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Talisca bei Besiktas: Gekommen, um zu bleiben


HINTERGRUND

Estadio da Luz zu Lissabon, wir schreiben den 13. September 2016. Es läuft die 93. Spielminute, der Ball ruht auf dem saftigen Grün der altehrwürdigen Spielstätte, zu Gast ist an diesem Champions-League-Abend Besiktas aus Istanbul. Ausgerechnet Talisca, erst vor wenigen Wochen von den Portugiesen auf Leihbasis an den Bosporus gewechselt, soll aus dem 0:1 aus Sicht seines neuen Klubs noch den Ausgleich zaubern. Talisca schaut sich die Szenerie an, das gegnerische Tor ist rund 22 Meter entfernt. Ein Blick, kurzes Durchatmen ein herrlicher Schuss mit links über die Mauer und ein verdutzter Ederson. Grenzenloser Jubel bei der Besiktas-Delegation, Wut beim Benfica-Anhang.

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Unmut, der sich nach der Begegnung in den sozialen Netzwerk kanalisiert. Zahlreiche Hasskommentare muss Talisca über sich ergehen lassen, selbst seine Tochter und Frau Anna Paula werden virtuell angefeindet, gar rassistisch beschimpft. Manch einer bezeichnet die Talisca-Familie als "Affen", ein User schreibt: "Ich hoffe, du stirbst", ein anderer tituliert den Edeltechniker als "Hund und Müll". Nicht unbedingt eine einladende Atmosphäre, keine Wohlfühlzone, in die man als Spieler gerne zurückkehrt. Genau das muss Talisca allerdings im kommenden Sommer, sofern die Karakartallar die Kaufoption über 21 Millionen Euro nicht ziehen.

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Talisca Besiktas GFX

"Ich möchte nicht zu Benfica zurückkehren und würde alles tun, um hier zu bleiben", ließ Talisca jüngst in einem Interview mit O Jogo durchblicken. Er führt weiter aus: "Meine Familie und ich sind glücklich in der Türkei und ich wünsche mir, für viele Jahre hier zu bleiben. Könnt Ihr die Kaufoption bitte ziehen?" Das nötige Geld wäre beim Traditionsverein durchaus vorhanden, ließ Besiktas doch erst im Winter Cenk Tosun für 22 Millionen Euro in Richtung Everton ziehen. Die Leihgebühr von vier Millionen Euro für die beiden Spielzeiten miteingerechnet, beliefe sich ein fixer Deal insgesamt also auf 25 Millionen Euro, was Talisca zum Rekordtransfer der türkischen Süper Lig avancieren ließe.

Talisca wird am 01. Februar 1994 als Anderson Souza Conceicao in Feira de Santana, einer Großstadt im brasilianischen Bundesstaat Bahia, geboren. Als 15-Jähriger schließt sich der groß gewachsene, technisch versierte Offensivmann der Nachwuchsabteilung des EC Bahia an, wo er fortan sämtliche Jugendmannschaften durchläuft. Vier Jahre später feiert er sein Liga-Debüt für die erste Mannschaft, nur eine Woche später erzielt der Hoffnungsträger gegen den FC Sao Paulo den ersten Treffer im brasilianischen Oberhaus.

Wechsel zu Benfica

Schon nach seiner Premierensaison stehen sämtliche Klubs aus Europa Schlange, wollen Talisca über den Großen Teich lotsen. Letztlich gewinnt der portugiesische Rekordmeister das Rennen und überweist rund viereinhalb Millionen Euro nach Brasilien.

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Dass die Scouting-Abteilung der Iberer da ein echtes Ausnahmetalent erspäht hat, wird recht schnell deutlich: Schon beim vierten Auftritt Taliscas in der portugiesischen Beletage gelingt dem U20-Nationalspieler ein Dreierpack gegen Setubal, nach neun Spieltagen stehen acht Saisontreffer zu Buche. Auch in der Champions League gelingt zwischenzeitlich das erste Tor. Beim 1:0-Erfolg der Adler über die AS Monaco schießt Talisca den ersten und einzigen Sieg in der Königsklasse heraus. Das zweite Jahr an der Atlantikküste läuft dann aus persönlicher Sicht weniger gut für den Offensivmann, der häufiger nur zweite Wahl ist, lediglich viermal in der Liga über die volle Distanz zum Einsatz kommt.

Transfer nach England platzt

Benfica-Trainer Rui Vitoria, offenbar kein großer Freund Taliscas, plant in der darauffolgenden Runde gar nicht mehr mit dem Allrounder, setzt ihn im Vorfeld der Saison 2016/17 in keinem Testspiel ein. Gerüchte um einen Wechsel nach China machen die Runde, auch die Wolverhampton Wanderes, Zweitligist aus England, bekunden Interesse. Die Gespräche mit den Wolves ziehen sich lange hin, Benfica fordert 25 Millionen Euro für Talisca, dessen Star-Berater Jorge Mendes ebenfalls in die Verhandlungen involviert ist.

Talisca Besiktas BenficaGettyTalisca nach seinem Freistoß-Treffer gegen Benfica

Dann, wider Erwarten, platzt der Wechsel auf die Insel doch noch. Kurz vor Ablauf des Transferfensters dann also das Geschäft mit Besiktas, wo Talisca auf der Stelle einschlägt, sich nach kurzer Zeit allerdings einen Mittelfußbruch zuzieht, der ihn einige Wochen außer Gefecht setzt. Mit 13 Liga-Toren in 22 Spielen hat der Neuankömmling dennoch erheblichen Anteil am Meistertitel der schwarzen Adler.

Außenseiter gegen den FC Bayern

Mittlerweile hat Talisca sich bei Besiktas zum absoluten Leistungsträger entwickelt, ist alleine in der Champions League für vier von elf Treffern verantwortlich. Die Gruppe mit Leipzig, Monaco und Porto schließt der türkische Vertreter als Gruppenerster ab. Im Achtelfinale treffen die Istanbuler auf den Mitfavoriten auf die Krone, den FC Bayern.

Während die Bild-Zeitung den Münchnern nach der Auslosung attestiert, man habe den mit Abstand leichtmöglichsten Gegner gezogen, hoffen die Besiktas-Fans auf die große Überraschung – und auf einen Talisca in Bestform. Auf einen Talisca, der sich die Kugel zurechtlegt, aufblickt, durchatmet und sie maßgeschneidert in den Winkel zirkelt. Macht er jedenfalls so weiter, werden die Besiktas-Verantwortlichen um Präsident Fikret Orman nicht weiter überlegen, sondern die fällige Summe auf den Tisch legen.

Dann muss Talisca auch nie wieder nach Benfica zurück, nie wieder dorthin, wo man ihn bisweilen als „Affe, Hund und Müll“ tituliert – und manch ein verirrter Social-Media-Rambo ihm sogar den Tod wünscht.   

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