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27. Juli 2025
Europameisterschaft der Frauen
England
Spanien
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England vs Spanien

Mehr Glück als Klasse? Drei Dinge, die bei Englands Triumph über Spanien auffielen

England ist Europameister und schlägt Spanien im Elfmeterschießen. Drei Dinge, die bei der Titelverteidigung der Lionesses auffielen.

England schlägt Spanien im Finale der Europameisterschaft. In einem packenden Spiel und schließlich im Elfmeterschießen gelingt den Lionesses die Titelverteidigung.

Obwohl Spanien lange wie das deutlich bessere Team wirkte, konnte der Weltmeister seine Führung nicht über die Ziellinie bringen. Während die Engländerinnen bei diesem Turnier Qualitäten entdeckt haben, die sie zuvor nicht brauchten. Drei Dinge, die auffielen.

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    Spanien beeindruckend - aber nicht unschlagbar

    Spaniens Dominanz ist begeisternd und beängstigend zugleich. Nach einer kurzen Anfangsphase, in der England das Finale ausgeglichen gestalten konnte, lief die Passmaschine warm. Die Engländerinnen sahen in der ersten Halbzeit wenig vom Ball und schafften es auch nicht, offensiv für Entlastung zu sorgen. Nahezu chancenlos mussten Sarina Wiegmans Spielerinnen mit ansehen, wie Spanien sie herspielte.

    Eigentlich war es nur das Warten darauf, dass Spanien nach dem 1:0 auch auf 2:0 erhöht. Doch so übermächtig Spanien in seiner Spielanlage und mit seinem hochattraktiven Spiel nach vorn auch scheint, hinten lässt man immer etwas zu. So hatte Deutschland im Halbfinale drei, vier gute Chancen, gegen den Spielverlauf zu treffen und die Weltmeisterinnen aus dem Turnier zu werfen. England gelang genau das: ein Tor gegen den Spielverlauf. Das 1:1 erwischte Spanien kalt.

    Anschließend war das Spiel offener. England arbeitete und kämpfte sich in die Partie, die Spanierinnen bekamen vorn nicht mehr die Durchschlagskraft auf den Rasen, die sie in den ersten 45 Minuten noch hatten. Sie verloren die Kontrolle über etwas, das sie fest im Griff hatten. Das macht die Niederlage letztlich nochmal bitterer aus spanischer Sicht.

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    Hat England den Peak überschritten?

    Trotz des Titelgewinns muss sich England neu sortieren. Wirklich überzeugend waren die Leistungen bei der Europameisterschaft nicht, auf dem Weg ins Finale brauchte es immer wieder Jokertore und auch das Quäntchen Glück. Auch gegen Spanien war es mehr Kampf und letztlich auch Zufall, als einem Top-Team lieb sein kann.

    Anders als in den Jahren zuvor hat das Spiel der "Three Lionesses" an Souveränität verloren. Positiv unterstellen kann man ihnen, dass sie kämpferisch nochmal zugelegt haben und einige Probleme durch Willenskraft und physische Wucht kaschieren konnten. Anders wäre dieser Finaleinzug kaum möglich gewesen. Auch gegen Spanien gelang es ihnen ab der zweiten Halbzeit, das gegnerische Spiel durch eine harte sowie aggressive Zweikampfführung zu zerstückeln, den Spanierinnen den Rhythmus zu nehmen.

    So wichtig dieser Teil des Fußballs ist, so klar ist aber, dass die Engländerinnen fußballerisch für die kommenden Turniere wieder zulegen müssen. Es scheint, als wäre das Team über dem Zenit. Was beim Blick auf das Alter der Spielerinnen überrascht. Nur vier Spielerinnen im Kader sind über 30 Jahre alt. Dass es trotz der Probleme für eine so erfolgreiche EM gereicht hat, spricht dennoch für die enorme Qualität im Team.

    Gleichzeitig aber auch für Sarina Wiegman, die abermals unter Beweis gestellt hat, wie gut sie ist. Von umstrittenen Personalentscheidungen wie Torhüterin Hannah Hampton, die nun zur Final-Heldin wurde, bis hin zu Anpassungen während des Turniers, um den Stotterstart möglichst zu korrigieren. Auch für sie wird es aber eine riesige Herausforderung, die jetzt auf sie wartet. Denn England ist keinesfalls so stark, wie es der EM-Triumph vermuten ließe.

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    Das Konzept Verlängerung sollte hinterfragt werden

    Was diese Partie ebenfalls gezeigt hat: Verlängerungen sind überbewertet. 30 Minuten Fußball, die immer schlechter werden, je weiter das Turnier fortgeschritten ist. Ein fußballerisch sehenswertes Spiel verkam nach der regulären Spielzeit zu einem Abnutzungskampf.

    Ungenauigkeiten, Angst vor dem großen Fehler, der alles entscheiden könnte, wenig Tempo – selbst die meisten Fans dürften sich bereits auf das Elfmeterschießen gefreut haben. Und selbst wenn in diesen 30 Minuten Extrazeit noch etwas passiert wäre, wäre es vermutlich ein unwürdiges Ende für dieses Finale gewesen.

    Ob man nun die Lotterie der Müdigkeit oder die des Elfmeterschießens entscheiden lässt, spielt aus der Perspektive der sportlichen Entscheidung kaum eine Rolle. Die Verlängerung entweder deutlich zu verkürzen oder gleich ins Elfmeterschießen zu gehen, würde den Unterhaltungsfaktor deutlich erhöhen. Was ist im Fußball schon dramatischer, als ein Elfmeterschießen? Zumal das Duell vom Punkt zu oft auf Glück und Pech reduziert wird. Hier steckt deutlich mehr Qualität drin, als oftmals angenommen wird – und in diesem besonderen Fall deutlich weniger Qualität als man solchen Weltklasse-Teams zutrauen würde.

    Dass solche Spiele auch gern mal erst um 20 Uhr oder noch später angepfiffen werden, ist ein weiterer Grund. Von einer derartigen Reform würden wohl alle profitieren. Die Belastung der Spielerinnen wird geringer, der Unterhaltungsfaktor für Zuschauerinnen und Zuschauer wird größer und die Längen, die der Fußball mit sich bringt, werden reduziert. Auch dieses Finale hätte die Verlängerung nicht gebraucht.