Josh McEachran FC Chelsea Manchester CityGetty

Ex-Chelsea-Juwel Josh McEachran: Bitter Sweet Symphony


HINTERGRUND

Die ersten dezenten Töne eines Streichorchesters bahnen sich ihren Weg in den Gehörgang, werden in der Folge lauter, ohne aufdringlich zu klingen. Bass, Gitarre, Schlagzeug, kurz bevor Richard Ashcroft, Sänger der Britpop-Band The Verve, einstimmt: "Cause it’s a bitter sweet symphony, this life" – "denn dieses Leben ist eine bittersüße Sinfonie". Eine populäre Passage, die in ihrer Kürze von Aufstieg und Fall, von Reue und Kognition erzählt. Erfahrungen, die Josh McEachran – verpackt in ebenjene Zeile – selbst zum Besten geben könnte.

Als Sohn schottischer Eltern in der berühmten Universitätsstadt Oxford geboren, schließt er sich im Alter von acht Jahren der Jugendakademie des FC Chelsea an. Schnell wird deutlich: Das nachwuchstechnisch damals so gebeutelte Königreich hat endlich einen neuen Hoffnungsträger. Experten und Trainer prophezeien dem Mittelfeldmann eine goldene Zukunft, ragt er doch in den Auswahlmannschaften der Blues sowie in Englands U-Teams stets heraus.

Dass letztlich alles anders, alles weniger pompös kommen sollte, McEachran statt an der Stamford Bridge im wenige Kilometer westlich gelegenen Griffin Park zu Brentford sein Geld verdienen würde, ist vor sieben Jahren noch undenkbar.

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Josh McEachran FC Chelsea Manchester CityGettyJosh McEachran im Duell mit ManCitys Emmanuel Adebayor

"Als ich 16 Jahre alt war und bei Chelsea auf dem Sprung in die erste Mannschaft, kam mein Berater zu mir und sagte: 'Real Madrid will Dich'", erklärt McEachran im Gespräch mit dem Telegraph und schwelgt in Erinnerungen: "Das ist unglaublich, oder? Sie hatten schon einen unterschriftsreifen Vertrag aufgesetzt und mich samt meiner Familie einbestellt." Neben den Königlichen buhlt zu diesem Zeitpunkt auch Rekordmeister Manchester United um die Dienste des Shootingstars, der sich für einen Verbleib bei seinem Heimatklub entscheidet. Trotz aller Avancen aus dem In- und Ausland: "Ich habe ihnen gesagt, dass ich bei Chelsea bleiben möchte. Ich war großer Chelsea-Fan."

Tatsächlich entpuppt sich die Absage zunächst als richtige Entscheidung. Mit Trainer Carlo Ancelotti hat der ballsichere und technisch versierte Regisseur einen großen Fan, Förderer, Fürsprecher. Der Italiener ist es auch, der McEachrans herausragende Entwicklung mit ersten Einsätzen bei den Profis honoriert. "Ich habe daran geglaubt, es bei Chelsea zu packen. Als Ancelotti dann auch wirklich auf mich gesetzt hat, sagte ich zu mir selbst: 'Ah, es war richtig, Real Madrid abzusagen‘", erklärt der mittlerweile 24-Jährige.

"Unter Carlo spürte ich Vertrauen"

"Ich denke heute immer noch, dass ich mit 17 oder 18 gut genug war, um für Chelsea zu spielen. Du musst besonders als junger Spieler Vertrauen spüren. Genau das spürte ich unter Carlo. Ich ging aufs Feld und wusste, dass der Coach hinter mir steht", erklärt McEachran, dessen Karriere retrospektiv mit Ancelottis Rausschmiss im Mai 2011 ihren größten, irreversibelen Knick erhält. Chelsea-typisch wird das Eigengewächs verliehen, um mehr Spielzeit zu sammeln. "Ich ging zu Swansea, wo es überhaupt nicht lief, dann kam ich zu Chelsea zurück und machte die Vorbereitung mit. Im Anschluss wurde ich nach Middlesbrough ausgeliehen. Dort absolvierte ich immerhin 40 Spiele, wusste nach der Saison aber nicht, wo ich als nächstes spielen würde", erinnert sich der 15-fache U21-Nationalspieler im Telegraph-Interview weiter.

Über abermalige Leihen bei Watford und Wigan kehrt McEachran erneut zum CFC zurück. Wieder fehlt die Perspektive, endlich den Durchbruch bei seinem Ausbilderverein zu schaffen. "Ich habe damals von mir aus gesagt, dass ich nicht glaube, Jose Mourinhos gewünschtem Spielertyp zu entsprechen", verrät er. Bei Vitesse Arnheim, gemeinhin als Entwicklungs-Zwischenstation für Chelsea-Youngster bekannt, reißt McEachran ebenfalls keine Bäume aus, im Sommer 2015 folgt der fünfte Anlauf beim Hauptstadtklub, wo weiterhin Mourinho die Geschicke an der Seitenlinie leitet.

Der Abschluss des Chelsea-Kapitels

"Er hat nie kundgetan, dass er mich loswerden will, aber als man mir erklärte, dass ich schon wieder verliehen werden soll, wusste ich endgültig, dass es vorbei war. Ich war ja keine 17 mehr, sondern 21", sagt McEachran. "Das war letztlich der Punkt, an dem ich entschied, dass ich das Kapitel abschließe und versuchen sollte, bei einem anderen Klub glücklich zu werden. Ich traf mich mit dem Brentford-Manager und es fühlte sich gleich richtig an. 15 Jahre lang nahm Chelsea einen elementaren Teil meines Lebens ein. Deshalb war es ein komisches Gefühl, erstmals nicht zurückzukehren."

McEachran vs Loftus-Cheek Brentford ChelseaGettyMcEachran kämpft gegen Chelseas Ruben Loftus-Cheek um die Kugel

Beim Zweitligisten hat das einstige Wunderkind zwar seine fußballerische Heimat gefunden. Das Was-Wäre-Wenn beschäftigt McEachran aber nach wie vor. "Vielleicht wäre ein Wechsel zu Real Madrid damals der bessere Schritt gewesen", gesteht er sich ein. Worte, die einen Hauch von Verbitterung versprühen. Gedankengänge, die selbstverständlich nachvollziehbar sind, schaut man sich die Laufbahn an, die so vielversprechend begonnen hatte und sich, am Potenzial gemessen, derart mittelmäßig schattierte.

Und so wird sie stetig leiser, die bittersüße Sinfonie, die schmerzgeschwängerte, hoffnungsvolle Stimme und die Violinen verebben mit den letzten Worten der Einsicht: "I can’t change", – "Ich kann mich nicht ändern". Zumindest nicht mehr. 

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