HINTERGRUND
Dynamisch, schnell und rasant – das ist die südkoreanische Hauptstadt Seoul. Im Eiltempo strömen die Einwohner hier jeden Tag zur Arbeit, zur Schule oder zu einer der vielen Universitäten. Auf dem Weg wird in einem der zahlreichen Schnellrestaurants schnell der Appetit gestillt. Das öffentliche Verkehrssystem ist perfekt durchdacht, Bus und Bahn kommen alle paar Minuten. In der Metro gibt es kostenfreies WLAN. Hauptsache keine Zeit verlieren, lautet das Motto. Diese ist im vollgepackten Alltag der Südkoreaner nämlich äußerst wertvoll.
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Diesen dynamischen Puls verkörpern durch ihren temporeichen Spielstil auch zwei Angreifer der südkoreanischen Nationalmannschaft . Ersterer ist natürlich Tottenhams Heung-Min Son , der sich in der englischen Hauptstadt London längst zu einem international beachteten Spieler entwickelt hat, unter Mauricio Pochettino einen Stammplatz in der Offensive an der Seite von Harry Kane, Dele Alli und Christian Eriksen besitzt.
Der andere ist auf großer Bühne noch ein unbeschriebenes Blatt, könnte aber bei der WM groß rauskommen und einen ähnlichen Weg einschlagen wie sein Sturmpartner in der Nationalmannschaft. Davon sind zumindest viele Südkoreaner nach dieser Saison überzeugt. Die Rede ist von Hee-chan Hwang von Red Bull Salzburg.
Hee-chan Hwang: Ein neuer Son?
Bei den Salzburgern, die sensationell ins Halbfinale der Europa League einzogen, hat der 22-Jährige nachhaltig auf sich aufmerksam gemacht. So war er beispielsweise in den beiden Achtelfinalduellen (2:1, 0:0) mit Borussia Dortmund einer der auffälligsten Akteure der Österreicher, ließ der Viererkette der Schwarz-Gelben mit seiner Schnelligkeit keine Verschnaufpausen – so wie es Son früher in seiner Bundesliga-Zeit und nun bei den Spurs macht.
Es ist nicht die einzige Parallele zwischen den beiden Landsmännern. Denn wie Son kann auch Hwang mit dem Ball umgehen, ist technisch beschlagen. Nur deutlich torgefährlicher muss er noch werden. 2016/17 erzielte er in der Liga zwölf Tore. In der abgelaufenen Saison jedoch nur noch fünf, hatte jedoch auch mit mehreren Verletzungen zu kämpfen.
Von Vergleichen mit Son hält Hwang, der 2017 zu Asiens Nachwuchsfußballer des Jahres gewählt wurde, jedoch nicht viel. "Als junger Angreifer beobachte ich Son natürlich sehr gerne, achte auf die Art, wie er spielt. Er ist ein sehr talentierter Fußballer, der genau weiß, wie man Tore schießt. Aber letztendlich habe ich meinen eigenen Stil, möchte als Profi-Fußballer meinen eigenen Weg gehen und mir einen eigenen Namen machen", verriet Hwang der Sport Bild .
Als neuer Son zu gelten, macht ihn auf dem Transfermarkt noch ein bisschen interessanter. Längst sind zahlreiche Klubs aus den Top-Ligen Europas hinter Hwang her. Zuletzt wurde er mit Dortmund in Verbindung gebracht, wo seine Auftritte in der Europa League Eindruck hinterlassen haben.
Auch RB Leipzig gilt als Kandidat, kamen vom Schwesterverein aus Salzburg in jüngerer Vergangenheit doch immer wieder junge Talente wie Dayot Upamecano, Konrad Laimer und Marcel Sabitzer nach Ostdeutschland. Hwang könnte auf der Suche nach Ersatz für Timo Werner, der einen Abgang zu einem größeren Klub nicht ausschließt, zu einem echten Kandidaten werden. In der englischen Premier League ist der Südkoreaner ebenfalls begehrt. So oder so: Zeigt Hwang sein Talent bei der Weltmeisterschaft, dürfte er Salzburg wohl schon in diesem Sommer verlassen.
Turbulente Jugendjahre: Hee-chan Hwang war früh bekannt
Den Weg nach Österreich hatte er einst mit 18 Jahren gefunden und damit in seiner Heimatstadt Pohang, die an der Ostküste Südkoreas liegt, für mächtig Wirbel und Aufruhr gesorgt. Im exklusiven Gespräch mit Goal erinnert sich seine ehemalige Mitschülerin Minji Yun: "Er hat immer für die Auswahl unserer Schule, die mit dem südkoreanischen Erstligisten Pohang Steelers zusammenarbeitet, gespielt. Schon früh bestanden keine Zweifel, dass er einmal Profifußballer wird, denn bei Turnieren bekam er stets zahlreiche Auszeichnungen, dank ihm wurde unsere Schule auch Fußballmeister Südkoreas. Er war besser als die älteren Spieler im Team und die Pohang Steelers haben ihn bereits früh gefördert", erklärte sie.
"Doch als die Zeit für den ersten Profivertrag kam, fuhr er nach Österreich und entschied sich, bei RB Salzburg zu unterschreiben. Der Klub und die Fans waren über seine Entscheidung äußerst verärgert, sahen es als Verrat an seinem Heimatklub, der ihn mehrere Jahre unterstützt hatte, an", fuhr Yun fort.
Ausschlaggebend für den Wechsel nach Europa war die Spielphilosophie von RB, das schnelle Umschaltspiel, das wie geschaffen scheint für Hwang. "Ich habe mir zuerst Videos von Red Bull Salzburg angesehen. Diese Art von Fußball war für mich damals sehr neu und beeindruckend und ein wichtiger Grund für meinen Wechsel", erklärte der Angreifer in einem Interview mit transfermarkt.de .

Zuvor lebte Hwang wie viele Nachwuchssportler ein Leben als einer der populärsten Schüler der Jaecheol-Schule in Pohang, wenn auch mit Einschränkungen im Alltag. "Mit zunehmender Bekanntheit fragten ihn seine Mitschüler nach Autogrammkarten, denn es war klar, dass er es mit seinem Talent weit bringen wird", erinnerte sich Yun. "Zu diesem Zeitpunkt trainierte er schon mehr, als dass er zur Schule ging. Manchmal setzte er sich hinter einen Tisch und schrieb Autogramme."
"Ein normales Leben als Jugendlicher wurde für ihn immer schwieriger. Ab einem gewissen Zeitpunkt wurde deutlich, dass seine Beraterfirma ihm klargemacht hat, dass er eine gewisse Distanz zu seinen Mitschülern wahren sollte, um sich ausschließlich auf den Fußball zu konzentrieren", sagte Yun. "So löschte er viele Leute aus seiner Freundschaftsliste in den sozialen Netzwerken und hörte komplett auf, private Dinge zu posten."
Der strikte Lebensstil hat sich gelohnt. "Hwang ist wie Son das beste Beispiel für unsere heimischen Talente, wie man sich im Ausland durchsetzen kann", sagt Südkoreas Nationalcoach Tae-yong Shin über den 1,77-Meter-Mann.
Hwang und Son liefen schon zusammen bei den Olympischen Spielen 2016 für ihr Heimatland auf. Auch damals traf Südkorea in der Gruppenphase auf Deutschland. Beim 3:3-Unentschieden erzielte Hwang den 1:0-Führungstreffer. Würde ihm auch in Russland ein Tor gegen den amtierenden Weltmeister gelingen, dürften wohl auch die Fans der Pohang Steelers ihm wieder zujubeln und seinen Wechsel zu RB Salzburg vergessen haben. Gegen Schweden kann er sich jetzt schon einmal warmschießen.
