KOMMENTAR
"Mach ihn, er macht iiiiihn, Mario Götze!" Die Worte von ARD-Kommentator Tom Bartels hallen noch heute, vier Jahre später, nach, sind omnipräsent, im Geiste stets abrufbar. Seit Dienstagmittag steht fest: Der WM-Held von Rio bekommt nicht die Chance, Deutschland ein weiteres Mal zum Weltmeistertitel zu schießen. Bundestrainer Joachim Löw verzichtet auf den 25-Jährigen. Eine Entscheidung, die aus fußballromantischer Warte durchaus schmerzt, rational betrachtet allerdings vernünftig ist.
Der vorläufige WM-Kader: Löw überrascht mit Petersen, Götze und Wagner nicht dabei
Denn: Den Dortmunder lediglich aufgrund seiner zweifelsfrei hinterlegten Verdienste in den Kader zu berufen, wäre fahrlässig. Selbst als großer Götze-Fan, der in den letzten Jahren immer wieder gehofft hat, dass er endlich wieder zu diesem verzückenden, brillanten Wunderknaben avanciert, mit herausragenden Dribblings ganze Viererketten im Alleingang demütigt, muss man sich eingestehen, dass dieses Szenario in näherer Zukunft bestenfalls ein Wunsch bleibt.
Nicht mehr der Mario Götze von einst
Nein, er ist nicht mehr der Mario Götze von vor vier Jahren, geschweige denn, der von vor sechs oder sieben, als er in seiner ersten Zeit beim BVB maßgeblichen Anteil an zwei Meisterschaften in Folge hatte. Löw fasste seine Entscheidung contra Götze im Anschluss an die Bekanntgabe treffend zusammen: "Es tut mir wahnsinnig leid, aber es war nicht seine Saison." Nicht nur diese Spielzeit, die am vergangenen Samstag für Dortmund und Götze in Hoffenheim ihr sinnbildliches Ende fand.
Getty ImagesAuch die Runden davor waren nicht "seine", um im Löwschen Sprech zu bleiben. Immer wieder wurde der eigentlich so wahnsinnig Hochbegabte von Schicksalsschlägen zurückgeworfen.
Die Stoffwechselkrankheit, die im März vergangenen Jahres bei Götze diagnostiziert wurde und ihn für eine lange Zeit außer Gefecht setzte, bildete dabei nur Spitze eines Eisberges, der sich schon im Vorfeld, gewiss kurz nach dem Turnier in Brasilien, anschickte, weiter zu wachsen. Druck, Verletzungen, Formtiefs, Gewichtsprobleme, Bankplatz bei Bayern – und später, nach seiner Rückkehr, auch bisweilen in Dortmund: Das alles geht nicht spurlos an einem jungen Sportler vorbei.
Die Hoffnung auf eine Rückkehr
"Ich hoffe, dass er zurückkommt", erklärte Löw und sprach wohl etlichen Ästhetik-Freunden aus der Seele. Bis es hoffentlich so weit ist, sollte man die Nichtberücksichtigung als für das Leistungsgeschäft Fußball richtigen Entschluss bewerten. Ob er tatsächlich eines Tages zu alter Form findet, ist nämlich völlig offen. Fest steht nur eines: Dieser eine Moment, Brustannahme, Abschluss mit links ins lange Eck, Bartels, der dieses technische Meisterwerk mit einem schlichten "Wahnsinn" stimmlich untermalt, der bleibt für immer.
