Im Hinspiel des Nations-League-Finals gegen Spanien lag für die deutsche Nationalmannschaft deutlich mehr drin als ein 0:0. Und doch geht das Team von Christian Wück mit viel Selbstvertrauen in das Rückspiel am Dienstag in Madrid. Deutschland hat gegen den Weltmeister nicht nur mitgehalten, sondern Spanien phasenweise kontrolliert und zu Fehlern gezwungen. Das allein ist bereits eine Erkenntnis von beträchtlicher Bedeutung.
Getty ImagesNach einem verschwenderischen Hinspiel: Das muss Deutschland in Madrid liefern
Wück sprach nach dem Hinspiel auf dem Betzenberg davon, dass sein Team nun wisse, "dass wir nicht nur mithalten, sondern gegen eine Mannschaft wie Spanien unser Spiel auch durchziehen können. Das ist schon eine Entwicklung, die uns die wenigsten zugetraut hätten."
Auch die Zahlen untermauern diesen Eindruck. Spanien dominierte zwar den Ballbesitz, münzte das jedoch kaum in Torgefahr um. Ann-Kathrin Berger musste bis zur Pause keinen einzigen Schuss parieren. Umgekehrt hatte die deutsche Elf sieben Abschlüsse, vier davon aufs Tor. Es war eine dieser seltenen Partien, in denen die Spanierinnen trotz ihrer Passstärke und technischen Sicherheit verunsichert wirkten.
Deutschland setzte früh Nadelstiche und unterband Spaniens gewohntes Kombinationsspiel. Genau an diese Konsequenz muss das Team in Madrid anknüpfen. Janina Minge brachte es bereits nach dem Hinspiel auf den Punkt: "Gerade in der ersten Halbzeit hatten wir Spanien so weit, dass es keinen Bock mehr hatte."
Getty ImagesBrands Rolle als Freigeist
Dass sich der Weltmeister überhaupt in diese Lage bringen ließ, lag vor allem am Mut und der klaren Struktur im deutschen Offensivspiel, eine Struktur, die auch für das Finale in Madrid entscheidend sein wird. Mit Sjoeke Nüsken als Schaltzentrale, Jule Brand auf der Zehn sowie Klara Bühl und Nicole Anyomi in der vordersten Linie fand das Team eine Balance, die Spaniens Defensive ungewohnt unter Druck setzte. Brand, die Wück schon gegen Frankreich ins Zentrum gezogen hatte, bestätigte einmal mehr, wie wohl sie sich in dieser Rolle als Freigeist fühlt und damit genau jene Dynamik in das Spiel bringt, die der deutschen Offensive bei der EM noch gefehlt hatte.
Auch Anyomi, die im vergangenen Sommer bei der EM noch gar nicht Teil des Kaders war, passt mit ihren Tiefenläufen und ihrem Tempo ideal in die deutsche Spielidee. Ihre Aktionen zwangen die spanische Abwehr gleich mehrfach zu ungewohnten Hektikmomenten, etwa kurz vor der Pause, als Torhüterin Cata Coll sich im Strafraum fast selbst in Schwierigkeiten dribbelte (45.+1).
IMAGO / DeFodi ImagesDas Problem mit der Effizienz
Doch bei aller Dominanz bleibt ein schwerwiegender Makel: Deutschlands Effizienz ist weiterhin das größte Hindernis auf dem Weg zum Titel. Zu oft fehlt im Strafraum die Ruhe, die letzte Präzision oder der richtige Moment für den Abschluss. Entweder zielte man zu ungenau oder wartete zu lange.
Klara Bühl, die auf dem linken Flügel das Spiel in Kaiserslautern erneut prägte, war in der 19. Minute nah an einem Tor, traf aus spitzem Winkel aber nur Cata Coll. Es ist ein Muster, das sich bei Bühl schon über die EM im Sommer hinweg gezeigt hat. Damals gehörte sie zu den herausragenden Spielerinnen des Turniers: 24 Abschlüsse, 18 erfolgreiche Dribblings – mehr als jede andere – dazu 16 Schlüsselpässe, in dieser Kategorie lediglich von Alexia Putellas übertroffen.
Die Zahlen erzählen jedoch auch die andere Seite dieses Aufwandes: Null Tore, eine Vorlage, so lautete Bühls Bilanz bei der EM. Sie hadert immer wieder mit ihrer Entscheidungsfindung: Mal gerät ihr der Ball durch eine Verzögerung außer Kontrolle, mal fehlt im Abschluss die nötige Präzision.
Getty ImagesWück mahnt mehr Klarheit im Abschluss an: "Wir müssen vorm Tor ruhiger werden"
Am Freitagabend war es jene Bühl, die ihre Mannschaft nach einer etwas passiveren Phase wachrüttelte. In der 71. Minute zog sie nach einem typischen Dribbling von links nach innen und setzte den Ball wuchtig an den Pfosten. Kurz darauf traf auch Jule Brand nur die Latte, ihr Heber aus spitzem Winkel klatschte in der 75. Minute ans Aluminium. Zwei Szenen, die das Spiel hätten kippen lassen können, jedoch ungenutzt blieben und zugleich zeigen, wie wenig im Rückspiel in Madrid fehlen könnte, um daraus etwas Zählbares zu machen.
Für Wück ist genau das der Knackpunkt: "Wir müssen vorm Tor etwas ruhiger werden und gezielter auf das Tor schießen." Vor dem Rückspiel gegen Spanien gehe es darum, das Gespräch mit den Stürmerinnen zu suchen, betont er, denn an der grundsätzlichen Qualität würde es nicht mangeln. "Das ist keine Sache der Technik, die Spielerinnen können das alle", so Wück. "Sie müssen nur in der Situation die richtige Entscheidung treffen."
Genau das wird Deutschland in Madrid brauchen. Die Aufgabe dort wird ungleich härter, doch die Erkenntnis aus Stuttgart bleibt: Deutschland hat Spanien verwundbar gemacht.
Christian Wück hatte vor dem Hinspiel zwei klare Vorgaben formuliert: "Wir müssen ihnen den Spaß am Fußball nehmen. Und wir brauchen vorne die Effizienz, die hat uns bei der Euro gefehlt." Den ersten Teil hat seine Mannschaft auf dem Betzenberg bereits eindrucksvoll erfüllt. Will Deutschland in Madrid tatsächlich den ersten internationale Titel seit 2016 holen, muss nun auch der zweite gelingen.
Das könnte Dich auch interessieren



.jpg?quality=60&auto=webp&format=pjpg&width=400)