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Uruguays Sturmduo Luis Suarez und Edinson Cavani: Legenden aus der gleichen Stadt


HINTERGRUND

Es gibt sie natürlich, die Erzählungen. Die vermeintlichen Augenzeugen, die dabei gewesen sein wollen, die enthusiastisch berichten. Davon, wie zwei, die heute zu den besten Stürmern der Welt zählen, die mit Uruguay bei der WM 2018 mal wieder Großes vor haben, als kleine Jungs bereits gegeneinander gespielt haben sollen. In Salto, einer Stadt in der Provinz, im Nordwesten Uruguays.

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Salto ist zwar die drittgrößte Stadt des Landes, allerdings nicht zu vergleichen mit der von Trubel und moderner Schnelllebigkeit geprägten Hauptstadt Montevideo. Während dort gut 1,3 Millionen Menschen leben, hat Salto gerade mal etwas mehr als 100.000 Einwohner. Verlässt man das durchaus städtisch geprägte, kompakte Zentrum, wird es schnell eher ländlich hier. Der Grenzfluss Rio Uruguay schlängelt sich hindurch, am Ufer auf der anderen Seite ist schon Argentinien. Hier wurden Luis Suarez und Edinson Cavani 1987 geboren, Letzterer nur drei Wochen später als Ersterer.

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Dass ausgerechnet die beiden wahrscheinlich besten uruguayischen Angreifer aller Zeiten, auf deren Schultern auch in Russland mal wieder alle Hoffnungen ruhen, fast zeitgleich in Salto zur Welt kamen, macht die Einwohner stolz. Anfang der 1990er Jahre könnten sich die Wege von Suarez und Cavani erstmals gekreuzt haben, bei einem Jugendturnier für fünf- und sechsjährige Kinder aus Salto, das immer im Februar ausgetragen wurde.

Nacional Salto, wo Cavani seine Anfänge hatte und Deportivo Artigas, Suarez' erster Klub, spielten stets mit. Belege, dass die beiden seinerzeit tatsächlich gegeneinander spielten, gibt es zwar nicht - aber man erzählt es sich eben.

Suarez und Cavani wuchsen in ähnlichen Verhältnissen auf, Luxus kannten sie nicht. Beide Väter schufteten hart, um die Familie zu ernähren, spielten nebenbei Fußball. Luis Cavani als Stürmer bei Salto Uruguay, Rodolfo Suarez als beinharter Verteidiger bei Deportivo Arigas. Ihre Wege dürften sich im Lauf der Jahre übrigens ziemlich sicher mal auf dem Fußballplatz gekreuzt haben.

Cavani macht sich in Salto mit Toren einen Namen

Vor allem für Cavani war der Vater extrem wichtig. Der heutige Superstar von Paris Saint-Germain begleitete Papa Luis häufig zu dessen Job als Straßenarbeiter, war fast immer draußen. Ein begabter Schüler war er nie, bei seinen Klassenkameraden aber dennoch beliebt. Überliefert ist die Geschichte, dass seine Eltern es sich mal nicht leisten konnten, Cavani mit auf Klassenfahrt zu schicken. Seine Mitschüler veranstalteten daher kurzerhand Tombolas und verkauften Pasta, um genug Geld zusammenzubekommen, damit Edi doch mitfahren konnte.

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Fußball war dabei stets treuer Begleiter Cavanis. Er wechselte mehrmals den Klub, immer gefördert vom Vater. Nach und nach wurde klar, dass Cavani alle Anlagen hatte, es als Stürmer weit zu bringen, er traf in Salto, wie er wollte. Mario Souto, ein Freund der Familie, erinnerte sich mal bei ESPN an einen besonderen Treffer Cavanis für Saltos Stadtauswahl. "Ich habe es in meiner Erinnerung abgespeichert", sagte Souto. "Nach einer Flanke wurde der Ball abgewehrt. Edi lief zurück, holte sich den Ball und traf mit einem unhaltbaren Kracher über den Torwart."

Edinson Cavani Luis Suarez 2010GettyEdinson Cavani (l.) und Luis Suarez bei der WM 2010 in Südafrika

Schon mit 14 spielte Cavani bei einem Amateurklub, den sein Vater trainierte, in der ersten Mannschaft, schoss auch dort Tore. Zur gleichen Zeit wurde ein Berater auf Cavani aufmerksam, schickte ihn zu einem Probetraining beim Traditionsklub Liverpool Montevideo. Cavani überzeugte, sollte nach Montevideo wechseln. Doch er konnte nicht. Noch nicht. Er vermisste seine Familie, die Landschaft rund um Salto, die vielen schönen Vögel, die dort leben und die ihn schon als Kind faszinierten, zu sehr.

Sein Bruder Christian erlebte Ähnliches. "Ich habe auch bei Liverpool vorgespielt, habe bei Nacional und Wanderers trainiert. Aber ich habe Salto immer vermisst, bin hin- und hergependelt, bis ich irgendwann zurückkam und Salto nie wieder verließ", erzählte er. Edinson hatte rund ein Jahr nach dem Probetraining bei Liverpool dann doch den Mut, ins 500 Kilometer entfernte Montevideo zu gehen, heuerte dort beim Erstligisten Danubio an. "In dieser Hinsicht war Edi stärker als ich", gesteht sein Bruder.

Bei Danubio sollte Cavani den Durchbruch schaffen, wurde Profi - und ging kurz vor seinem 20. Geburtstag schließlich für fünf Millionen Euro nach Italien zu Palermo. Der Rest ist Geschichte, seit 2013 trifft er für PSG wie am Fließband, spielt in Russland derzeit seine dritte WM.

Doch die Heimat hat Cavani immer im Hinterkopf. "Er widmet diese Zeit seiner Karriere. Aber er denkt immer daran, zurückzukommen. Er vermisst es jeden Tag, hat es immer bei sich", betont Bruder Christian. Er lebt heute immer noch in Salto, nur einen kurzen Fußweg entfernt vom Haus von Sergio Suarez, Luis' Onkel und dessen allererster Trainer bei Deportivo Artigas. Durch den Ort, an dem sie die ersten Jahre ihres Lebens verbrachten, verbindet Cavani und Suarez, die ohnehin eine ähnliche Persönlichkeit haben, beide außerhalb des Platzes eher zurückhaltend und bescheiden sind, auf ewig etwas. Wenngleich Suarez' Weg sich von dem Cavanis doch deutlich unterscheidet.

Auf nach Montevideo: Suarez muss Salto mit sieben Jahren verlassen

Der heutige Weltklasse-Angreifer des FC Barcelona musste Salto mit sieben Jahren verlassen. Die Militärzeit seines Vaters endete, auf der Suche nach neuer Arbeit zog die Familie wie so viele ihrer Landsleute nach Montevideo. Luis wollte erst nicht mit, wollte seine Freunde nicht verlassen und blieb zunächst bei seiner Großmutter. Einen Monat später konnte er dann aber doch überzeugt werden und verließ Salto in Richtung Hauptstadt.

Die Anpassung dort, in der Millionen-Metropole, fiel ihm nicht leicht. Suarez' Eltern hatten Eheprobleme, als er neun Jahre alt war, ließen sie sich scheiden. Und statt des provinzial-gemütlichen Umfeldes in Salto, wo er unbeschwert auf der Straße Fußball spielen konnte, war er plötzlich mittendrin im harten Großstadt-Leben Montevideos. Lange mussten er und seine Geschwister durch eine der gefährlichsten Gegenden der Stadt, um zum Training zu kommen.

Suarez spielte einige Jahre für den kleineren Klub Urreta FC, ehe er in den Nachwuchs von Nacional, einem der berühmtesten Vereine von Uruguays Hauptstadt wechselte. Der Fußball gab ihm den Halt, den er familiär vermisste, seit sein Vater ausgezogen war. Doch er hatte Probleme, war eifersüchtig auf seine Mitspieler, deren Väter immer dabei waren. Eine Zeit lang verlor er deshalb sogar die Lust am Fußball, zog sich von allem zurück, flog fast aus Nacionals Akademie.

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Zwei Menschen brachten ihn jedoch zurück auf den richtigen Weg. Wilson Pirez, einer der Verantwortlichen bei Nacional, der sich liebevoll und beharrlich um Suarez kümmerte, ihn und seine Familie auch finanziell unterstütze. Und Sofia, seine Jugendfreundin, die heute seine Frau ist. "Zum Glück habe ich Sofia getroffen. Sie hat mich auf den richtigen Weg gebracht", sagte der 31-Jährige vergangenes Jahr.

An manchen Wochenenden fuhr Suarez zurück nach Salto, ab und an kickte er bei Teams seines Onkels Sergio mit, der in seiner Freizeit weiterhin Jugendtrainer war. "Luis war immer schon aktiv und irgendwie rastlos", sagt Sergio bei ESPN über seinen Neffen. "Weil er immer etwas sein wollte, aber er wusste damals noch nicht genau, was."

 

Mañana de campo con mi viejo y mi hermano...

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Heute weiß er es längst. Schon mit 19 verließ Suarez Nacional Montevideo und ging in die Niederlande zum FC Groningen, um sich in Europa einen Namen zu machen. Wiederum nur ein Jahr später ging es zu Ajax, dann nach Liverpool, nach Barcelona. Diese Teile der Geschichte kennen wir alle.

Suarez und Cavani: In Salto auf ewig Helden

Im Gegensatz zu Cavani ist Suarez - verständlicherweise, da er nur kürzer dort lebte - heute nicht mehr ganz so innig mit seinem Geburtsort verbunden. Vor fast zehn Jahren war er das letzte Mal in Salto, sagt sein Onkel Sergio. Er und Suarez' Großmutter sind allerdings auch die einzigen Verwandten, die noch dort leben.

Dass eine Statue von Suarez in Salto steht, aber keine von Cavani, verstehen die meisten Einwohner daher nicht. Cavani kommt zweimal im Jahr nach Salto, ist unfassbar beliebt. "Immer, wenn er zurückkommt, läuft er durch die Läden und verweigert keinem Kind ein Foto. Er ist immer noch der Gleiche", sagt Gabriel Paique, ein Lokaljournalist, der Cavani in dessen ganz frühen Kindertagen bei Nacional Salto trainierte.

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Dennoch sagt Paique auch: "Die Leute finden, dass Cavani mehr Salteno (Einwohner Saltos, d. Red.) ist als Suarez. Aber ich denke, das stimmt nicht. Der Unterschied ist eben, dass Suarez mit sieben Jahren nach Montevideo zog und den Großteil seines Lebens dort lebte. Aber sie haben beide diesen Charakterzug, immer ein offenes Ohr für die Bedürfnisse der Menschen zu haben und zu helfen, so gut sie können."

In Salto werden sie jedenfalls alle am Samstagabend (20 Uhr im LIVE-TICKER) stolz vor dem Fernseher sitzen, wenn Uruguay mit Suarez und Cavani, mit ihren beiden Jungs, im WM-Achtelfinale Portugal schlagen und in die Runde der besten acht Teams der Welt einziehen will. Und sie alle werden ihre Daumen drücken, ganz besonders Edinsons Bruder Christian Cavani und Luis' Onkel Sergio Suarez - nur ein paar Gehminuten voneinander entfernt.

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