107503

Kult-Kabine: Die nationale Auswahl der verrücktesten Frisuren

Berlin. Die 80er und 90er waren aus Sicht des Berufsstandes der Friseure auch in der Bundesliga kein Zuckerschlecken. Auch die Stars von Bayern München oder Werder Bremen, ja selbst DFB-Trainer Joachim Löw prägte den ein oder anderen Missgriff vor dem Spiegel. Nach unserer letztwöchigen Kult-Kabine mit den verrücktesten Frisuren im internationalen Fußball zeigen wir Euch heute die nationale Elite unter der Trockenhaube.

Unser Exzentriker-Faktor zeigt, welchen Unterhaltungswert ein Spieler für die Fans hat. Denn nicht selten stecken unter den verrückten Frisuren noch verrücktere Köpfe...

TOR

Norbert Nigbur (FC Schalke 04) – Exzentriker-Faktor: 6


So mancher Stürmer dürfte durchaus Angst bekommen haben, wenn er alleine mit dem Ball am Fuß auf den jungen Norbert Nigbur zugelaufen ist. Denn während der ein oder andere Kollege in den 1990ern durchaus einmal zu Bissattacken griff, um sich den Respekt der Gegner zu erarbeiten, setzte der einstige Schalker eher auf den visuellen Effekt. Wildes, lockiges Haar und lange, breite Koteletten, die ein wenig an den Kultfilm Teen-Wolf aus den 1980ern mit Michael J. Fox erinnern. Überwarf sich mit Rudi Assauer auf Schalke, seitdem ist das Verhältnis zwischen ihm und den Königsblauen gestört. Ersatztorhüter der 1974er-Weltmeistermannschaft, kam aber insgesamt nur auf sechs Einsätze im DFB-Dress.

ABWEHR

Christian Ziege (FC Bayern München) – Exzentriker-Faktor: 7


Lange trug der Linksverteidiger den klassischen Topfschnitt, ehe er nach seinem Wechsel zum AC Mailand 1997 auf den Faktor „kahl“ setzte. Ziege rasierte sich den Schädel, was ein wenig aussah wie eine Mischung aus glatt polierter Bowlingkugel und einem Telly Savalas für Arme in seiner Rolle als US-Detektiv „Kojak“. Sein ganz persönliches Frisurenhighlight setzte der heute 38-Jährige während der Weltmeisterschaft 2002 in Japan und Südkorea. Auf dem kahlgeschorenen Schädel trug er einen Irokesen in den Farben der Deutschlandfahne. Ob er damit die Fanartikelindustrie, die seit geraumer Zeit ja Irokesen-Clips in verschiedenen Landesfarben vertreibt, inspiriert hat, ist nicht überliefert. Arbeitet heute als Trainer bei Zweitligist Arminia Bielefeld.

Mike Werner (FC Hansa Rostock) – Exzentriker-Faktor: 4

Der personifizierte Modeunfall der 1990er. Was der Abwehrmann von Hansa da einst trug, spottet jeder Beschreibung. Ein auftoupierter Fransenteppich mit goldblonden Strähnchen in Vokuhila-Form und dazu passend der „Oliba“, das Schmückstück des „Bad Taste“. Böse Zungen behaupten, er sei der inoffizielle Stilberater von Tokio-Hotel-Sänger Bill Kaulitz. Bitter: Musste 1996 im zarten Alter von 25 Jahren seine Karriere als Profi beenden, nachdem ihn ein Kreuzbandriss ausser Gefecht gesetzt hatte. Inzwischen Trainer des Landesligisten PSV Ribnitz-Damgarten aus Mecklenburg-Vorpommern.

Norbert Dronia (MSV Duisburg) – Exzentriker-Faktor: 4

Ebenfalls ein Vertreter der „haarigen“ Fraktion war Norbert Dronia, der für den MSV Duisburg und die Bielefelder Arminia zwischen 1978 und 1985 162 Bundesligaspiele absolvierte und dabei immerhin achtmal ins Schwarze traf. Ob für den Manndecker der sehenswerte Minipli dabei hinder- oder förderlich war, ist nicht gewiss. Jedenfall trug er wie sein Nebenmann Mike Werner bereits einen kultigen „Oliba“. An dieser Innenverteidigung würde wohl jeder Stürmer hängen bleiben, vom Coiffeur einmal ganz zu schweigen.

MITTELFELD

Günther Netzer (Borussia Mönchengladbach) – Exzentriker-Faktor: 9


Das Fohlen ist einer der bekanntesten deutschen Fußballer überhaupt. Genialer Regisseur mit Hang zur Extravaganz. Betrieb anfang der 70er die Discothek „Lovers Lane“ in Mönchengladbach, zudem hatte der heute 64-Jährige ein Faible für schnelle Sportwagen. Leistete sich früh ein weißes Mercedes-Cabrio, später gab er im Ferrari – diese Marke bevorzugt er noch heute – und Porsche Vollgas. Dazu passend: Er wechselte sich in seinem letzten Spiel für die „Fohlen“, dem DFB-Pokal-Finale gegen Rheinrivale Köln in der Verlängerung selbst ein und erzielte den 2:1-Siegtreffer. Seine Frisur ist bis heute sein Markenzeichen, was bei den ARD-Zuschauern, wo er bis zur WM 2010 an der Seite von Gerhard Delling moderierte, für glucksende Mutmaßungen sorgte. Denn bekanntermaßen fangen Paare nach einer gewissen Zeit an, sich auch äußerlich zu ähneln – so auch beim ARD-Team, wo sich Dellings Haarpracht immer mehr dem Schopf des großen Netzer annäherte.

Paul Breitner (FC Bayern München) – Exzentriker-Faktor: 8,5

Ebenso als Rebell galt Paul Breitner (nein, das auf dem Foto ist nicht sein Zwillingsbruder sondern Hamburgs Kevin Keegan). Denn er ließ sich einst vor dem Foto des chinesischen Staatschefs Mao Tse-Tung fotografieren, was in den politisch hektischen 70ern für großes Medienecho sorgte. Auf einen Schlag war die Mär vom Maoisten Breitner geboren. Glücklicher agierte er auf dem Platz. Europameister, Weltmeister, Europapokalsieger der Landesmeister... Der heute 58-Jährige hatte sie alle. 1976 wirkte er im Western „Potato-Fritz“ als Schauspieler mit – verwegen genug für einen Streifen dieses Genres sah er ja aus, wobei er mit seinen wallenden Locken durchaus auch das Stuntdouble für eine Broadway-Schönheit hätte geben können.

Stefan Effenberg (FC Bayern München) – Exzentriker-Faktor: 9,5

So ganz und gar nicht zu seinem Dasein als Spieler der „Fohlen“ passte sein frisurentechnischer Fauxpas: „Effe“ ließ sich sein Markenzeichen, den Tiger in den Hinterkopf einfärben. Neben großen Erfolgen wie Champions League und Weltpokal (je 2001), zwei DFB-Pokalsiegen und drei Deutschen Meisterschaften fiel der exzentrische Effenberg vor allem durch Skandale auf. Stinkefinger-Affäre während der WM 1994, Beleidigung eines Polizisten – der Beamte behauptete, dass der Regisseur ihn als „Arschloch“ bezeichnet hätte, Effenberg schwor Stein und Bein, er habe „’n schönen Abend noch“ gerufen – und die Sage um die Ex-Frau von Thomas Strunz, seine heutige Gattin Claudia. Effe ließ wie beim Titelsammeln kaum ein Fettnäpfchen aus. Wurde bei den Bayern 2000 abgemahnt, da er bei der Weihnachtsfeier nicht im Klub-Anzug, sondern in roter Lederhose und Cowboy-Stiefeln erschien. Ein optisches Highlight also, genau wie sein Kopfschmuck aus den frühen 90ern (s. oben).

Bernd Schuster (FC Barcelona) – Exzentriker-Faktor: 6,5

Der „Blonde Engel“ war den Großteil seiner Karriere in Spanien aktiv. Dort glänzte er nicht nur mit genialen Pässen und zauberhaft gezirkelten Schüssen, sondern auch durch seine gülden schimmernde Löwenmähne, die ihm jenen schmeichelhaften Namen einbrachte. Nicht fehlen durfte der Oberlippenschnauzer, ebenso goldgelb. Heute trägt er die Haare etwas kürzer, doch sein Schopf erstrahlt immer noch hell – ist da etwa Farbe im Spiel? Erfolgreicher Trainer, u.a. Meister mit Real Madrid. Als Coach der Kölner Fortuna sorgte er für Schlagzeilen, als er 1997 im weißen Bentley vor dem Mannschaftsbus zum Spiel vorfuhr und sich von einem breitschultrigen, bezopften Bodyguard bewachen ließ, der ihm keine Sekunde der 90 Minuten von den Seiten wich.

ANGRIFF

Rudi Völler (AS Rom) – Exzentriker-Faktor: 5


Wer sonst, als „Tante Käthe“ könnte unsere Dreier-Reihe im Sturm anführen. Prachtvolle, wallende, blonde Locken waren neben Toren am Fließband das Markenzeichen des gebürtigen Hanauers. Wegen jener Haarpracht erhielt er den oben genannten, fragwürdigen Spitznamen, unter dem er 2001 auch von der Kölner Kult-Band „De Höhner“ besungen wurde. Ebenso ins Ohr geht die Hymne „Es gibt nur ein Rudi Völler“. Zudem sorgte der Fußballweltmeister von 1990 für zwei Momente der Fußballgeschichte, die wohl nie vergessen werden. Im Viertelfinale der 1990er-Endrunde spuckte ihm Frank Rijkaard in seine ganz eigene Interpretation eines Afro. Völler flog grundlos vom Platz, Jahre später söhnten sich beide aus. Legendär: Sein Wutausbruch als Bundestrainer nach einem 0:0 in der EM-Quali auf Island, das ARD-Moderator Waldemar Hartmann den schönen Namen „Weizen-Waldi“ bescherte.

Joachim Löw (SC Freiburg) – Exzentriker-Faktor: 3,5

„Wenn die Nationalmannschaft so spielt, wie er sich kleidet, dann werden wir Europameister,“ urteilte Designer Michael Michalsky vor der EM 2008 und zu eben jener stilsicheren Kleidung gehört auch der topmoderne Schnitt. Was nur die wenigsten wissen: Löw, dessen Profikarriere selbst weniger erfolgreich war als die als Übungsleiter, wagte in den 80ern durchaus den Stilbruch. Der Topf etwas kompakter, Goldkettchen und „Oliba“. So ging er einst für den SC, später die Frankfurter Eintracht und den KSC auf Torejagd. In der Bundesliga klappte es aber für den 50-Jährigen nie so recht, im Fußballoberhaus gelangen ihm insgesamt nur sieben Buden. So wird eine Parallele deutlich: sowohl in Stil- als auch Erfolgsfragen, der Trainer Löw schlägt den Spieler Löw um Längen.

Karl „Kalle“ Del’Haye (Borussia Mönchengladbach) – Exzentriker-Faktor: 4

Der 1,69 Meter kleine Aachener war ein Musterbeispiel an Frisurensünde, doch das waren eben die 70er und 80er. Del’Haye, der später auch die Schuhe für die Bayern schnürte, sticht heraus. Ob er mit seinem Wischmob dem ein oder anderen Hersteller von Putzutensilien Konkurrenz machen wollte oder dieser ihn stilistisch beeinflusst hatte, ist ungewiss. Auch geheime Werbeverträge können nicht ausgeschlossen werden – zu frappierend ist die Ähnlichkeit zwischen Del’Hayes – nennen wir es Nest – und einem Vileda-Schrubber. Dennoch ein dribbelstarker Wirbler, der vom Musiker Marcus Wiebusch (heute Kettcar), einem bekennenden Anhänger der Borussia, als „bester Linksaußen aller Zeiten“ besungen wurde. Zwei Länderspiele für den DFB.

TRAINER

Werner Lorant (TSV 1860 München) – Exzentriker-Faktor: 8

Bei Werner Lorant war nicht nur das Gemüt stets unter Strom: Unvergessen die wüsten Auseinandersetzungen in den kultigen Münchner Derbies zwischen Lorant und den Münchnern Basler oder Matthäus, die stets zu Handgreiflichkeiten auszuarten drohten. Auch die „Frise“ wirkte stets ein wenig elektrisiert, die grauen, später weißen Borsten standen stets straff nach oben. Die Farbe der Haare erinnerte stets ein bisschen an Doc Emmett Brown aus „Zurück in die Zukunft“, den legendären Erfinder des Flux-Kompensators – wer kennt ihn nicht. In Anlehnung an eine Comic-Figur aus Kiel „Werner Beinhart“ genannt. Doch weniger wegen seines Faibles für Mopeds, sondern vielmehr, weil er als knallharter Trainer und Schleifer galt. Unvergessen seine Sprüche wie: „Ich wechsle erst aus, wenn sich einer ein Bein bricht!“

ERSATZBANK

Kinder der 1990er waren Gernot Alms (Hansa Rostock) und Ralf Weber (Eintracht Frankfurt), die beide mit „Vokuhila“ und „Oliba“ die Bundesliga stürmten. Daher wollen wir ihnen ihre Stilsünden verzeihen – es war eben Trend, so beschämend das wirken mag...

Ebenso ein Klassiker ist Abwehrmann Werner Schneider (MSV Dusiburg), der den beiden erstgenannten Kollegen neben sich auf der Bank in keinster Weise nachsteht. Im Angriff käme wohl bei einer Verletzung unserer etatmäßigen drei Stürmer Günter Keute (Eintracht Braunschweig) zum Einsatz. Seine auftoupierte blonde Matte ist schon sehenswert genug für eine Nominierung. Noch schöner ist beinahe seine Zierde an der Oberlippe, die ein wenig an das Logo des Sponsors der Braunschweiger in den 70ern erinnert: Jägermeister.

Eure Meinug: Wer fehlt in dieser Kult-Kabine? Welches haarige Ungemach schießt Euch spontan in den Kopf?
Werbung