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FC Bayern München: Elf Freunde müsst ihr sein


HINTERGRUND

Ganz rechts hatte sich Arjen Robben eingeordnet. Nicht nur auf dem Spielfeld, ganz rechts stand er auch in jener Reihe, in der die Mannschaft des FC Bayern kurz nach Abpfiff in Richtung Südkurve spazierte. Ganz links, auf der anderen Seite, lief Robert Lewandowski. Und es war kein Zufall, dass die beiden Ausnahmekönner nach dem 3:0-Sieg gegen den RSC Anderlecht zum Auftakt der Champions League lieber Abstand zueinander hielten.

Arjen Robben im Interview zum Anderlecht-Spiel

Es war diese eine Szene, die für großen Unmut gesorgt hatte bei Arjen Robben. In der 72. Minute marschierte Lewandowski auf der linken Seite, Robben stand frei in der Mitte. Statt seinen Kollegen zu bedienen, versuchte Lewandowski seinen Gegenspieler zu düpieren - und scheiterte. Danach ging es los, was man in München längst kennt. Robben motzte. Er kam gar nicht mehr raus aus dem Motzen. Erst schimpfte er mit Lewandowski. Dass der ihn keines Blickes würdigte, brachte ihn endgültig auf die Palme. Vehement beschwerte er sich nun der Reihe nach bei Franck Ribery, Carlo Ancelotti und Willy Sagnol. Nach dem Motto: Habt ihr das auch gesehen? Hat der das gerade wirklich gemacht? Hat er mich einfach missachtet? Er hatte. Und es war nicht das erste Mal. 

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Nun ist Robben selbst jedoch auch nicht als mannschaftsdienlichster Kicker der Klubgeschichte bekannt geworden. Auch er nimmt es sich gelegentlich heraus, einen besser postierten Kollegen bewusst zu übersehen, um selbst den Abschluss zu suchen. Und das ist auch in Ordnung. Ausnahmekönner dürfen das. Zudem ist es ja nichts Neues, dass Lewandowski und Robben nicht besonders feinfühlig miteinander umgehen. Dass es nicht ihre Lieblingsbeschäftigung ist, dem anderen eine Großchance aufzulegen. Und doch stand diese eine Szene sinnbildlich für das, was dem FC Bayern am Dienstagabend womöglich am meisten fehlte: Geschlossenheit. 

Analyse: FC Bayern müht sich zum Auftaktsieg gegen Anderlecht

"Elf Freunde müsst ihr sein, wenn ihr Siege wollt erringen", stand schon auf der Victoria-Statue geschrieben. Die Victoria-Statue ist der Vorgänger der Meisterschale, sie wurde von 1903 bis 1944 vergeben. Elf Freunde scheinen die Münchner aktuell aber nicht zu sein. Das wurde während, aber auch nach der Partie ziemlich deutlich. 

"Wir müssen das Miteinander verbessern"

Franck Ribery etwa warf sein Trikot kurz nach seiner Auswechslung wütend auf die Ersatzbank. Auf dem Rasen pöbelte nicht nur Robben, auch andere Spieler waren in mehreren Situation auffällig unzufrieden. Natürlich gab es hier und da auch Schulterklopfer oder aufbauenden Applaus nach einer missglückten Aktion. Und trotzdem wurde eben reichlich gemeckert. 

Nun kann dieser Eindruck täuschen. Wer schon Sport getrieben hat, weiß, wie sich Ehrgeizlinge da manchmal aufführen. Und er weiß auch, dass das manchmal durchaus förderlich sein kann. So auch Joshua Kimmich. "Das gehört dazu. Wenn man anderer Meinung ist, dann muss man das auch ansprechen. Wir können da nicht elf Schäfchen auf dem Platz sein, die sich immer nur gut zureden. Da müssen auch mal andere Worte fallen. Das ist auch eine Art, sich gegenseitig zu pushen", erklärte er. Aber ist es auch eine förderliche Art? Oder ist es aktuell vielleicht doch etwas wenig Harmonie? Laut Neuzugang Niklas Süle ist die Stimmung im Team "überragend", "auf jeden Fall", sei man eine echte Einheit, sagte Kimmich mit leiser Stimme. Diejenigen, die schon länger dabei sind, ließen allerdings anderes vermuten.

"Wir müssen uns selbst gegenüber kritisch sein, aber vor allem brauchen wir Zusammenhalt", sagte Robben und forderte: "Wir müssen das Miteinander verbessern." Überhaupt verwendete er das Wort "zusammen" ungewöhnlich häufig in der Interviewzone. Genauso wie Jerome Boateng. Der meinte: "Wir müssen ganz schnell daran arbeiten, unsere Fehler abzustellen, aber als Mannschaft. Nicht in den einzelnen Teilen, sondern alle zusammen. Jeder muss sich an die eigene Nase fassen und schauen, was er besser machen muss." Und außerdem: "Wir sollten uns auf das konzentrieren, was wir können, und das ist Fußballspielen. Aber das müssen wir besser machen – als Mannschaft zusammen, nicht jeder einzeln."

Probleme in der Chancenerarbeitung - aber nicht nur

Nun bleibt ja die Frage, was überhaupt so schlimm ist an einem 3:0-Sieg zum Start in die Königsklasse. Nun ja, die Münchner waren ab der zwölften Spielminute in Überzahl, dazu dank eines verwandelten Lewandowski-Elfmeters mit 1:0 in Führung. Zwar hatten sie kurz davor durch James Rodriguez (10.) und kurz danach durch Lewandowski (15.) jeweils per Kopf zwei gute Chancen, dann allerdings kam bis zur 65. Minute fast gar nichts mehr. Die Bayern wirkten unkonzentriert, ideen- und planlos in der Offensive sowie anfällig in der Defensive. Dass die Gäste aus Anderlecht mit einem Mann weniger zu zwei hundertprozentigen Einschussmöglichkeiten durch Nicolae Stanciu (41.) und Alexandru Chipciu (49.) kamen, verdeutlicht die Problematik.

*NO GAL* FC Bayern RSC Anderlecht *NO GAL* James Rodriguez FC Bayern MünchenGetty Images

"Wir haben uns das Leben selber schwer gemacht. Wir hätten schneller spielen müssen und viel mehr Torchancen kreieren können gegen eine Mannschaft in Unterzahl. Außerdem hatte Anderlecht zu zehnt viel zu viele Chancen." kritisierte Boateng. "Wir hatten mit einem Mann mehr die Spielkontrolle, haben Anderlecht aber trotzdem am Leben gehalten. Sie hatten in der ersten Halbzeit eine gute Chance und nach der Pause einen Pfostentreffer, bei dem wir Glück hatten", wusste Kimmich.

Das spielerisch größte Problem der Bayern ist aktuell das Kreieren von klaren Torchancen. Mats Hummels hatte das bereits nach der 0:2-Niederlage bei 1899 Hoffenheim bemängelt, und nun monierte auch Kimmich: "Wir müssen uns in der Offensive mehr Chancen erarbeiten. Das war, seitdem ich hier bin, eigentlich immer eine Stärke des FC Bayern."

Ursächlich dafür ist der teilweise kaum erkennbare Plan der Münchner. Primär scheint das aktuelle Konzept von Trainer Ancelotti auf der individuellen Klasse seiner Akteure und auf Durchbrüchen über die Außenbahnen zu beruhen. Auf den Flügeln setzen sich Robben, Ribery und Kingsley Coman auch regelmäßig durch, allerdings münden die Aktionen zu selten in gefährlichen Flanken oder gar Toren. "Gerade wenn wir in Überzahl sind, reicht es nicht, nur die Kontrolle zu haben und den Ball laufen zu lassen. Wir müssen die Räume, die sich zwangsläufig ergeben, auch nutzen", forderte Kimmich. Er selbst war einer der Besten gewesen, legte das 2:0 von Thiago (65.) vor und erzielte den 3:0-Endstand selbst (90.). 

Ancelotti: "Die Kritik ist zu viel"

Obwohl die Bayern gegen müde gespielte Belgier in den letzten 20 Minuten besser und vor allem deutlich zwingender wurden, verwunderte es, dass Ancelotti kaum bis gar keinen Grund zur Sorge sah. "Die Kritik ist zu viel. Ich bin es gewohnt, kritisiert zu werden, aber um ehrlich zu sein, ist es zu viel", sagte der Italiener und betonte: "Ich bin nicht von gestern. Viele Leute sprechen über Strategie, Taktik und Position der Spieler. Es ist zu viel. Fußball ist einfacher." Insgesamt sei er mit der Partie "zufrieden" gewesen, auch wenn es "keine Top-Leistung" war. "Wir hätten mit mehr Intensität und Tempo spielen können. Aber das war nicht nötig."

Sogar Hasan Salihamidzic wurde da deutlicher. "Das Ergebnis ist gut, auch wenn ich lieber drei, vier Tore mehr gesehen hätte. Am Spiel müssen wir noch arbeiten, die Abstimmung, die Laufwege, die Automatismen verbessern", befand der Sportdirektor. Noch deutlicher als die leitenden Angestellten wurden aber wieder einmal die Spieler. "Es ist nicht unser Anspruch, uns gegen zehn Mann so schwer zu tun", sagte Boateng, der nach langer Verletzungspause sein Comeback gefeiert und Kimmichs Treffer herrlich vorbereitet hatte. 

"Wir haben ohne Tempo und Rhythmus gespielt. Da muss man Leidenschaft zeigen und geil sein, Tore zu schießen. Das müssen wir verbessern, denn das Publikum verdient auch etwas. Bei allem Respekt, aber nach der Roten Karte muss man die aus der Arena schießen", meinte indes Robben. Und forderte erneut von jedem einzelnen, sich zu hinterfragen. Und zusammenzuhalten.

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