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Jonas Rütten10. Juni 2025
Italien Serie A
L. Magull
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"Ich habe gar keinen Sinn im Leben mehr gesehen": Wie Ex-DFB-Star Lina Magull sich nach einer "schwerwiegenden Depression" zurück ins Leben kämpfte

Lina Magull war Bayern-Kapitänin und Schlüsselspielerin beim DFB. Doch sie verlor zunehmend die Lebensfreude und erkrankte an einer Depression.

Heute ist Lina Magull ein gesunder, fröhlicher und reflektierter Mensch, doch vor einem guten Jahr wurde die ehemalige Kapitänin des FC Bayern von einer heimtückischen Krankheit heimgesucht, die ihr zunehmend die Lebensfreude raubte und die solche Ausmaße annahm, dass sie sich dazu entschloss, eine Klinik aufzusuchen.

Über ihren Kampf gegen eine "schwerwiegende Depression" und ihre Vorgeschichte, hat sie nun offen mit dem deutschen Nationalspieler Robin Gosens und Moderator Nils Straatmann im Podcast "Wie geht's?" gesprochen.

  • Erste mentale Probleme habe sie bereits in der Zeit nach ihrem Wechsel 2018 vom SC Freiburg zum FC Bayern bekommen - besonders durch die Übernahme des Kapitänsamtes 2020. "Ich habe für meinen Lieblingsverein gespielt. Ich habe die Mannschaft geliebt. Es hat eigentlich alles gepasst. Und dann gab es auf einmal eine Wende, dass sich alles eng angefühlt hat. Durch das Tragen der Kapitänsbinde habe ich mich nicht mehr so frei gefühlt, als die Person, als die Spielerin, die ich war. Weil ich mich so in die Rolle hineingesteigert habe", sagte die 30-Jährige.

    Ihr Zustand verschlimmerte sich, als ihre Einsatzzeiten sowohl in der Nationalmannschaft als auch beim FCB verringerten. "Dann habe ich gemerkt, es ist kein Vertrauen da", stellte sich rückblickend fest. Sie habe sich dann gefragt, ob sie nicht mehr gut genug als Spielerin oder gar als Mensch sei: "Für mich hat es sich so angefühlt, als sei ich einmal auf dem Höhepunkt gewesen und dann so nach und nach irgendwie abgestürzt."

    Am Ende seien alle ihre "Säulen, die ich mir mein Leben lang aufgebaut habe" einfach weggebrochen - nicht nur beruflich beim DFB und bei den Bayern, sondern auch privat. Die zunehmende mentale Belastung und Problematik habe sich auch körperlich bemerkbar gemacht: "Meine Mutter hat mich damit ständig genervt: 'Du siehst so dünn aus, du wirst magerer. Isst du noch was?' Und ich so: 'Ja, ich esse'. Aber ich glaube, innerlich hat dieser ganze Stress und diese ganze Veränderung um mich herum [...] irgendwas mit meinem Körper gemacht."

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    Magulls "Flucht" zu Inter Mailand wird zum Katalysator

    Der Fußball habe ihr "überhaupt keinen Spaß mehr gemacht", aber gerade das sei für sie als Spielerin elementar: "Das hat mich total verwirrt. Ich wusste nicht mehr, wohin mit mir." Am Ende dieser plagenden Gedankenspiele verließ sie die Frauen des FC Bayern auf eigenen Wunsch in der Winterpause 2024 und wechselte zu Inter Mailand. Doch die "Flucht", als die sie den Wechsel selbst beschrieb, entpuppte sich als Katalysator der heimtückischen Krankheit.

    "Nach ein paar Wochen habe ich aber München unheimlich vermisst. Das Problem war, ich dachte, ich habe jetzt alles verloren. [...] Familie, Freunde, ich als Spielerin beim FC Bayern, dem tollsten Verein Deutschlands. Und ich habe es wirklich gar nicht verstanden, warum das auf einmal wieder in meinen Kopf gekommen ist. Wovor ich geflüchtet bin, das hat mir auf einmal wieder gefehlt", sagte Magull, die im März 2025 nach 77 Länderspielen (22 Tore) aus der Nationalmannschaft zurückgetreten ist.

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    Lina Magull: "Du bist irgendwie ein komischer Mensch geworden"

    Sie habe dann unter extremen Schlafproblemen gelitten, habe ihre Gedanken nicht mehr kontrollieren können, habe ständig gegrübelt und sei in einen Strudel der Negativität geglitten. "Ich habe Schweißattacken bekommen, habe Panikattacken bekommen. Ja und das war der Moment, wo ich gedacht habe, was ist eigentlich falsch mit dir? Es gab keinen Fluchtweg mehr. Da, wo ich hin geflüchtet war, da kam nun der Gedanke: Wo fliehe ich jetzt hin? [...] Ich konnte kaum noch Auto fahren. Es sind Dinge passiert, bei denen ich gemerkt habe, ich verliere komplett die Kontrolle über meine Gedanken, über meinen Körper. Und das hat mir echt ein bisschen Angst gemacht. Also extreme Angst. Nicht nur ein bisschen."

    Das große Problem sei es gewesen, dass sie ihren Zustand nicht als Krankheit wahrgenommen habe. "Ich dachte die ganze Zeit einfach: du bist irgendwie ein komischer Mensch geworden. [...] Und ich habe das immer als Schwäche gesehen", offenbarte Magull: "Ich wollte es einfach nicht zugeben, dass ich psychisch vielleicht krank bin. Dass es eine Depression ist. Und ich glaube, so ging es halt auch den Leuten um mich herum. Niemand wollte es benennen. Und ja, ich hatte auch Angst, es zu benennen."

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    Lina Magull und der "schlimme" Schritt des Selbsteingeständnisses

    "Als die Gedanken dann so ausgeartet sind, dass ich gar keinen Sinn mehr im Leben gesehen habe", sei ihr bewusst geworden, dass sie "was machen muss". Der Schritt, sich in einer Klinik in Behandlung zu begeben, sei deshalb so schlimm für Magull gewesen, "weil ich eigentlich so ein lebensfreudiger Mensch bin."

    Sie habe zunächst nicht akzeptieren können, dass sie diesen Schritt machen muss. Es habe sich "falsch angefühlt", sie habe immer noch gedacht, dass sie nicht so wie die anderen Patienten sei. Nach zwei Wochen aber sei sie an den Punkt gekommen, an dem sie ihre Krankheit akzeptiert habe. "Ja, ich habe eine Depression. Eine schwerwiegende Depression und das ist okay. [...] Und ab da habe ich mich von Tag zu Tag wirklich sehr gut entwickelt", stellte Magull fest.

    Nach sechs Wochen habe sie die Klinik dann wieder verlassen, "mit vielen tollen Erkenntnissen und tollen Menschen, die ich vor Ort kennengelernt habe. [...] Das hat mich so viel gelehrt. Und ja, ich bin wirklich froh, dass ich dort gewesen bin."