Nani Ricardo Quaresma Portugal European Championship 25062016Getty Images

Nani und Quaresma: Im Schatten des Großmeisters

"Er hat sie alle zum Schweigen gebracht", sagte Nani nach Portugals abschließendem Gruppenspiel gegen Ungarn. Wen er meinte, dürfte klar sein. Cristiano Ronaldo war es, der die Portugiesen mit seinem Doppelpack beim 3:3 zum Vorrunden-Finale im Turnier hielt - und die Kritiker damit verstummen ließ.

Der Superstar von Real Madrid steht auch in der Landesauswahl über allem. Und doch hat er bei dieser EURO in der Offensive vielleicht so gute Unterstützung wie lange nicht mehr. Weil zwei, die in der Vergangenheit häufig nur als schlechte Kopien von CR7 abgetan wurden, plötzlich auftrumpfen. Jeder auf seine ganz eigene Art.

Vor allem Nani ist für Portugal derzeit vielleicht so wertvoll wie nie. Der 29-Jährige spielt bereits seine dritte EM - ein Tor war ihm bei seinen ersten beiden Teilnahmen nicht gelungen. In Frankreich steht er nun schon bei zwei Treffern, netzte beim 1:1 gegen Island sowie beim 3:3 gegen Ungarn.

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Nani verdient sich das Spotlight

Effektivität, die der so begnadete Ballartist sonst häufig vermissen ließ. Seine Dribblings, seine Tricks, sein gesamter Bewegungsablauf erinnern stark an Ronaldo. Wie der Real-Star kommt er aus Sportings Jugend, wurde vor allem zu Beginn seiner Karriere häufig mit CR7 verglichen. Dessen Schatten konnte er aber nie verlassen.

Das wird er wahrscheinlich auch nicht mehr. Und doch ist das Spotlight diesmal zumindest etwas mehr auch auf Nani gerichtet. Beim leistungsmäßig enttäuschenden Achtelfinal-Triumph über Kroatien war er es, der mit immerhin zwei Torschüssen noch die meiste Gefahr ausstrahlte. Später spielte Nani per Außenrist den öffnenden Pass auf Ronaldo, dessen abgewehrten Versuch schließlich Ricardo Quaresma zum Siegtreffer über die Linie drückte.

Nicht CR7, sondern Nani war bei der EM bisher der beständigste Offensivakteur der Portugiesen. Extrem wichtig für die Elf von Trainer Fernando Santos, der allzu häufig die große Abhängigkeit von Ronaldo zum Verhängnis wurde. Potenziell waren immer Akteure da, die in die Bresche hätten springen können. Diesmal rufen sie ihr Können auch ab.

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Quaresma ist ebenso ein solcher Fall. Der 32-Jährige, mit ähnlichen Anlagen wie Nani ausgestattet, war eigentlich längst als ewiges Talent abgestempelt. Bei der EM vor vier Jahren in Polen und der Ukraine stand er zwar im Aufgebot, kam aber keine Minute zum Einsatz. Dass er für Portugal je wieder eine bedeutende Rolle spielen würde, schien bereits abgehakt.

Der "andere Ronaldo" ist zurück

Nach einer starken Saison mit Besiktas inklusive Gewinn der türkischen Meisterschaft, ist Quaresma aber wieder zurück. In der Vorbereitung auf das Turnier glänzte er, traf unter anderem traumhaft im Test gegen Estland. Dennoch durfte er bei der EURO bisher nur im zweiten Gruppenspiel gegen Österreich von Beginn an ran, enttäuschte allerdings.

Eindeutig wirkungsvoller war Quaresma aber als Joker. Das so wichtige Ronaldo-Tor zum 3:3 gegen Ungarn entsprang seiner Maßflanke, im Achtelfinale gegen die Kroaten staubte er zum Sieg ab - und war nach seiner Einwechslung ein belebendes Element in der Verlängerung, schlug in gut 30 Minuten Einsatzzeit immerhin noch vier Flanken.

Und, was ihn für den weiteren Turnierverlauf besonders wertvoll macht: Er kann mit seinem ausgeprägten Gefühl für den Raum, seiner Spielintelligenz sowie seinen herausragenden Fähigkeiten im Eins-gegen-Eins die gegnerischen Defensive aufreißen, in die Breite ziehen - und so Ronaldo oder Nani Torgelegenheiten ermöglichen.

Der "andere Ronaldo" wurde Quaresma einst genannt. Ebenso wie bei Nani waren die Parallelen zum Großmeister des portugiesischen Fußball stets unverkennbar. Vielleicht auch deshalb setzte sich Ronaldo 2014 dafür ein, Quaresma eine neue Chance in der Nationalelf zu geben.

Diese scheint jener im gereiften Alter nun zu nutzen. Und da für Nani das Gleiche gilt, muss Ronaldo die kritischen Stimmen aus dem Heimatland längst nicht mehr nur auf eigene Faust verstummen lassen.

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