Mesut Özil Joachim Löw 2018Getty

Joachim Löw und der Özil-Rücktritt: Enttäuscht vom Lieblingsschüler


HINTERGRUND
Joachim Löw machte aus seiner Verärgerung kein Hehl. Der Bundestrainer hatte bereits rund 20 Minuten über seine Lehren aus dem WM-Desaster referiert, als er von sich aus auf den geräuschvollen Rücktritt von Mesut Özil zu sprechen kam - und seinen einstigen Lieblingsschüler tadelte. "Mit seinen Rassismus-Vorwürfen gegen den DFB hat er überzogen", sagte Löw am Mittwoch in München und warf Özil schlechten Stil vor.

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Denn: Özil hat Löw seinen Abschied nach neun Jahren in der Nationalmannschaft nicht persönlich erklärt - und sieht bis heute keine Notwendigkeit, dies zu tun. "Im ersten Moment war eine Enttäuschung in mir, dass ich es nicht persönlich von ihm erfahren habe", sagte Löw, "ich hätte mir gewünscht, dass er mich informiert über so einen Schritt, ich hätte mich austauschen können mit ihm."

Joachim Löw: "Özil ist einer der besten deutschen Spieler der letzten 20, 30 Jahre"

Vielleicht, war aus diesen Worten herauszuhören, wäre Özil ja trotz der heftigen Nachwirkungen der Erdogan-Affäre umzustimmen gewesen? Löw hegte diese Hoffnung ganz offensichtlich. Denn an seiner fußballerischen Wertschätzung für den Weltmeister von 2014 haben weder die Fotos mit dem umstrittenen türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan noch die Art und Weise des Rücktritts etwas geändert.

"Mesut Özil war lange mein Spieler in der Nationalmannschaft, wir haben zusammen vieles erlebt - manche Rückschläge, aber auch sehr viel Positives. Wir haben dem WM-Titel zusammen gewonnen, das wird für immer bleiben", sagte Löw und adelte Özil als "einen der besten deutschen Spieler der letzten 20, 30 Jahre". Sportlich, betonte er, habe er vor der WM weder hinter Özil noch dessen Foto-Partner Ilkay Gündogan ein Fragezeichen gesehen.

Mesut Özil Joachim Löw 2018Getty

Dennoch gab Löw zu, dass er die Lage nach dem Auftauchen der Bilder "absolut unterschätzt" habe. Nach dem gemeinsamen Besuch beim Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier habe er die Sache als erledigt betrachtet. "Dieses Thema hat Kraft gekostet, war nervenaufreibend, weil es immer wieder da war", sagte Löw, als Ursache für das WM-Aus sei es aber "nicht entscheidend" gewesen.

Mesut Özil ist für Joachim Löw nicht erreichbar

Dass Özil dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) in seiner Rücktrittserklärung Rassismus vorwarf, hat Löw wie Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff getroffen. "In meiner Mannschaft gab es nie einen Ansatz einer rassistischen Äußerung. Wir haben uns immer an Werten orientiert", sagte Löw. Bierhoff wies "den Rassismus-Vorwurf in der Nationalmannschaft und dem DFB klar zurück". Er betonte aber auch: "Eins ist klar: Ein Nationalspieler kann keine Zielscheibe rassistischer Angriffe sein!" Die Art und Weise von Özils Rücktritt "schmerzt uns alle, ihn ja auch", ergänzte Bierhoff.

Was Löw besonders missfiel: Dass er nur wenige Stunden vor Özils dreiteiliger Internet-Erklärung von dessen Abschied erfuhr - per Telefon von Özils Berater, wie er berichtete. Özil (29) selbst habe ihn "bis heute nicht angerufen. Ich habe seit eineinhalb, zwei Wochen mehrfach versucht, ihn zu erreichen - per Telefon und SMS."

Dennoch hofft Löw (58) in der Beziehung zu Özil auf ein Happy End. "Es wird sich sicher noch die Gelegenheit geben, dass wir ein Gespräch führen", sagte er, "das steht noch im Raum."

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