hat aber das bessere Paket angeboten. Nicht nur, weil der FC Bayern der FC Bayern ist, sondern weil der Plan gestimmt hat. Ich sollte mit der ersten Mannschaft trainieren und in der zweiten Spielpraxis bekommen. Das war zu dem Zeitpunkt das Beste, was mir hätte passieren können.

Wie reagiert man, wenn man erfährt: Der FC Bayern will mich holen?

Raeder: Das ehrt einen und gibt einem ein super Gefühl, keine Frage. Mein Berater hatte irgendwann angedeutet, dass die Bayern interessiert sind. Ich wusste auch, dass sie mich beobachtet hatten. Eines Tages stand ich dann im Supermarkt an der Kasse und plötzlich hat der damalige Sportdirektor Christian Nerlinger angerufen und das Interesse persönlich hinterlegt. Da war mir klar, dass es vermutlich klappen würde. Ich weiß aber noch, dass ich es zunächst kaum jemandem erzählt habe, das ist nicht mein Stil. Wir haben es in trockene Tücher gebracht und dann ging es ja erst richtig los. Es ist schließlich nicht so, dass man es geschafft hat, weil man einen Vertrag beim FC Bayern unterschreibt.

Wie wurden Sie als Jugendspieler in München von den Profis aufgenommen?

Raeder: Manuel Neuer hatte Toni Tapalovic als Torwarttrainer mitgenommen, den ich aus meiner Schalker Zeit kannte. Manuel war ich auch schon zwei-, dreimal über den Weg gelaufen. Das hat den Einstieg auf jeden Fall erleichtert. Dann waren wir direkt im Trainingslager in Asien, wo man sich gut kennenlernen konnte. Natürlich war ich etwas nervös. Es gibt wahrscheinlich auch niemanden, den es nicht beeindruckt hätte, beim FC Bayern mitzutrainieren. Einfach, weil viele Stars dabei sind, die man nur aus dem Fernsehen kennt. Man hat sich aber relativ schnell daran gewöhnt.

Wie haben Sie damals die Stimmung wahrgenommen? Bayern war zwei Jahre in Folge nicht Meister geworden.

Raeder: Ich hatte das Gefühl, dass die vergangene Saison schon abgehakt war. Die Spieler waren alle hochmotiviert, das hat man vom ersten Tag an gemerkt. Auch die hohe Erwartungshaltung war in gewisser Weise greifbar. Von außen kommt natürlich Druck, es ist aber auch der eigene Anspruch jedes einzelnen Spielers beim FC Bayern, jedes Spiel und jeden Titel zu gewinnen.

Hat Sie irgendein Spieler besonders beeindruckt?

Raeder: Für mich als Torwart war das Training mit Manuel Neuer von großem Wert. Das hat mich extrem weitergebracht. Es war beeindruckend zu sehen, wie er täglich arbeitet und was er in manchen Situationen macht.

Nun hat Neuer seinen eigenen Stil. Wie viel sind seine Tipps tatsächlich wert?

Raeder: Sein Talent und seinen Stil kann man nicht kopieren. Am Wichtigsten ist aber sein Vertrauen in seine Fähigkeiten. Er hat ja auch schon Fehler gemacht, er hat sich und sein Spiel deshalb aber nicht verändert. Abgesehen von einzelnen Situationen, die man durchspricht, ist es also vor allem diese Herangehensweise, die man mitnehmen kann.

In der Saison 2013/14 wurden Sie am 30. Spieltag im Bundesliga-Heimspiel gegen den BVB eingewechselt. Wann haben Sie von Ihrem Einsatz erfahren?

Raeder: Tatsächlich erst während der Halbzeitpause in der Kabine. Manuel hatte Probleme an der Wade, da wollte man kein Risiko eingehen. Dann sagte der Torwarttrainer: rausgehen, warmmachen – und schon ging es los. Das Warmmachen gibt einem Sicherheit, es sind ja immer dieselben Übungen und somit Automatismen. Diese Routine nimmt einem die Nervosität.

Lukas Raeder FC Bayern BVBGetty Images

Und wie lief es im Spiel?

Raeder: Auch da hatte ich ein gutes Gefühl, die Mannschaft hat mir den Rücken gestärkt. Das Ergebnis war natürlich nicht so gut (0:3, Anm. d. Red.), fürs erste Spiel war meine Leistung aber ganz okay. Das war dieser eine Moment, für den man zig Jahre gearbeitet hat. Trotz aller Nervosität habe ich es genossen.

Welchen Unterschied macht es für einen Keeper, wenn plötzlich keine talentierten Jugendspieler, sondern gestandene Profis wie Pierre-Emerick Aubameyang oder Henrikh Mkhitaryan auf einen zustürmen?

Raeder: Als Torhüter muss man in erster Linie reagieren. Klar kann man gewisse Spielsituationen erahnen und antizipieren, aber im Grunde genommen ist es recht einfach: Du bist ja kein Spieler, der wichtige Entscheidungen treffen oder die Bälle im Mittelfeld verteilen muss. Klar muss man entscheiden, ob man bei einer Flanke rausgeht oder nicht, das passiert aber größtenteils intuitiv. Man hat durch die vielen Spiele in der Jugend und die Trainingseinheiten mit den Profis ein Gefühl dafür entwickelt.

Können Sie eine Szene aus Ihrer Zeit beim FC Bayern herauspicken, die stellvertretend für den Zirkus Profifußball steht?

Raeder: Das ist schwierig. Diese ganze Maschinerie, die da läuft, mit allem, was da dranhängt, ist schon gigantisch und ganz speziell. Allein die Anreise zu den Spielen. Dass man privat mit der Mannschaft in einem eigenen Flieger irgendwo hinreist. Das sind Dinge, bei denen man realisiert, was da eigentlich alles hinter steht. Und von diesen Momenten gab es sehr viele.

Ihre Zeit beim FC Bayern endete unglücklich: Im zweiten Relegationsspiel um den Aufstieg in die 3. Liga haben Sie das späte, letztendlich entscheidende Gegentor verschuldet. Ist diese Szene bei Ihnen hängengeblieben?

Raeder: Das sind Dinge, die leider dazugehören. Es war aus meiner Sicht ein langer Ball, der anders aufgetippt ist, als ich es erwartet hatte. Das war so eine Situation, die man einfach abhaken muss, wie ich es im Zusammenhang mit Manuel Neuer schon angesprochen habe. Man muss nach Fehlern weitermachen, auch wenn das keine einfache Sache ist – gerade in diesem Fall vor dem Hintergrund der Bedeutung dieses Spiels. Für den ganzen Verein, für die ganze Jugendarbeit wäre es super gewesen, wenn die zweite Mannschaft in der 3. Liga gespielt hätte. Ich weiß noch, dass es danach ein Interview gab, bei dem viele Leute meine Worte nicht nachvollziehen konnten. Ich habe nur gemeint, dass ich es leider nicht mehr ändern kann und es mir sehr leid tut für alle. Trotzdem haben mir das einige Personen übel genommen.

Wie sah der Umgang damit innerhalb des Vereins und der Mannschaft aus?

Raeder: Die Leute im Verein haben mich in dieser Situation aufgebaut. Karl-Heinz Rummenigge hat mir zum Beispiel gleich eine SMS mit dem Tenor "Kopf hoch" geschrieben und auch in den Tagen danach gab es viele aufmunternde Worte. Ich habe zum Beispiel länger mit Tobias Schweinsteiger geredet. Das sind Gespräche, an die man sich erinnert.

Im selben Sommer wechselten Sie zu dann Setubal. War es keine Option, beim FCB zu bleiben?

Raeder: Mein Vertrag ist ausgelaufen. In den Gesprächen mit Bayern hat sich herausgestellt, dass Pep Guardiola einen dritten Torhüter haben wollte, der erfahren ist und schon Bundesliga oder Champions League gespielt hat. Dann hatte Bayern mit Manuel Neuer, Pepe Reina und Tom Starke drei gestandene Keeper, weshalb wir gemerkt haben, dass es keinen Sinn machen würde, den Vertrag zu verlängern. Ich wäre dann ja permanent bei der zweiten Mannschaft gewesen.

Gab es damals abgesehen von Setubal noch andere Möglichkeiten?

Raeder: Ich war mit meinem Berater in Darmstadt, auch mit Frankfurt haben wir uns getroffen. Es war dann aber so, dass die sportliche Perspektive bei Setubal für mich zu diesem Zeitpunkt die beste war. Der Verein lebt davon, junge Akteure spielen zu lassen und dann weiterzuverkaufen. Und das war genau das, was ich wollte: Erstmal Spielpraxis sammeln. Die Option, in der Bundesliga direkt auf die Eins zu gehen, gab es nicht.

Warum kamen die Wechsel nach Frankfurt oder Darmstadt denn nicht zustande?

Raeder: Frankfurt hatte Kevin Trapp. Irgendwo war klar, dass er früher oder später verkauft wird, aber nicht, wann. Dementsprechend wäre ich erstmal hintendran gewesen. In Darmstadt war es so, dass der Torwarttrainer gerne Christian Mathenia haben wollte, was er uns auch klar gesagt hat. Da wäre es also auch schwierig geworden. Bei Setubal dagegen war ganz klar, dass ich spielen sollte. Deshalb habe ich mich dafür entschieden. Das war eine rein sportliche Entscheidung und keine Sehnsucht von mir, einmal im Ausland zu spielen.

Sie haben in Ihren ersten beiden Saisons gespielt, allerdings unregelmäßig. Für Profiklubs atypisch wurde auf der Torwartposition immer wieder das Personal gewechselt. Wie sind Sie mit dieser Situation umgegangen?

Raeder: Das war unbefriedigend. Ich kenne bis heute nicht die Gründe und weiß nicht, warum die Trainer das so machen. Ich hatte verschiedene Trainer, die Rotation auf der Torhüterposition hat sich aber wie ein roter Faden durchgezogen.

Was die Sache eigentlich noch absonderlicher macht.

Raeder: Allerdings. Die Konstellation der Torhüter hat sich zudem immer wieder verändert. Im Sommer ging der eine weg und ein neuer kam hinzu.

Lukas Raeder GFX

Sie haben sicher das Gespräch mit dem Trainer oder dem Manager gesucht, um für Aufklärung zu sorgen. Und niemand konnte Ihnen die Situation erklären?

Raeder: Nein. Im ersten Jahr war es so, dass ich die ersten Spiele gemacht habe und der Trainer mich nach einer der Niederlage gegen Benfica rausgenommen hat. Er sagte, er habe mich schützen wollen. Vor was, das weiß ich nicht. Am besten schützt der Trainer einen in meinen Augen, indem er einem sein Vertrauen ausspricht. Dann entstehen erst gar keine Diskussionen.

Und im zweiten Jahr?

Raeder: Da wollte der Trainer, dass der neue Keeper, der leihweise vom FC Porto gekommen war, Spielpraxis bekommt. Ich habe nie eine fachliche Antwort bekommen. Da hat nicht einmal jemand gesagt: "Hör mal Lukas, wenn der Ball links unten ins Eck kommt, dann hältst du ihn nie." Zum Beispiel. Es hieß immer nur: Arbeite einfach weiter, wir sind mit dir zufrieden.  Das Feedback hat völlig gefehlt, dabei ist eine Rückmeldung meiner Sicht essentiell. Wirklich verbessern kann man sich doch nur, wenn man konstruktive Kritik bekommt. So aber wusste ich nicht, woran ich bin.

Gab es auch mit dem Torwarttrainer keinen Austausch?

Raeder: Der Torwarttrainer hat ja nicht das letzte Wort. Wer spielt, entscheidet ausschließlich der Trainer. Dass er die Verantwortung trägt und die Entscheidung in letzter Instanz fällt, ist normal. In anderen Vereinen wird aber mehr auf das Wort des Torwarttrainers vertraut. Hier habe ich das Gefühl, dass der Torwarttrainer doch sehr wenig involviert ist. Er gibt zwar Tipps, wirklich hilfreiches Feedback bekomme ich aber auch von ihm nicht. Da besteht definitiv Bedarf – unabhängig von meiner Situation.

Worin genau?

Raeder: Die Spiele müssten viel besser nachbereitet werden. Es sind schon große Unterschiede zu Schalke oder Bayern. Man sollte in erster Linie auf sich selber schauen, um die eigenen Stärken und Schwächen zu analysieren und zu verbessern. Dafür muss man sich Szenen anschauen, Fehler erkennen. Das sollte in meinen Augen zuallererst kommen, erst dann sollte man sich mit Spielszenen des nächsten Gegners beschäftigen. Gerade bei Bayern hat Guardiola sehr, sehr viel mit Videos gearbeitet, zu großen Teilen auf die eigene Mannschaft bezogen. Er hat uns dann zum Beispiel eine Szene gezeigt, in der wir den Gegner gut gepresst haben und eine, in der wir es schlecht gemacht haben. Es ging immer darum, dass wir als Mannschaft bessere Lösungen finden. Hier ist es eher so, dass die Ecken, die Freistöße oder die Spieleröffnung des Gegners gezeigt wird. Nach den Spieltagen werden ganz selten mal Spielszenen der eigenen Mannschaft gezeigt, aber dieser Teil kommt viel zu kurz.

Seit vergangenem Sommer hat sich Ihre persönliche Situation verschlechtert. In der laufenden Saison sind Sie gar nicht zum Einsatz gekommen.

Raeder: Genau. Die meiste Zeit war ich noch nicht einmal im Kader. In der Vorbereitungszeit auf die laufende Saison hatte ich Optionen, in die 2. Bundesliga zu wechseln. Das war so konkret, dass wir Setubal schon um Freigabe gebeten hatten und man mir auch keine Steine in den Weg legen wollte. Setubal hat dann auf meinen nahenden Abgang reagiert und noch einen Torhüter verpflichtet. Letztendlich ist der Wechsel nicht zustande gekommen. Der Bundesligist, den ich an dieser Stelle nicht nennen möchte, hat dann trotz sehr positiven, konkreten Gesprächen doch einen anderen Torhüter geholt, und so bin ich dann doch hier geblieben.

Warum sind Sie nicht in der Winterpause gewechselt?

Raeder: Es war kaum ein Torhüter verletzt, weshalb da relativ wenig Bewegung reinkam. Wir haben alles beobachtet, es ging aber nirgendwo eine Tür auf. Von daher war es nicht möglich, den Absprung zu schaffen.

Wie geht es jetzt mit Ihnen weiter?

Raeder: Ich muss die Situation hier absitzen und so hinnehmen. Daran wird sich nichts mehr ändern, und dann endet mein Vertrag im Sommer.

Gibt es schon Pläne für die kommende Spielzeit?

Raeder: Zuletzt habe ich in Polen beim Erstligisten Lechia Gdansk trainiert. Das ist gut gelaufen. Jetzt müssen wir mal schauen, was dabei herauskommt.

Können Sie denn definitiv weiterhin mit Profifußball planen?

Raeder: Ich bin mir noch sehr sicher, dass es weitergeht. In der Woche in Polen habe ich mich nochmal mit den anderen Torhütern verglichen und festgestellt, dass ich auf einem guten Level bin. Auch wenn ich ein Jahr lang nicht gespielt habe, bin ich weiterhin in so guter Form, um die nächste Chance nutzen zu können. Das Positive an meiner Situation ist, dass ich ablösefrei bin.

Haben Sie Präferenzen?

Raeder: Am liebsten würde ich in Deutschland spielen, weil es meine Heimat ist und der Fußball hier einen hohen Stellenwert hat. Das Ausland ist aber auch eine Option, sofern die sportliche Konstellation sinnvoll ist. Grundsätzlich bin ich für alles offen.

RWE, Schalke, Bayern, Setubal. Würden Sie im Nachhinein alles noch einmal genauso machen?

Raeder: Ich denke, dass meine Entscheidungen zu den Zeitpunkten, zu denen ich sie getroffen habe, die richtigen waren. Deshalb würde ich alles nochmal genauso machen, ja.

Als Hellseher allerdings hätten Sie sich vermutlich gegen den Wechsel zu Setubal entschieden?

Raeder: Womöglich. Dann müssten Sie mir jetzt aber sagen, was passiert wäre, wenn ich nach Darmstadt, Frankfurt oder sonst wohin gegangen werde. Das wissen wir ja auch nicht. Ich hege da keinen Groll mit meinen Entscheidungen, überhaupt nicht. Mit Was-wäre-wenn setze ich mich ohnehin nicht auseinander.

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