Miranda Brazil 17062018Getty

Miranda: Brasiliens Abwehrfels bei der WM, der mit 20 beinahe aufgehört hätte


HINTERGRUND

Es war schon der zweite schwere Schicksalsschlag, den Miranda in seinem noch so jungen Leben erlitt. Als er 20 Jahre alt war, starb sein Vater Joao. Kurz, nachdem der brasilianische Innenverteidiger ein Angebot des damaligen französischen Erstligisten FC Sochaux erhalten hatte. Der Schritt nach Europa war nah, es sollte das Sprungbrett in eine sorgenfreie Zukunft sein.

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Doch nun, nach dem Tod des Vaters, fühlte sich Miranda nicht mehr bereit dafür. Zumal seine Mutter ihn anflehte, in der Heimat zu bleiben. "Ich war plötzlich schwach und nicht mehr sicher, ob ich es im Fußball schaffen würde", sagt Miranda über diese Zeit. "Ich dachte darüber nach, aufzuhören."

Heute wird er glücklich darüber sein, es nicht getan zu haben. Mit 33 Jahren spielt Miranda in Russland seine erste WM, ist in Brasiliens Deckungszentrum an der Seite Thiago Silvas gesetzt, glänzt mit geschickter Zweikampfführung, Ruhe am Ball und gutem Kopfballspiel. Im entscheidenden letzten Gruppenspiel gegen Serbien führte der Mann von Inter Mailand die Selecao sogar als Kapitän auf den Rasen.

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64 Prozent seiner Zweikämpfe hat Miranda in den drei Vorrunden-Partien gewonnen, brachte bisher starke 167 seiner insgesamt 179 Pässe an den Mann. Er und Thiago Silva sind die Basis dafür, dass Neymar und Co. vorne zaubern können, machen Hoffnung, dass es diesmal in den entscheidenden Momenten besser läuft als 2014.

Miranda wird Verteidiger, um in die Fußstapfen seines verstorbenen Bruders zu treten

Dass Miranda überhaupt Verteidiger geworden ist, hat mit dem zweiten frühen Schicksalsschlag zu tun, den er verkraften musste. Als Miranda sechs Jahre alt war, kam sein Bruder Vicente, der älteste seiner elf Geschwister, bei einem Arbeitsunfall ums Leben. Vicente arbeitete als Techniker bei einer Elektrizitätsfirma, war nebenbei ein guter Verteidiger, den man auf den Amateurplätzen rund um Paranavai, Mirandas Heimatstadt im Süden Brasiliens, bestens kannte.

"Ich glaube, ich wollte dann in seine Fußstapfen treten, darum bin ich Verteidiger geworden", sagte Miranda im Jahr 2007. "In Paranavai sagen die Leute immer noch, dass er besser war als ich."

2005 hatte es Miranda auf den Spuren seines Bruders Vicente bereits in die erste Mannschaft von Coritiba geschafft, als besagtes Angebot aus Sochaux ins Haus flatterte. Schweren Herzens nahm er es trotz der Bitte seiner Mutter, zu bleiben, letztlich doch an - auch, weil seine Frau Jacqueline, die er schon mit 19 geheiratet hatte, schwanger war und er gut für das Kind sorgen können wollte.

Miranda 27062018GettyMiranda war gegen Serbien Brasiliens Kapitän

Er biss sich durch im fernen Frankreich, kam auf seine Einsätze, kehrte nach gut einem Jahr aber schon wieder zurück nach Brasilien und heuerte beim Top-Klub FC Sao Paulo an. Dort sollte seine Karriere so richtig durchstarten.

Miranda wurde schnell Stammspieler, gewann mit Sao Paulo 2007 und 2008 den brasilianischen Meistertitel, debütierte im April 2009, als noch die alten Haudegen Lucio und Luisao die Stamm-Innenverteidigung bildeten, in der Selecao. Wenige Monate später gehörte er dann auch dem Kader Brasiliens an, der den Confederations Cup 2009 gewann.

Miranda: Bei der WM 2014 kein Thema, seitdem bei Brasilien unverzichtbar

Den Sprung nach Europa wagte er erst 2011 wieder, holte dann mit Atletico Madrid gleich in seiner ersten Saison die Europa League. 2014 wurde er mit den Colchoneros sogar spanischer Meister, absolvierte zudem auf dem Weg ins so unglücklich verlorene Champions-League-Finale gegen Real alle Partien über die volle Distanz, war aus Diego Simeones Team kaum wegzudenken.

Aber: So gut es auf Vereinsebene auch lief, in der Nationalmannschaft spielte er jahrelang kaum eine Rolle. Trotz Top-Leistungen bei Sao Paulo und dann auch bei Atletico auf höchstem europäischen Niveau wurde Miranda zwischen November 2009 und September 2014 lediglich ein einziges Mal für die Selecao nominiert. 

Besonders die Tatsache, dass ihn Luiz Felipe Scolari nicht für die Heim-WM 2014 berief, obwohl Miranda zu jener Zeit vielleicht einer der besten Innenverteidiger der Welt war, schmerzte. "Es war ein Traum, den ich verschieben musste", sagte er, nachdem er für die diesjährige WM in Russland nominiert worden war.

In der Zeit nach der WM 2014, seitdem man in Brasilien gewillt war, die Schmach vom 1:7 im Halbfinale gegen Deutschland vergessen zu machen, war Miranda plötzlich stets gesetzt. In 17 der 18 Qualifikationsspiele stand er auf dem Platz, teilweise als Kapitän. Besonders Tite schätzt die Qualitäten des 1,86-Meter-Mannes, der Atletico 2015 in Richtung Inter Mailand verließ, in der abgelaufenen Saison 2017/18 überzeugte und im April selbstbewusst sagte: "Ich glaube ernsthaft, dass ich der beste Verteidiger der Serie A bin. Ich habe mich zu einem kompletten, technisch versierten und schnellen Spieler entwickelt."

In Russland will Miranda nun auch der beste Verteidiger der WM werden. Und natürlich mit Brasilien den Titel holen. Im Namen seines verstorbenen Bruders Vicente. Dem Einzigen, in dem er heute vermutlich einen besseren Verteidiger sehen würde.

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