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Bayern-Trainer Niko Kovac im Interview: "Lionel Messi ist für mich der Beste"


EXKLUSIV

Niko Kovac ' Miene, die noch am Vorabend in Falten lag, hatte sich deutlich erhellt, als er am Sonntagmorgen im Mediencenter an der Säbener Straße ankam. Der Frust darüber, dass sich im Bundesliga-Spiel gegen Bayer Leverkusen mit Corentin Tolisso und Rafinha gleich zwei seiner Schützlinge verletzt hatten, war im Interview mit Goal und Spox einigermaßen verflogen. Auch, weil der 46-Jährige erstmals als Trainer des FC Bayern in der Champions League an der Seitenlinie stehen wird. 

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"Ich freue mich darauf. Jeder einzelne Spieler, Klub und Trainer möchte dabei sein", sagt Kovac mit spitzbübischem Grinsen und schiebt nach: "Die Erwartungshaltung in München ist immer groß, aber diese Erwartungshaltung habe ich auch an mich und meine Spieler." Ein Gespräch über den Wechsel zu einem der renommiertesten Klubs der Welt, Ambitionen, die Dominanz von Real Madrid in den vergangenen Jahren und die Spieler, die ihn weltweit am meisten faszinieren.

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Niko, Ihr ehemaliger Lehrer Herr Sauer hat in einem Interview mit der Frankfurter Neue Presse gesagt, dass Sie als Schüler besonders pfiffig, freundlich und intelligent gewesen seien. Außerdem hat er Sie „lausbübisch“ genannt. Wie hat sich das geäußert?

Niko Kovac: Lausbub hört sich immer so negativ an (lacht). Er hat schon recht, ich war immer höflich und freundlich. So wurde ich erzogen. Natürlich hat man auch mal geschaut, wo man sich in der Schule die Hausaufgaben holen konnte, wenn man sie nicht gemacht hatte. Ich denke, das kennen wir alle. Als Schüler versucht man, den Lehrer zu beeindrucken, damit der denkt: 'Oh, der kann aber was.‘ Und eigentlich konnte man es dann letztlich nicht.

Wie viel Lausbub steckt noch heute in Ihnen?

Kovac: Ich habe viele Dinge gelernt und kenne alle Tricks. Ich kann meiner Tochter oder meinen Spielern sagen: 'Wo Ihr seid, da war ich auch schon, Ihr könnt mir nichts vormachen.' Man behält das, was man als Schüler, Spieler und Mensch erlebt hat. Deshalb entlarve ich den einen oder anderen auch schnell, wenn er mir etwas verkaufen möchte, was so nicht geht.

Viele Bayern-Profis wie beispielsweise Robert Lewandowski oder die deutschen Nationalspieler haben eine enttäuschende WM erlebt. Wie ist es Ihnen gelungen, diese Spieler wieder zu motivieren.

Kovac: In erster Linie bin ich Mensch. Ich bin zwar Trainer des FC Bayern, versuche aber, jeden Einzelnen als Person zu sehen. Jeder Mensch braucht Wertschätzung, egal in welcher Form. Man muss authentisch auftreten und ehrlich sein. Wenn man etwas verspricht, dann muss man das auch einhalten. Vertrauen gewinnt man, indem man den Spielern gut zuredet und sie von gewissen Dingen überzeugt. Ich bin kein Hexenmeister oder Wunderheiler, sondern versuche, jedem auf Augenhöhe zu begegnen. Ich stehe nicht über ihnen, nur weil ich der Trainer bin. Ich glaube, das kommt gut an. Deshalb werde ich das auch weiterhin so handhaben.

Apropos Wertschätzung: Auch an Renato Sanches, der in seinem ersten Jahr als isoliert galt und nun wieder zurück ist, scheinen Sie heranzukommen. Zumindest hat er in einem Interview mit fcb.tv in den höchsten Tönen von Ihnen geschwärmt.

Kovac: Ich kann die Vergangenheit nicht bewerten. Ich kenne die Faktenlage, aber wieso es zu den Problemen kam, kann ich nicht genau sagen. Er ist zwar Europäer, aber kommt aus einem anderen Land. Andere Länder, andere Sitten, andere Charaktereigenschaften. Das ist ja nicht nur ein fußballspezifisches, sondern vielmehr ein gesellschaftliches Thema. Man muss versuchen, andere Menschen zu verstehen. Man kann einen Ausländer nicht so behandeln wie einen Deutschen, weil er ganz anders auf verschiedene Dinge reagiert. Ich habe Renato gesagt, dass es nicht einfach ist, bei Bayern Stammspieler zu werden. Seine Chance wird kommen.

Wann?

Kovac: Er ist ein junger Spieler und macht seine Sache wirklich gut. Gerade jetzt, bei unserer Personalsituation, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass er demnächst spielen wird. Er ist nicht umsonst als einer der Weltbesten seines Jahrgangs tituliert worden. Man muss den jungen Spielern aber Zeit geben und darf nicht davon ausgehen, dass sie sofort funktionieren. Die Jungs müssen die Eindrücke erst einmal verarbeiten, wenn sie in ein fremdes Land kommen. Es ist ungerecht, dass man von den ausländischen Spielern verlangt, dass sie sofort explodieren.

Sie haben mit Eintracht Frankfurt ein bunt gemischtes Team trainiert. Auch in der kroatischen Nationalmannschaft sind vermeintlich schwierige Charaktere vertreten. Sind Sie der Mann für die besonderen Fälle?

Kovac: Ich versuche, mich in die Spieler hineinzuversetzen und frage mich, wie ich einen Fall angehen muss. Man kann sofort emotional reagieren, aber man muss sich bewusst sein, dass eine Aussage oder Kritik Auswirkungen hat. Da muss man differenzieren. Ich habe als Spieler und bei den Trainerfortbildungen gelernt, dass nicht alle Menschen gleich sind. Ich habe mir früher immer gewünscht, dass der Trainer jeden gleichbehandelt. Aber das kann man vergessen. Ich denke, mir kommt zugute, dass ich kroatische Wurzeln habe, aber in Deutschland aufgewachsen bin. Ich habe zwei Mentalitäten in mir und kann mich vielleicht in den einen oder anderen besser hineindenken. Ich habe von der Vielfältigkeit in Frankfurt einiges gelernt, die deutschen und ausländischen Spieler ebenfalls. Vielfältigkeit macht das Leben erst interessant.

Bei den Bayern müssen Sie die großen Stars bei Laune halten. Wie moderiert man einen solch namhaften Kader und macht den Arrivierten wie Arjen Robben oder Franck Ribery klar, dass sie nicht immer spielen können?

Kovac: Jeden dritten Tag auf Top-Niveau spielen, geht nicht. Das wissen die Spieler und das weiß ich selbst. Mir braucht niemand vormachen, dass er jedes Spiel machen kann. Man muss mit den Spielern sprechen, das machen wir tagtäglich. Das, was ich ihnen sage, wird auch passieren. Wenn ein Spieler weiß, dass er am Wochenende spielt, dafür in der nächsten Woche aber draußen bleibt, kann er sich im Vorhinein darauf einstellen. Das Schlimmste, was im Fußball passieren kann, ist, dass ein Spieler irgendwann kalkuliert, wie er die 90 Minuten überlebt. Wenn er nur überleben will, spart er sich hier mal einen Laufweg und geht dort mal einem Zweikampf aus dem Weg. Diejenigen, die spielen, müssen zu hundert Prozent fokussiert sein. Im nächsten Spiel darf dann eben wieder ein Anderer ran.

Martin Dennis Niko Kovac

Joshua Kimmich hat zuletzt in der Nationalmannschaft als Sechser überzeugt. Ist das auch beim FC Bayern eine Option?

Kovac: Joshua wurde auf der Sechs ausgebildet. Das kann er aus dem Effeff. Aber ich habe aktuell einen linken und einen rechten Außenverteidiger zur Verfügung. Im Mittelfeld ist die Auswahl größer. Da ist es nur logisch, dass es für ihn aktuell keine andere als die Rechtsverteidigerposition gibt.

Sie haben bei den Bayern ein weitestgehend bestehendes Konstrukt vorgefunden. Hätten Sie sich einen größeren Umbruch mit mehr neuen Spielern gewünscht?

Kovac: Ich bin froh, dass der Kader weitestgehend zusammengeblieben ist. Der Großteil der Mannschaft spielt schon seit einigen Jahren in dieser Konstellation zusammen. Das Gebilde steht, die Abläufe stehen. Es ist für einen Trainer sehr vorteilhaft, wenn man so gute Ressourcen wie beim FC Bayern vorfindet. Wir werden sicherlich Schritt für Schritt versuchen, den Verein mit jungen, qualitativ hochwertigen Spielern zu verbessern. Wie schon Otto Rehhagel gesagt hat: 'Es gibt nur gut oder schlecht und nicht jung oder alt.‘ Da pflichte ich ihm bei.

Uli Hoeneß hat gesagt, dass sie das Beste sind, was dem FC Bayern derzeit passieren konnte. Liegt das auch daran, dass sie den Klub so gut kennen?

Kovac: Es freut mich, dass Uli Hoeneß das sagt. Das Ganze steht und fällt aber mit dem Erfolg. Ich versuche, mich als Trainer so einzubringen, wie ich bin und verstelle mich nicht. Ich bin hier, weil wir in Frankfurt erfolgreich waren. Ich kenne die Gegebenheiten, weil ich selbst Spieler hier war. Der Kontakt nach München ist danach nie abgebrochen. Ich hatte immer noch Freunde und Bekannte hier und weiß, was mich hier erwartet. Es ist deshalb sicherlich kein Nachteil, wenn man selbst schon Profi bei Bayern war.

Hätten Sie gedacht, dass es von Beginn an so gut läuft bei den Bayern?

Kovac: Natürlich habe ich mir das gewünscht, aber das kann man nicht planen. Ich sage immer, die Hoffnung generiert sich in der Arbeit. Nicht nur mein Trainerteam, sondern auch die Mannschaft arbeitet sehr intensiv. Aber unterm Strich ist die zwischenmenschliche Beziehung wichtig. Jeder einzelne Spieler ist empfindlich, jeder Tag ist anders. Es geht um Fingerspitzengefühl, wenn einer beispielsweise private Probleme hat oder der Andere schlecht geschlafen hat. Ich behaupte nicht, dass ich das zu 100 Prozent habe, aber ich versuche, vieles über nonverbale Kommunikation zu erkennen. Man muss nicht unbedingt mit jemandem sprechen, um zu merken, was Sache ist. Die Kommunikation ist generell entscheidend. Dem Gegenüber auf Augenhöhe zu begegnen, ist in der heutigen Gesellschaft von immer größerer Wichtigkeit.

Es fällt auf, dass die Bayern unter Ihnen nicht mehr so anfällig für Konter sind. Stimmt die Balance?

Kovac:  Vor dem Pokalendspiel am 19. Mai haben wir uns bei Eintracht Frankfurt Gedanken gemacht, wie wir den Bayern schaden können. Das ist uns gelungen. Jetzt versuche ich hier in München, die Balance zu finden. Wir müssen auch im Umschaltspiel gemeinsam agieren. Das machte die Mannschaft in den ersten Pflichtspielen außerordentlich gut. Wir können uns nur selber schaden - wenn wir fahrlässig oder nachlässig beim Verteidigen sind, wird es gefährlich. Aber wenn wir das Defensivverhalten auf eine höhere Ebene bringen, wird es schwierig, Chancen oder Tore gegen uns zu kreieren.

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Sie stehen nun erstmals als Trainer in einem Champions-League-Spiel an der Seitenlinie. Wie sehen Ihre Ambitionen für die Königsklasse aus?

Kovac: Ich freue mich darauf. Jeder einzelne Spieler, Klub und Trainer möchte dabei sein. Die Erwartungshaltung in München ist immer groß, aber diese Erwartungshaltung habe ich auch an mich und meine Spieler. Dessen war ich mir bewusst, als ich bei Bayern unterschrieben habe. Die Gruppe, die wir zugelost bekommen haben, ist sehr attraktiv und nicht einfach. Viele schieben uns die Favoritenrolle zu, das sind wir auf dem Papier wahrscheinlich auch. Aber Papier ist bekanntlich geduldig.

Wie schätzen Sie Ihre Gruppengegner ein?

Kovac: Ich glaube, dass es sehr interessant wird. Benfica und Ajax sind in ihren Ländern immerhin Rekordmeister. Wir müssen auf der Hut sein und dürfen uns in Lissabon keinen Konzentrationsverlust leisten. Wie bei einer Weltmeisterschaft oder Europameisterschaft, ist das erste Spiel ganz besonders wichtig. Das kann Druck schaffen oder rausnehmen. Wir wollen zusehen, dass wir gegen Benfica ein gutes Ergebnis erzielen, um mit etwas weniger Druck in die weiteren fünf Spiele gehen zu können.

Real Madrid hatte in der Champions League in den vergangenen Jahren ein Dauerabonnement auf den Titel. Wie schätzen Sie die Mannschaft ohne Cristiano Ronaldo ein?

Kovac: Dass Real dreimal hintereinander den Titel geholt hat, ist einzigartig. Ich glaube nicht, dass sich das in näherer Zukunft wiederholen wird. Ohne Cristiano Ronaldo hat sich Real natürlich verändert, ist aber weiterhin eine sehr gute Mannschaft. Dreimal die Champions League zu gewinnen, ist top, aber man muss auch bedenken, dass sie in den drei Jahren nur einmal Meister geworden sind. Das zeigt, dass man Abstriche in Kauf nehmen muss. In allen drei Wettbewerben gute Leistungen zu zeigen, ist nämlich sehr schwierig. Ich bin aber davon überzeugt, dass Real auch in diesem Jahr eine sehr gute Rolle spielen wird.

Glauben Sie, dass neben Real Madrid und den anderen üblichen Verdächtigen, eine Mannschaft auftrumpfen kann, mit der man weniger rechnet?

Kovac: Sie haben die üblichen Verdächtigen ja schon angesprochen: Das sind für mich die spanischen Vertreter Atletico Madrid und der FC Barcelona. Die Engländer sind immer gut, PSG und Juventus werden auch ein Wörtchen mitreden. Es ist schwierig, für kleinere Mannschaften, weiter zu kommen als ins Achtelfinale. Die großen Vereine haben sehr viel mehr Geld, Stars in ihren Reihen und eine größere Qualität. Auf diesem Niveau ist das entscheidend. In einem Spiel kann man über das Kollektiv erfolgreich sein, aber in zwei Spielen setzt sich meistens die Qualität durch. Deshalb denke ich, dass die größeren Mannschaften letztlich ins Viertelfinale einziehen.

Auf einen Favoriten möchten Sie sich also nicht festlegen?

Kovac: Nein, weil so etwas auch immer von Glück oder Verletzungen abhängt. Die Vielzahl der Spiele, die vielen Reisen, auch mit den Nationalmannschaften, gehen an die Substanz. Das ist teilweise eine Vierfach-Belastung. Wenn man Glück hat, von Verletzungen verschont bleibt und in der entscheidenden Phase alle wichtigen Spieler an Bord hat, stehen die Chancen gut. Sind diese Faktoren nicht gegeben, wird es schwierig.

Wer sind für Sie persönlich die drei besten Spieler der Welt?

Kovac: Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Natürlich sind die Offensivspieler das Salz in der Suppe. Sie schießen die schönen Tore. Das bleibt bei den Leuten in Erinnerung. Ich würde mir wünschen, dass auch andere Spieler, die nicht so im Vordergrund stehen, häufiger genannt werden. Für mich ist Lionel Messi der Beste, das war früher so und das wird auch in Zukunft so sein. Ronaldo ist auch ein Weltklasse-Spieler. Seine Art imponiert mir. Das ist nicht angeboren, sondern antrainiert. Naturtalent haben viele, das Arbeitstalent muss man selber ausprägen. Das hat Ronaldo in einer fantastischen Form gemacht. Mohamed Salah und Luka Modric waren im letzten Jahr ebenfalls toll. Aber umso weiter hinten man spielt, desto weniger kommt man ins Rampenlicht. Aber die individuelle Klasse entscheidet letztlich die Spiele.

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