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Thomas Müller beim FC Bayern München: Plötzlich verzichtbar


HINTERGRUND

Thomas Müller lachte herrlich hämisch, nachdem sich Mats Hummels mächtig eingesaut hatte. Dem Innenverteidiger war vor der Abreise nach London zum Champions-League-Spiel beim FC Arsenal ein Kaffeebecher von seinen Tupperdosen gefallen, die schwarze Suppe auf seinem schmucken Anzug gelandet. Hummels ließ den Spott nicht lange auf sich sitzen und forderte seinen Teamkollegen vom FC Bayern München prompt zu einer Challenge, bestehend aus drei Minispielen, heraus. 

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Hummels siegte im Fernschießen und Müller bei den Abschlüssen. Kürzlich wurde der dritte und letzte Teil des Duells veröffentlicht - die Disziplin: Fußballgolf. Und irgendwie wollte bei dem passionierten Golfspieler Müller kaum etwas zusammenlaufen. Erst rutschte er beim Abschlag weg, dann setzte er den Golfcart gleich zweimal in den Sand, schlussendlich verlor er die Challange knapp. Natürlich ging es bei diesem Privatduell ausschließlich um Spaß, als Parabel dient der verlorene Zweikampf dennoch. 2016/17, das ist nicht die Saison des Thomas Müller.

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Jahrelang hatte der Weltmeister als unverzichtbar gegolten. Saß er ausnahmsweise mal nur auf der Bank, hagelte es Kritik am Trainer. Anno 2017 ist es allerdings still geworden, selbst dann, wenn Müller mehrere wichtige Spiele in Folge nicht in der Startelf steht. Müller, so scheint es, ist plötzlich verzichtbar.

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Unter Carlo Ancelotti musste Müller zu Beginn der Saison vorne rechts im 4-3-3 ran. Zwar betonte der Italiener immer wieder, zu wissen, dass Müller kein Flügelspieler ist, er erklärte aber auch, dass der 27-Jährige ein so intelligenter Akteur sei, dass er dort spielen könne. Müller selbst sagte mehrfach, wo seine Stärken liegen: "Die Position hinter den Spitzen ist meine beste, das ist kein Geheimnis. Dort kommt meine Laufstärke zum Tragen. Ich kann in die Räume reingehen, mich bewegen, meinen Mitspielern helfen, Defensivarbeit leisten." Müllers Paradeposition im offensiven Mittelfeld beziehungsweise als hängende Spitze war im 4-3-3 jedoch schlicht nicht existent. 

Das van Gaal'sche Gesetz wackelt

Ende des vergangenen Jahres stellte Ancelotti sein System dann auf ein 4-2-3-1 um, und plötzlich gab es sie wieder, die Müller-Position, zentral in der offensiven Dreierreihe. Müller durfte dort zunächst ran, er war durchaus an Toren beteiligt, machte dabei aber selten eine so gute Figur wie noch unter Pep Guardiola. In den wichtigen Spielen stellte Ancelotti deshalb lieber den zwischenzeitlich herausragenden Thiago Alcantara auf die Zehn. Müller dagegen saß immer öfter auf der Bank.

Der Nationalspieler schien zwischenzeitlich gar vom Pech verfolgt. Beim 2:0-Sieg in Ingolstadt am 20. Spieltag etwa hätte seine Torflaute eigentlich enden sollen, war der Ball in der 47. Minute doch eigentlich schon im Tor. Irgendwie hatte es Martin Hansen jedoch geschafft, dem Leder einen so absonderlichen Drall zu verpassen, dass der Ball sich wie von Gotteshand weigerte, die für ihn vorbestimmte Flugbahn einzunehmen. "Piesacken von oben" nannte es Müller, der in 21 Einsätzen zwischen dem ersten und 24. Spieltag bloß einmal getroffen hatte. 

Wie ernst seine Situation war, zeigte allein die Tatsache, dass es weder intern noch extern Kritik an Ancelotti gab. Nicht, dass der erfahrene Fußballlehrer in diesem Zusammenhang etwas falsch gemacht hätte, unter Guardiola allerdings hatte eine Nicht-Nominierung Müllers für die Startelf noch zu erheblichem Gegenwind und tagelangen Diskussionen geführt. Ein Thomas Müller spielt nämlich immer. So zumindest lautet jenes ungeschriebene Gesetz, welches Louis van Gaal einst ins Leben gerufen hatte. Das plötzlich aber keinen Wert mehr zu haben schien. 

Kein Mann für die Außen oder die Neun

Positive Schlagzeilen schrieb Müller auch in der zweiten Saisonhälfte kaum. Es waren andere, die gefeiert wurden, Robert Lewandowski, Arjen Robben oder Thiago. Müller indes rückte in den Hintergrund, er wirkte teilweise verärgert, bewahrte sich aber trotz der unbefriedigenden Situation stets einen Teil seiner Lockerheit. Er betonte, dass Torkrisen leider dazu gehören, dass sie endlich seien, während ihm seine Teamkollegen zur Seite sprangen und seine Treffsicherheit im Training hervorhoben.

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Müller ist nachgewiesen ein Weltklasse-Spieler, als Spielertyp aber schwer greifbar. Er ist kein Edeltechniker wie Lionel Messi, auch kein schussgewaltiger Strafraumstürmer wie Zlatan Ibrahimovic und schon gar kein Tempodribbler wie Neymar. Als Raumdeuter hat er sich einst selbst charakterisiert, andere bezeichnen ihn gern als Freigeist. 

Im Oktober 2016 erklärte er im Goal -Interview: "Als ungewöhnlich würde ich mich nicht beschreiben. Das Einzige, was ungewöhnlich ist, ist mein Gesamtpaket, wenn man die einzelnen technischen Fähigkeiten anschaut. Ich behaupte von mir zwar schon, dass ich eine gute Technik habe, das Dribbling ist aber nicht wirklich meine Stärke. Es gibt auch Stürmer, die einen besseren Schuss haben oder schneller sind." Ungewöhnlich sei daher, "dass ich es trotz dieser vermeintlichen Schwächen in die Weltspitze geschafft habe, weil andere Dinge in meinem Spiel anscheinend so gut sind, dass es bisher für dieses Niveau gereicht hat." Dabei gehe es um Stellungsspiel, Handlungsschnelligkeit, mentale Stärke, um Vertrauen in seine Fähigkeiten und darum, zu verstehen, was die Mannschaft für den Erfolg braucht. 

Es sind Stärken, die Müller nur vollumfänglich ausspielen kann, wenn er auf seiner Position spielt. Vom rechten Flügel aus findet er die Zwischenräume zu selten, er kommt dann nicht so oft in Abschlusssituationen. Der Typ fürs Eins-gegen-Eins ist er ohnehin nicht. Als alleinige Spitze fehlt ihm wiederum vor allem die Physis, um sich auf höchstem Niveau durchzusetzen, um Bälle mit dem Rücken zum Tor zu behaupten, wie es Robert Lewandowski gerne macht. Auch ist er dort nicht so gut ins Spiel eingebunden, um das zu tun, was er am besten kann: Teamplayer sein, schnelle Doppelpässe spielen, seinen Mitspielern Freiräume schaffen. 

Müller statistisch schlechter als 2015/16

In den vergangenen drei Monaten mauserte sich Müller still und heimlich zurück zur alten Stärke, auch weil er wieder häufiger in der Zentrale spielen durfte. In 40 Pflichtspielen traf er bis heute zwar nur neunmal - 2015/16 waren es noch 32 Treffer in 49 Partien -, er legte aber starke 14 Tore auf. Die Statistik zeigt allerdings auch: In den meisten relevanten Kategorien hat er abgebaut: Er gab weniger Torschüsse ab und kreierte deutlich weniger Großchancen. Auch seine Chancenverwertung war vergangene Saison deutlich besser.

Auch Ancelotti scheint zum Ende seiner Premierensaison gemerkt zu haben, dass Müller tatsächlich nur auf dieser einen Position richtig funktioniert. Dass dort auch Thiago formidabel aufspielen kann, macht die Situation kompliziert. Gehen lassen werden die Bayern ihr Aushängeschild sicherlich nicht, sie, allen voran der Trainer, werden Müller aber wieder besser einbauen müssen. Damit er wieder jener unverzichtbare Spieler wird, der er jahrelang war. 

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