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Jovanovs HSV: Fiete Arp, Shootingstar


KOLUMNE

Manchmal reicht der erste Eindruck, um ungefähr, aber nie mit Gewissheit, einzuschätzen, ob ein Spieler etwas Besonderes hat. Oder eben nicht. Fiete Arp, 17 Jahre alt, aktuell mit Deutschland bei der U17 Weltmeisterschaft in Indien, hat etwas Besonderes. Zumindest sehe das nicht nur ich so.

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Es ist einerseits seine Qualität auf dem Platz, die ihn besonders macht: Schusstechnik, Ballführung, Zweikampfverhalten, Durchsetzungsvermögen. Andererseits sind es Charakterzüge. Arp hat etwas Freches, Selbstbewusstes, gleichzeitig kann er durchaus bescheiden sein, nimmt sich selbst und den Hype um ihn mit der nötigen Gelassenheit und Humor.

Glaubwürdigkeit statt Worthülsen

Für den Hamburger SV ist Arp ein Glücksfall. Das wohl größte deutsche Talent seines Jahrganges, ein Leistungsträger, lernwillig, zielstrebig und zurecht mit der Fritz-Walter-Medaille ausgezeichnet. Logisch, dass ein Spieler seiner Klasse automatisch öffentliches Interesse auf sich zieht. Nur ist der HSV an dem Hype um ihn nicht ganz unbeteiligt. Trainer Markus Gisdol wird sich bewusst gewesen sein, welche Lawine der Berichterstattung er mit Arps Einwechslung im Nordderby auslösen würde. Sie tut ihm selbst und dem Verein im Moment ganz gut, weil von fünf sieglosen Spielen in Folge und 450 Minuten ohne Tor kaum noch die Rede ist. Stattdessen steht überall der Nachwuchs im Fokus. Good news in sportlich schwierigen Zeiten.

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Dabei klang das vor Wochen alles noch ein wenig anders. "Abitur stoppt Arp", titelte die Bild-Zeitung, in der sich Gisdol wie folgt zitieren ließ: "Natürlich hätte ich ihn am liebsten jeden Tag im Training. Aber wir haben eine große Verantwortung gegenüber Fiete, dass er sein Abitur ordentlich machen kann. Profi-Training und Abitur gleichzeitig zu bewältigen, ist ein großes Problem.“

Und wenn dem so ist, was ich nicht bestreiten möchte, in anderen Fällen (Tah beim HSV, Havertz in Leverkusen) aber nicht unüberwindbar schien: Wird das Problem eigentlich kleiner, wenn sich Arp dank einer Einwechslung in der 89. Minute Bundesligaprofi nennen darf und der Rummel um seine Person merklich steigt? Wurde dem Spieler damit wirklich ein Gefallen getan? Oder diente er kurzfristig als Ablenkungsmanöver? Ich hoffe nicht.

Horst Hrubesch Jann-Fiete Arp Fritz-Walter-Medaille 090417

Denn Arp ist die nächste große Möglichkeit für den HSV, seinen Worten auch Taten folgen zu lassen, Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen und den Stürmer als Aushängeschild der eigenen Nachwuchsarbeit zu präsentieren. Um damit sowohl nach innen als auch nach außen Signale zu senden. Nach den Beispielen Jonathan Tah oder auch Kerem Demirbay dürfen es sich die Hamburger nicht noch einmal leisten, ein Talent zu vergraulen, das später woanders aufblüht und seinen Marktwert vervielfacht. Für den gesamten Aufwand im Nachwuchsbereich wäre das der Super-GAU.

Erst Stabilität, dann Talentförderung

Auf der anderen Seite hat sich der HSV irgendwann einem Dogma unterworfen, das ich für hinterfragenswert halte: "Wir können junge Spieler nur dann erfolgreich in das Bundesliga-Team einbauen, wenn dort ein funktionierendes Fundament aus Führungsspielern besteht. Bisher ist es uns noch nicht gelungen, über einen längeren Zeitraum in stabiles Fahrwasser zu gelangen. Es wird uns leichter fallen, sobald wir uns bei den Profis sportlich und tabellarisch stabilisieren", sagt Sportdirektor Bernhard Peters im Goal-Interview, das ihr morgen bei uns lesen könnt. Ein interessantes Gespräch mit Einblicken in seine Denk- und Arbeitsweise. Und mit jener These, der ich seit Jahren nichts abgewinnen kann.

Denn in stabiles Fahrwasser gelangt der HSV doch deshalb nicht, weil er mit teuren Routiniers kurzfristig Symptome lindert, nie aber die Ursachen der sportlichen Krise bekämpft. Es sind nicht junge Talente gewesen, die den HSV zum Dauer-Abstiegskandidaten gemacht haben. Sondern erfahrene Spieler mit gut dotierten Verträgen. Es gibt Klubs, die diametral entgegengesetzt denken, die glauben, junge, unverbrauchte Spieler führen sie eher aus der Krise als Routiniers, weil sie weniger nachdenken, sie vom Moment des Profiwerdens beflügelt werden und heiß darauf sind, sich zu beweisen. Tatsuya Ito ist ein gutes Beispiel dafür. Es braucht nur jemanden in verantwortlicher Position, der mutiger denkt. Die Talente jedenfalls sind schon da.

Bleib am Ball und folge HSV-Reporter Daniel Jovanov auf Facebook und Twitter!

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