Shkodran Mustafi Germany Euro 2016Getty Images

Shkodran Mustafi: "Nicht das, was wir spielen wollten"

Shkodran Mustafi kam als Erster und ging als Letzter. Nach seinem Premierentreffer im Dress der deutschen Nationalmannschaft und dem erfolgreichen EM-Auftakt gegen die Ukraine nahm sich der Defensivspezialist vom FC Valencia in der Mixed Zone mehr Zeit als jeder andere Spieler.

Geduldig beantworte Mustafi in den Katakomben des Stade Pierre Mauroy die Fragen der Journalisten.

Shkodran, Ihnen ist im Auftaktspiel der EM der wichtige Führungstreffer gelungen. Hatten Sie sich das Spiel genau so ausgemalt?

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Shkodran Mustafi: Malen kann ich sowieso nicht. (lacht) Für mich war es wichtig, meinen Teil zum Spiel beizutragen. Es ist ein schönes Gefühl, von Trainer und Mannschaft das Vertrauen zu erhalten. Das wollte ich zurückgeben.

Fühlen Sie sich gerade auch ein Stück weit erleichtert ob des positiven Ausgangs?

Mustafi: Ich bin einfach glücklich über den Sieg. Es ist eine Riesen-Anspannung. Man bereitet sich lange auf so ein Turnier vor, es wird viel geschrieben, viel kommentiert, jeder hat seine Meinung. Man muss das alles ausblenden und sich auf das fokussieren, was bevorsteht. Das ist für uns oftmals nicht einfach. Wir alle haben aber unseren Job erledigt.

War es ein typisches Auftaktspiel? 

Mustafi: Ich weiß nicht, wie man sich so ein typisches Auftaktspiel vorstellt, es war aber auf jeden Fall nicht einfach. Vor dem ersten Spiel ist sehr viel Druck da. Es ist sehr wichtig für die Mannschaft, da es auch wegweisend ist. Daher war es auch wichtig, heute zu gewinnen. 

Es war Ihr erstes Länderspieltor. Wie viel Adrenalin ist noch im Körper?

Mustafi: Ich freue mich mehr über das Ergebnis und darüber, dass ich meinen Part in der Defensive erfüllt habe, das sage ich ganz ehrlich. Wenn man noch mit einem Tor helfen kann, ist es besonders schön.

Was sagen Sie zu Bastian Schweinsteiger? Er wurde in der 90. Minute eingewechselt und schießt gleich das 2:0. 

Mustafi: Das würde ich auch mal gerne machen. (lacht) Es hört sich so einfach an: Reinkommen, Tor schießen. Es gehört aber ganz viel Wille dazu, nach einer Verletzung zurückzukommen und in so einem wichtigen Spiel im letzten Moment konsequent zu bleiben und das Tor zu machen. Es freut mich natürlich riesig für Basti.

Gegen Polen kann es schon um den Gruppensieg gehen. Haben Sie schon eine Vorstellung, was Sie da verbessern müssen? In der ersten Halbzeit hatten Sie Probleme. 

Mustafi: Es war zwischenzeitlich einfach ein offenes Spiel. Es ist schwierig zu sagen, dass die Organisation nicht gut war. Für mich ist es jetzt sehr schwer, das zu beurteilen. Auf dem Platz macht man Fehler schließlich nicht absichtlich. Wir werden uns die Videos anschauen und beurteilen, was wir gut und was wir nicht so gut gemacht haben und wo wir uns verbessern müssen. Wir sind eine Mannschaft, die immer dafür offen ist, an sich zu arbeiten. Wir haben aber in der ersten Halbzeit einige Chancen zugelassen, so ehrlich kann man schon sein.

In der Schlussviertelstunde der ersten Halbzeit wurde die Ukraine immer wieder gefährlich. Was war da los?

Mustafi: Wie gesagt: Zwischenzeitlich war es offen, es ging von Strafraum zu Strafraum. Das ist nicht das, was wir spielen wollten. Nichtsdestotrotz ist es schwierig, dann das Tempo herauszunehmen, weil viele Emotionen im Spiel sind. Man gewinnt den Ball, hat nicht die Geduld, um den Ball zu halten, sondern will direkt nach vorne spielen und ein Tor erzielen. Da spielen viele Faktoren eine Rolle. 

Sie hatten angekündigt, am Verteidigen von Standardsituationen arbeiten zu wollen. Dennoch kam die Ukraine nach Ecken mehrfach zu Chancen. Warum?

Mustafi: Chancen kommen immer zustande. Ob nach Standardsituationen oder aus dem Spiel heraus. Ich weiß nicht, ob man das negativ oder positiv sehen sollte. Wenn man viele Chancen aus dem Spiel heraus zulässt, hat man schlecht gespielt. Wenn man nur durch Standards Chancen zulässt, ist es die Standard-Scheiße. Vielleicht sollte man es auch positiv sehen, dass nur durch Standards Chancen zugelassen wurden, was vielleicht heißt, dass wir im Spiel gut standen. Im Endeffekt haben wir 2:0 gewonnen. Das will ich jetzt genießen, denn dafür ist während so einem Turnier nicht viel Zeit.

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Jerome Boateng hat unheimlich viele Zweikämpfe gewonnen. Wenn man ihn als Nachbarn hat, kann man sich sicher sein, dass keiner einbricht, oder?

Mustafi: Es sei denn, er selbst bricht ein - aber so ein Typ ist er nicht. Im Ernst: Wenn man in so einer Mannschaft aushilft und neben Jerome spielen darf, der Dich auch führt und ein Vorbild ist, ist es für mich einfacher und erleichternd.

Sie sprechen von "aushelfen". Wie beurteilen Sie Ihre Perspektive?

Mustafi: Ich bin hier, um zu helfen. Ich freue mich, wenn der Trainer mir in so einem wichtigen Spiel sein Vertrauen schenkt, weiß aber auch, dass die Qualität in der Mannschaft sehr hoch ist. Es war schon schwierig, vier Spieler aus dem vorläufigen Kader zu streichen. Jetzt sind wir immer noch 23 Spieler, es gibt aber nur elf Plätze. Dennoch wissen wir, dass jeder Spieler brennt, wenn er reinkommt. Wichtig ist einzig der Erfolg der Mannschaft. Wenn wir das Turnier gewinnen, sind wir alle Europameister.

Sie haben in den beiden Testspielen nicht gespielt. Wie schwierig war es für Sie, ins Turnier reinzukommen?

Mustafi: Schön, dass Sie fragen. Denn viele Leute sehen das gar nicht. Es ist nicht einfach, wenn man nicht spielt und dauernd auf seine Chance wartet. Plötzlich kommt sie. Bei mir war das bei der WM und jetzt auch bei der EM der Fall. Ich will sie weiter nutzen, denn ich fühle mich noch jung und ich habe das Gefühl, dass ich noch weiter lernen kann.

Wie gehen Sie mit dem Druck um?

Mustafi: Den teile ich mit der Familie. Die nimmt ihn mir immer.

Aber die ist gerade nicht hier vor Ort.

Mustafi: Die Familie ist trotzdem da. WhatsApp, Facetime und so weiter: Kontakt kann man immer halten. Meine Familie ist immer da, wenn ich sie brauche. Nach der WM gab es genug Leute, die mich kritisiert haben. Da hat mir meine Familie geholfen.

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