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Frankreich vor der Heim-EM: Problemzone Innenverteidigung?

"Die Offensive gewinnt Spiele", lautet der erste Teil eines gemeinhin bekannten Sprichwortes. Jackpot für Frankreich, angesichts der Spieler, die das Team von Trainer Didier Deschamps im angreifenden Part zur Verfügung hat. Paul Pogba, Kingsley Coman, Anthony Martial, Antoine Griezmann, Dimitri Payet, Andre-Pierre Gignac, Olivier Giroud. Klangvolle Namen, die das Potenzial haben, bei der Heim-EM zu glänzen.

Der zweite Teil erwähnten Sprichworts schmeichelt der Grande Nation derzeit allerdings nicht so. "Die Defensive gewinnt Titel", besagt jener. Eben das ist das Ziel der Franzosen: Am 10. Juli in Paris den EM-Pokal in die Höhe zu stemmen. Dass es dafür im Abwehrzentrum an Substanz fehlen könnte, versetzt momentan ein ganzes Land in Sorge.

Drei Innenverteidiger, die ihren Platz im Kader Deschamps' wohl sicher gehabt hätten, werden beim Highlight des Sommers nicht mit von der Partie sein. Raphael Varane und Jeremy Mathieu sind verletzt, Mamadou Sakho fehlt aufgrund des um ihn entsponnenen Doping-Skandals.

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Varane der bitterste Ausfall

Varane ist sicherlich der Ausfall, der am schwersten wiegt. Wegen einer Oberschenkelblessur wird der 23-Jährige von Real Madrid nicht rechtzeitig fit. Schnelligkeit, Stellungsspiel und seine Fähigkeiten im Spielaufbau sahen Varane eigentlich als Partner des gesetzten Laurent Koscielny vor. Sein favorisiertes Duo muss Deschamps nun also umbauen.

Mathieu kommt dafür verletzungsbedingt nicht infrage, der 32-jährige Barca-Profi ist nach Meniskuseinriss im rechten Knie auch nicht rechtzeitig einsatzbereit. Sakho wäre dies, kommt aber - obwohl seine Dopingsperre gerade frisch abgelaufen ist - ebenfalls nicht infrage. Auf die Frage, ob er darüber nachgedacht habe, den Liverpooler doch noch zu berufen, antwortete Deschamps am Sonntag mit einem klaren Nein: "Das wäre respektlos den anderen Spielern gegenüber", erklärte er.

Diese anderen Spieler, die nun dazu auserkoren sind, an Koscielnys Seite innen zu verteidigen, sind Sevillas Adil Rami, der anstelle von Varane berufen wurde, Lyon-Talent Samuel Umtiti, der Mathieus Kaderplatz einnimmt, sowie Manchester Citys Eliaquim Mangala. Drei Kandidaten, die vor Wochen aber noch recht weit davon entfernt schienen, beim Turnier im Heimatland tatsächlich eine bedeutende Rolle zu spielen.

Rami, der mit 30 Jahren deutlich erfahrenere der beiden Nachnominierten, hatte seine beste Zeit eigentlich schon hinter sich. Sein bis dato letztes Länderspiel absolvierte er im Juni 2013, im Kader von Les Bleus stand er zuletzt im September 2013. Zwar hat er mit Sevilla eine gute Saison inklusive Europa-League-Titel hinter sich, sein Verhältnis zu Deschamps scheint aber eigentlich belastet.

Rami: Erst trotzig, dann berufen

Nachdem der Coach ihn zunächst nicht in das vorläufige Aufgebot berief, reagierte Rami gegenüber RMC trotzig. "Ich habe den Eindruck, dass er mich für keinen guten Jungen oder gar einen Schläger hält. Fußballerisch sehe ich keinen Grund, warum ich nicht bei der EURO bin", hatte er geklagt. Deschamps indes, letztlich doch auf Rami zurückgreifend, will diese Zitate jedenfalls nicht zu hoch hängen. "Es gibt nichts, dass mich daran stört", wiegelte er ab.

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Rami kam zunächst entgegen, dass er Rechtsfuß ist. Denn mit Mangala und ursprünglich Mathieu hatte Deschamps bereits zwei zentrale Verteidiger mit starkem linken Fuß, daher ersetzte er Varane mit Rami. Erst als auch Mathieu ausfiel, kam dann Linksfuß Umtiti ins Spiel. Der, obwohl sich in Lyon prächtig entwickelnd und angeblich bei Barca auf dem Zettel, hat auf höchstem internationalen Niveau jedoch kaum Erfahrung, ist zudem noch ohne einziges A-Länderspiel.

So ist Mangala, der hinter Koscielny und Varane ohnehin an Nummer drei in der Innenverteidiger-Hierarchie stand, der aussichtsreichste Kandidat dafür, einen EM-Stammplatz zu ergattern. Der 25-Jährige hat allerdings eine eher durchwachsene Saison bei den Citizens hinter sich.

Keine Optimal-Lösung in Sicht

Zwar meist Stammkraft, jedoch gegen Gegenpressing-Monster a la Liverpool mitunter sehr unsicher, fällt er gegenüber Varane qualitätsmäßig ab. Weiteres Problem: In seinen ohnehin erst sieben Einsätzen für Frankreich absolvierte Mangala lediglich drei Halbzeiten gemeinsam mit Koscielny, die Abstimmung dürfte demnach keineswegs reibungslos funktionieren. 

Hinzu kommt, dass Frankreich auch auf den defensiven Außenbahnen Probleme hat. Links ist Patrice Evra gesetzt - ein Mann mit Klasse, keine Frage. Aber inzwischen eben auch in die Jahre gekommen. Vor allem rechts sind die Sorgen aber groß, verkörpern die ebenfalls bereits 33 beziehungsweise 32 Jahre alten Bacary Sagna und Christophe Jallet keineswegs höchstes Niveau.

Umso wichtiger wäre ein eingespieltes und vor allem sattelfestes Innenverteidiger-Duo. Dass Deschamps ein solches bis zum Turnierauftakt noch bastelt, steht vor dem Test gegen Kamerun am Montagabend (21 Uhr im LIVE-TICKER) aber spürbar auf der Kippe.

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