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Zlatko Junuzovic: "Mich hätte eine neue Herausforderung gereizt"

Zlatko Junuzovic ist höflich, wirkt geerdet und bescheiden. Er redet von "richtigen Stars", wenn er über andere Spieler philiosophiert, gegen die er in der Bundesliga antreten darf. Fast 40 Minuten nimmt sich der Mittelfeldmann von Werder Bremen Zeit für ein Telefoninterview mit Goal.

Er spricht über den dürftigen Saisonstart, den Umbruch im Kader, seine Vertragsverlängerung und die Bedeutung seiner Rückennummer. Außerdem erklärt der 27-Jährige den Aufschwung der österreichischen Nationalmannschaft.

Zlatko, in einer Kategorie waren Sie in der vergangenen Saison sogar besser als Lionel Messi, Cristiano Ronaldo und Co.

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Zlatko Junuzovic: Sie meinen die direkten Freistöße?

Genau. Von 22 Versuchen haben Sie fünf versenkt.

Junuzovic: Das habe ich mal gelesen. Das ist natürlich irgendwo super, ich werde auch probieren, das zu bestätigen. Grundsätzlich sind diese Dinge für mich aber wirklich nicht entscheidend. Lieber ist es mir, wenn wir es schaffen, eine gute Saison zu spielen. Dann wäre ich extrem zufrieden. Persönliche Statistiken sind schön und gut. Wenn man aber im Abstiegskampf feststeckt, ist der Druck enorm - da denkt man an solche Sachen gar nicht.

Der Saisonstart lief nicht optimal. Nur ein Punkt steht nach zwei Spielen auf dem Konto.

Junuzovic: Das ist zu wenig. Schalke hat es gut gemacht, da war es sehr schwer. Wir hatten zwar gefühlt mehr vom Spiel, aber leider nicht die letzte Entschlossenheit. Gegen Berlin war unser größtes Problem, dass wir in beide Halbzeiten nicht gut reingekommen sind. Dann haben wir die Partie aber kontrolliert und verdient den Ausgleich erzielt. Im Endeffekt hätten wir noch gewinnen müssen.

Viktor Skripnik wirkte nach Abpfiff nicht unzufrieden. Er sagte, Ihre Fans hätten etwas zu feiern. Ist es nicht Ihr Anspruch in Berlin zu gewinnen?

Junuzovic: Das sollte er schon sein. Der Trainer meinte mit seiner Aussage eher unsere Körpersprache, die Reaktion, die wir gezeigt haben - nicht das Resultat. Da bin ich seiner Meinung: Die war positiv und ein Schritt nach vorne. Dennoch ist das Ergebnis leider zu wenig. Mit einem Dreier im Rücken wäre es entspannter gewesen, an die kommende Aufgabe Gladbach ranzugehen. So wird die Sache nicht einfacher. Die Borussen stehen nach zwei Niederlagen mit dem Rücken zur Wand und werden alles daran setzen, drei Punkte zu holen - so wie wir auch. Das wird ein sehr interessantes Spiel.

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Was bedeutet der bescheidene Saisonstart für Ihre Ambitionen?

Junuzovic: Wir sind nicht so weit, als dass wir uns hohe und langfristige Ziele setzen sollten. Wir hatten einige Veränderungen in der Mannschaft, da müssen wir geduldig sein, bis die Abstimmungen besser wird. Wir wollen schlicht so viele Punkte wie möglich sammeln.

Sie spielen in einem 4-4-2 mit Raute. Vor allem in den 90er-Jahren haben das viele Teams praktiziert, heute spielen die meisten im 4-2-3-1. Warum passt das 4-4-2 zu Werder?

Junuzovic: Grundsätzlich entscheidet der Trainer, was für ein System wir spielen, dem müssen wir uns unterordnen. Bevor ich nach Bremen gekommen bin, habe ich noch nie mit einer Raute gespielt. Es ist - gerade beim Umschalten - ein dynamisches System. Wir haben viele Spieler in der Mitte und können uns nach Ballgewinnen direkt nach vorne orientieren. Andererseits birgt es mitunter Gefahren, weil wir auf den Außen oft in Unterzahl sind. Gerade wenn die gegnerischen Außenverteidiger sehr hoch stehen, können wir nach einem Diagonalball Probleme bekommen. Die Laufwege sind extrem weit, daher müssen wir uns noch besser abstimmen.

Sie können in der Raute alle Positionen spielen - welche favorisieren Sie?

Junuzovic: Sie haben Recht, ich bin vielseitig. Im 4-2-3-1-System der Nationalmannschaft spiele ich in der Zentrale. Von dort aus kann ich mich zurückfallen lassen und habe meine Freiheiten. Die Sechser-Position gefällt mir genauso - auch wenn ich dafür vielleicht ein bisschen zu offensiv denke. Die Außenpositionen kann ich ebenso spielen, wie man bei Werder sieht.

Ein zentrales Thema ist in den vergangenen Wochen der Abgang von Franco Di Santo. Ihr Trainer ist davon genervt. Und Sie?

Junuzovic: Wenn einer unserer besten Spieler geht, polarisiert das. Franco war stets gefährlich und hat immer seine Tore gemacht hat. Wir kamen gut miteinander klar. Ich wusste, wo er steht, was er vorhat. Natürlich kam sein Abgang zu einem bitteren Zeitpunkt. Dass darüber gesprochen wird, ist logisch. Dass es dem Trainer irgendwann zu viel wird ebenfalls. Di Santo hat eine große Lücke hinterlassen, die es jetzt auszufüllen gilt.

Dafür wurde auch Aron Johannsson geholt. Er ist in Deutschland ein unbeschriebenes Blatt.

Junuzovic: Er ist erst sehr kurz bei uns. Ich glaube aber, dass er seine Spiele und Tore für uns machen wird. Wie schnell das funktioniert, kann ich nicht sagen. Man muss Geduld bewahren. Bei Franco hat es auch eine gewisse Zeit gedauert, bis er wirklich eingeschlagen ist.

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Zusammen mit Anthony Ujah haben Sie im Angriff aber genügend Potenzial, um Di Santo zu ersetzen?

Junuzovic: Auf jeden Fall! Sonst hätten die Verantwortlichen die beiden nicht geholt. Tony war die ganze Vorbereitung dabei, hat sich gut eingefügt. Ich habe ein gutes Gefühl, dass es bei Johansson nach der Eingewöhnungsphase auch so sein wird. Er kam erst nach der Vorbereitung, das ist ein entscheidender Unterschied.

Sie dagegen kicken bereits lange für Bremen - und haben Ihren Vertrag im Februar bis 2018 verlängert. Warum?

Junuzovic: Zu dem Zeitpunkt steckten wir im Abstiegskampf, da konnte ich ein positives Zeichen setzen. Ich hatte immer das Gefühl, dass wir letztendlich nichts mit dem Abstieg zu tun haben würden – und uns weiterentwickeln können. So ist es gekommen. Für mich war das die richtige Entscheidung.

Mit der Kampagne #junubleibtbremer hat der Klub damals Ihre Vertragsverlängerung bekanntgegeben. Vorher hat sich Werder intensiv um Sie bemüht - einer der Gründe für Ihren Verbleib?

Junuzovic: Natürlich war das wichtig. Wenn du von so vielen Menschen so sehr geschätzt wirst, so viel Anerkennung bekommst, dann gibt dir das nochmal einen Schub, dich eher so zu entscheiden als andersherum. Wenn ich sagen würde, das hätte keine Rolle gespielt, würde ich lügen. Für einen Fußballer ist Vertrauen immens wichtig.

War es ein Stück weit die Dankbarkeit gegenüber Bremen?

Junuzovic: Sicher, auch. Seit ich im Verein bin, spiele ich regelmäßig, darf mich zeigen. Das Umfeld liegt mir, es gab nie Probleme. Alle Mitarbeiter sind sehr nett, sehr hilfsbereit. Das war ein Grund. Auch spielte es eine große Rolle, dass man sich nicht umstellen muss.

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Wollten Sie eine solche Umstellung besonders im Hinblick auf die EM 2016 vermeiden?

Junuzovic: Nein, das nicht. Mich hätte eine neue Herausforderung schon gereizt. Es war keine einfache Entscheidung, ganz im Gegenteil: Es waren Gedanken dabei, etwas zu probieren, mich nochmal woanders beweisen zu wollen. Ich hätte bei einem Wechsel sicher nicht die Angst gehabt, nicht zu spielen, sondern die Herausforderung angenommen. Woanders hätte ich auch meine Leistung bringen und mich fürs Nationalteam empfehlen können.

Warum hat es trotzdem nicht gepasst? Sie hatten reizvolle Angebote, das haben Sie selbst gesagt.

Junuzovic: Es hätte gepasst. Aber Werder bietet in dieser Situation einen großen Reiz. Man redet mit seiner Frau, seiner Familie. Die Entscheidung trifft man zum Schluss selbst. Medial war meine Zukunft immer wieder ein Thema. Ich wäre im Sommer sonst ablösefrei gewesen, das wollte ich nicht. Und ich wollte mich in dieser Situation früh entscheiden.

In Zukunft würde Sie eine neue Herausforderung jedoch interessieren?

Junuzovic: Meine Zukunft heißt jetzt Werder. Aber es gibt immer reizvolle Geschichten. Ich bin nicht so alt - ein paar Jahre sollte ich noch spielen können (lacht). Im Ernst: Mein Vertrag läuft noch drei Jahre. Es kann sein, dass ich die ganze Zeit hierbleibe, aber im Fußball ist vieles möglich und man hat es nicht immer selbst in der Hand.

Gibt es denn einen Verein, bei dem Sie schwach werden würden?

Junuzovic: Neben der Bundesliga ist sicher die Premier League immer eine Option. Die Atmosphäre ist dort ähnlich gut. Aber wie gesagt: Ich bin bei Werder, ich muss jetzt nicht träumen.

Bei Werder ist im Sommer die "10" neu vergeben worden. Levent Aycicek hat sie sich geschnappt. Waren Sie nicht heiß auf diese Rückennummer?

Junuzovic: Für mich ist klar: Im Verein trage ich nur die "16", in der Nationalmannschaft die "10".

Warum ausgerechnet die "16"?

Junuzovic: Ich habe diese Nummer schon bei meiner ersten Profistation und seitdem bei all meinen Vereinsmannschaften getragen. Das ist meine Nummer, mit der ich auf dem Platz ein gutes Gefühl habe. Natürlich ist das Kopfsache, aber mir gibt die "16" ein Stück Sicherheit. Als ich zu Werder gekommen bin, war sie besetzt - ich habe die "23" genommen, mich damit aber nicht so wohl gefühlt. Nachdem Silvestre gegangen ist, war das erste, was ich gemacht habe, Thomas Schaaf nach der "16" zu fragen.

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In der Nationalmannschaft läuft es mit der "10" hingegen prächtig.

Junuzovic: Wir haben uns sehr gut entwickelt. Eine interessante und relativ schwierige Gruppe führen wir souverän an, das ist ein gutes Zeichen und eine tolle Konstellation. Wir sind aber noch nicht durch und müssen jetzt zu Ende bringen, was wir angefangen haben. Das Beste ist aber: Wir haben noch Luft nach oben. In Russland haben wir zum Beispiel 1:0 gewonnen, hätten höher siegen müssen. Darin liegt der nächste Entwicklungsschritt. Dass wir Spiele nicht nur dominieren und kontrollieren, sondern ungefährdete Siege einfahren.

Warum ist Österreich auf einmal so stark?

Junuzovic: Der Kern der Mannschaft ist im gleichen Alter. Viele von uns spielen seit der U19 zusammen, haben im Verein zusammengespielt, sind zu Legionären geworden, haben im Ausland gespielt und Erfahrung gesammelt. Wir alle haben uns durchgesetzt, jeder ist Stammspieler. Dazu kommt, dass wir uns alle sehr, sehr gut verstehen. Wir kennen uns in und auswendig - nicht nur sportlich. Auch privat haben wir sehr viel Kontakt. Das macht den entscheidenden Unterschied aus.

Genauso wie die von Ihnen angesprochene Erfahrung?

Junuzovic: Davon profitieren wir ungemein. Die Erfahrung ist der Schlüssel. Und, dass wir Woche für Woche auf hohem Niveau spielen. In der Premier League oder der Bundesliga treffen wir auf starke Spieler, auf Individualisten und richtige Stars. Große Namen machen uns keine Angst mehr, das ist jetzt Alltag. Dadurch sind wir gefestigt und im Nationalteam stärker geworden.

Sie wirken sehr bescheiden, geerdet, reden von "richtigen Stars", wenn Sie über andere Profis sprechen. Dabei waren Sie selbst einer der besten Mittelfeldakteure der abgelaufenen Bundesliga-Saison.

Junuzovic: (lacht) Ich weiß gar nicht, was andere über mich denken. Ich sehe mich nicht als Star. Natürlich hat sich die Wahrnehmung verändert, der Druck ist gestiegen. Aber meine Sicht der Dinge ist noch dieselbe wie vor fünf oder sechs Jahren. Und das ist gut so. Wenn wir gegen Gladbach spielen, sehe ich eine super Mannschaft mit sehr, sehr guten Einzelkönnern. Da ist es schön, auf diesem Niveau mitzuspielen. Zu zeigen, dass man mithalten kann. Das sollte der Anreiz sein.

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