HINTERGRUND
Selbst die Auswechslungen konnten die gute Laune am Samstagnachmittag nicht trüben. Jerome Boateng verließ das Fröttmaninger Grün als erster, artig bedankte er sich bei den Fans. Arturo Vidal strahlte geradezu, als er als letzter vom Feld schritt. Und zwischendrin war da noch Arjen Robben. Wenigstens er hätte sich ja anständig ärgern können. Stattdessen klatschte Robben in die Hände. Dann umarmte er Franck Ribery, und drückte dem Franzosen einen herzlichen Kuss auf die Wange.
Salihamidzic im Interview: "Bei uns ist Ruhe!"
Beim FC Bayern gaben sie sich beim und nach dem 4:0-Sieg im Bundesliga-Spiel gegen den FSV Mainz 05 große Mühe, die jüngsten Eindrücke vergessen zu machen und Harmonie vorzuleben.
Noch vor wenigen Tagen flogen Trikots auf die Ersatzbank, es wurde lamentiert und gejammert. Die Spieler forderten größeren Zusammenhalt, mehr Miteinander und damit auch weniger Eigensinn. Es hatte so viele Nebengeräusche rund um den deutschen Rekordmeister gegeben, dass besonders kritische Zeitgenossen sogar die Rückkehr des FC Hollywood ausgemacht haben wollten.
Robben: Brauchen Ribery, um Titel zu gewinnen
Nun aber scheint all das erstmal vergessen, pünktlich zum Oktoberfest-Auftakt. Genauso wie die spielerischen Probleme, die sich seit Saisonbeginn durch alle Spiele gezogen hatten und selbst beim 3:0-Erfolg gegen den RSC Anderlecht deutlich erkennbar waren.
"Das hat mit der Wiesn nichts zu tun. Wir wollen intern unabhängig davon für die richtige Stimmung sorgen, um große Erfolge erzielen zu können. Da haben wir nach der Partie gegen Anderlecht gut dran gearbeitet und jetzt das richtige Spiel gezeigt", sagte Mats Hummels, der die starke Leistung auch als "richtige Antwort auf die Diskussionen" verstanden wissen wollte. "Ein bisschen Gesprächstherapie" sei auch dabei gewesen in den vergangenen Tagen, gab der Innenverteidiger zu.
"Hatten große Lust, ein Zeichen zu setzen"
Und die Gesprächstherapie hatte große Wirkung gezeigt. Die Münchner spielten mit mehr Tempo und Entschlossenheit. Und sie spielten wieder miteinander. Selbst Robben legte Robert Lewandowski in einer Szene den Ball auf, in der er selbst hätte abschließen können.
"Wir hatten in den letzten Spielen Luft nach oben. Heute war es ein Spiel, in dem wir besser als Mannschaft agiert haben. Die Körpersprache hat zu hundert Prozent gepasst. Wir hatten große Lust, mal wieder ein Zeichen zu setzen", erklärte Thomas Müller.
Er selbst hatte entscheidenden Anteil an der mit Abstand besten Saisonleistung des FC Bayern. Müller spielte auf der Zehn hinter Lewandowski, zwischen Robben und Kingsley Coman, vor Thiago Alcantara und Arturo Vidal. Und dort konnte er jener Freigeist sein, der er so gerne ist. Den ersten Treffer erzielte er selbst, den dritten bereitete er mit einer perfekten Hereingabe vor.
Müller als Schlüssel
Müller, befand Robben hinterher, sei "vielleicht der Schlüssel" gewesen. "Die Besetzung auf dem Platz war ganz wichtig. Mit Thomas auf der Zehn ist es eine ganz andere Aufstellung mit viel mehr Bewegung. Er ist wie ein zweiter Stürmer. Er geht in die Zwischenräume, in die Tiefe. Er reißt Lücken auf, schafft Räume für andere. Das hat den Unterschied gemacht."
Robben geriet so sehr ins Schwärmen, irgendwann musste er aufpassen, "was man sagt. Das hat ja nichts mit den anderen Spielern zu tun, aber ich spiele immer sehr, sehr gerne mit Thomas zusammen. Das funktioniert immer gut".
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Auch Lewandowski war hellauf begeistert. "Es hat alles geklappt, was wir geplant hatten. Es war nicht so statisch wie davor, sondern sehr flexibel. So ist es für jeden Gegner schwer, uns zu halten", hielt der Angreifer fest.
Die Bayern hatten sich wie ausgewechselt präsentiert, wirkten wacher, motivierter, zielstrebiger. Angetrieben vom überragenden Joshua Kimmich, der als Rechtsverteidiger in Philipp-Lahm-Manier großen Einfluss aufs Geschehen nahm, die meisten Ballaktionen verzeichnete und gleich drei Treffer vorbereitete, erspielten sich die Münchner Chance um Chance. Die Tore von Müller (11.), Robben (23.) und Lewandowski (50./77.) waren allesamt schön und schnell herausgespielt. Dazu trafen Coman und Sebastian Rudy auf äußerst unglückliche respektive äußerst sehenswerte Art und Weise das Aluminium, um nur zwei weitere Möglichkeiten herauszupicken.
Was hat Ancelotti mit Bayern gemacht? "Nichts"
"Heute war es so, wie wir uns das vorstellen. Wir haben uns Gedanken gemacht, wie es in den vergangenen Spielen gelaufen ist und ein anderes Gesicht gezeigt", resümierte Manuel Neuer.
Man fragte sich also, was Trainer Carlo Ancelotti eigentlich mit der Mannschaft angestellt hatte, dass sie derart anders auftreten konnte. "Nichts", entgegnete Robben etwas überraschend: "Wir haben untereinander viel gesprochen. Man muss gewisse Dinge auch ansprechen. Und wir haben viele erfahrene Spieler." Auch Kapitän Neuer erwähnte mit keinem Wort den Coach, redete stattdessen über in der Pflicht stehende Führungsspieler, die "Verantwortung übernehmen" müssen. Ein bisschen merkwürdig war das schon, hatte Robben die Aufstellung doch als Schlüssel ausgemacht. Und die ist normalerweise nun mal Sache des Trainers.
Ancelotti und seine Spieler hoffen nun, dass die gezeigt Leistung keine Ausnahme bleibt. Dass endlich mehr Ruhe einkehrt rund um die Säbener Straße. "Bei uns ist Ruhe", zuletzt sei "vielleicht ein bisschen was reininterpretiert" worden, entgegnete Hasan Salihamidzic, ansonsten gab er sich aber auffallend große Mühe, bloß nicht wieder den Wohlfühl-Sportdirektor raushängen zu lassen.
Salihamidzic in Sammer-Manier
Zwar hatte auch er "ein sehr, sehr positives Spiel" mit der "richtigen Einstellung" gesehen, mehr Tore hätte der FC Bayern aber schon machen können.
"Wir haben zu viele hundertprozentige Torchancen ausgelassen", stellte Brazzo fest und matthiassammerte: "Wir stehen am Anfang der Saison. Wir wissen, dass wir die letzten Spiele nicht so gut gespielt haben und daran arbeiten müssen. Das war ein guter Anfang, aber da muss man jetzt dranbleiben und genauso weitermachen. Wir müssen sehen, dass wir diese Einstellung in jedem Spiel auf den Platz bringen."
Arjen Robben gefiel das. "Wir müssen bestätigen, dass es nicht einmalig war", forderte auch er vor dem Auswärtsspiel bei Schalke 04 am Dienstag (20.30 Uhr im LIVE-TICKER ), ehe er die Allianz Arena erstmals seit längerer Zeit wieder rundum zufrieden mit seinen Kindern verließ.



